Der französische Arzt und Ökonom François Quesnay schrieb 1758 über die Landwirtschaft und ihre gesamtwirtschaftliche Bedeutung. In dem Artikel entwickelte er ein revolutionäres Modell des wirtschaftlichen Kreislaufs und dessen Gesetzmäßigkeiten, das Tableau économique. Der wesentliche Fortschritt in seinem Wirtschaftsmodell bestand in der Erkenntnis, dass Ausgaben nicht einfach nur verbraucht sind, sondern an anderer Stelle als Einnahmen erscheinen, die dann wieder Ausgaben möglich machen und so weiter.
Diese Gesetzmäßigkeiten des Wirtschaftskreislaufs galten in Griechenland nicht. Ausgaben wurden nur gelegentlich zu Einnahmen für den Staat, weil sie der Volkswirtschaft wegen fehlender Steuermoral, ungerechtfertigter Vergünstigungen, Schmiergeldzahlungen und Vermögens-verlagerungen ins Ausland entzogen/vorenthalten wurden.Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis weiß als Professor der Ökonomie, dass Quesnay bereits vor über 250 Jahren die Bevölkerung im Wirtschaftskreislauf eines Landes in drei Klassen einteilte:
- la classe productive (produktive Klasse)
- la classe passive (besitzende Klasse)
- la classe stérile (unproduktive Klasse)
Die Ausgangslage für die Regierung von Alexis Tsipras war fatal, denn Griechenland hat durch das Versagen der Eliten seit Jahrzehnten über seine Verhältnisse gelebt.
- Die produktive Klasse verharrte in archaischem Zustand, denn Fördergelder der Europäischen Gemeinschaft waren nicht in zukunftsträchtige Technologien investiert worden. Das Geld versickerte in überflüssigen und überteuerten Infrastrukturprojekten. Dazu zählt die aufwändige Erschließung unzähliger unbedeutender antiker Ausgrabungen.
- Die besitzende Klasse blieb wirtschaftlich passiv, denn sie schaffte ihr Vermögen ins Ausland und trug kaum zum Steueraufkommen bei. Die Vermeidung von Steuern wurde zum Volkssport. Die riesigen Gewinne aus der Schifffahrt sind sogar per Grundgesetz steuerfrei.
- Die unproduktive Klasse wuchs unablässig, weil Politiker nach jedem Regierungswechsel zahllose Parteifreunde im öffentlichen Dienst untergebracht, ohne dass es Arbeit für sie gab. Und erst im Jahr 2015 wurde das Rentenalter auf 58 Jahre angehoben. Zudem leistet sich Griechenland die höchsten Militärausgaben pro Kopf der Bevölkerung in der westlichen Welt.
Am Ende war die Beschäftigungspyramide im ehrwürdigen Hellas auf den Kopf gestellt. Mit den rachitischen Wertschöpfungsquellen ließ sich kein ausgeglichener Haushalt erreichen. So wurden Gelder der Europäischen Gemeinschaft beispielsweise verwendet, um Haushaltslöcher zu stopfen. In dieser Situation ist an eine Tilgung der Schulden nicht zu denken. Hinzu kommt, dass neue Jobs in Griechenland so selten sind wie Regen im Sommer.
Bereits kurz nach dem Regierungswechsel wurde deutlich, dass Tsipras und Varoufakis die Vergesellschaftung der Schulden im Euro-Raum anstrebten. Wirksame Sparvorschläge lehnten sie fast ausnahmslos ab. Diese Lauschepperei ist gründlich schiefgegangen.
Griechenland wird sich auf seine Stärken als Agrarstaat mit Olivenöl, Feta, Wein, Sonne und touristischen Attraktionen konzentrieren müssen. Die Neuausrichtung kann aber nur gelingen, wenn sämtliche private und geschäftliche Einkunftsarten konsequent erfasst werden und zu Staatseinnahmen führen. Das ist ein langer Prozess, denn es fehlen eine effektive Steuerverwaltung, ein flächendeckendes Liegenschaftskataster und das Ende der Korruption.
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