Der Kiepenkerl bloggt: Portugals Defizitspender

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Einen Grund für die portugiesische Staatsverschuldung kann man vor Ort im doppelten Wortsinn erfahren, denn die Regierungen haben ab den 1990er Jahren aberwitzige Summen in den Autobahnbau investiert. Heute verfügt Portugal weltweit über die meisten Autobahnkilometer pro Kopf der Bevölkerung. Selbst die entlegensten Winkel sind bequem per Autobahn zu erreichen. Doch die Straßen und Brücken wurden nicht am Bedarf vorbei investiert, denn der Bedarf der Tiefbauunternehmen und Baumaschinenhersteller war riesig.

PicMonkey Collage

Fotos: Armin Berninghaus

Außerhalb der wenigen Ballungsgebiete ist auf den Fahrbahnen häufig minutenlang kein Auto zu sehen. Vorteil des fehlenden Verkehrs: Die Infrastruktur wird geschont, sodass keine Reparaturkosten entstehen. Ich war 14 Tage in Portugal unterwegs, ohne auf ein einziges Schlagloch zu treffen. Um eine Frequenz wie auf deutschen Autobahnen zu erreichen, müssten sämtliche Autobesitzer einer Region gleichzeitig auf einem Autobahnabschnitt unterwegs sein.

Auch der Lärmschutz ist vorbildlich. Er wurde an der Wurzel bekämpft. Wo keine PKW und LKW unterwegs sind, entsteht kein Lärm. Das spart Investitionen in den Lärmschutz.

Zur Reduzierung der Schuldenlast sind die portugiesischen Autobahnen seit einiger Zeit durchgängig mautpflichtig. In Ballungsgebieten existiert ein automatisches Erfassungs- und Bezahlsystem, wie auf deutschen Autobahnen für LKW. Auf den meisten Strecken wird aber noch traditionell an Kassenhäuschen bezahlt. Trotzdem verursachen die Mautstellen keine Staus. Vermutlich decken die Mauteinnahmen nicht einmal die Betriebskosten des Mautsystems.

Jahr Staatsschulden
in Mrd. €
Staatsschulden
in € je Einwohner
Staatsschulden
in % des BIP
Staatsschulden
in % der Einnahmen
2000 64,64 6.306,99 50,32 127,61
2001 72,55 7.023,11 53,42 135,83
2002 80,13 7.709,11 56,18 139,14
2003 85,73 8.207,70 58,65 143,40
2004 94,45 9.018,78 61,99 155,48
2005 106,92 10.187,98 67,39 166,47
2006 115,00 10.940,10 69,17 169,07
2007 120,09 11.401,61 68,44 165,00
2008 128,19 12.147,00 71,67 172,40
2009 146,69 13.887,26 83,61 206,86
2010 173,06 16.367,59 96,18 236,63
2011 195,69 18.508,91 111,08 260,64
2012 211,78 20.088,82 124,82 290,49
2013 219,23 20.903,88 128,04 283,14
2014 225,28 21.604,86 130,18 292,53

Ein weiterer Grund für das Staatsdefizit ist die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der portugiesischen Exportgüter. Bis zur Einführung des Euro am 1. Januar 2002 konnte Portugal den Escudo abwerten, wenn die Exportpreise für Agrarprodukte oder Industrieerzeugnisse im internationalen Vergleich zu hoch waren. Mit Einführung des Euro besteht diese Möglichkeit nicht mehr, sodass sich die Unterschiede bei Lohnkosten und Inflation negativ auf den Handels- und Leistungsbilanzsaldo auswirken. Der Fehlbetrag liegt seit Jahren bei zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Die Rosskur zum Schuldenabbau bedeutet für Portugal: Verminderung der öffentlichen Ausgaben, Konsumverzicht durch niedrigere Löhne und Ausbau des Fremdenverkehrs. Inzwischen werden höhere Steuern auf Kapitalerträge, Vermögen, Finanztransaktionen, Luxusgüter und Tabakwaren erhoben. Künftig sollen Spitzenverdiener einen weiteren Steueraufschlag von 2,5 Prozent zahlen. Ließen sich Autobahnen und Autobahnbrücken exportieren, wäre Portugal Weltmeister im Abbau von Staatsschulden.

Durch die konsequent umgesetzten Sparmaßnahmen ist Portugal auf einem guten Weg – hoffentlich ohne Schlaglöcher.

 

 

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