Westfalen – Der Ausstellungstitel ist verlockend, doppeldeutig und missverständlich zugleich. Doch die Sonderausstellung „Das nackte Leben“ mit Werken von Bacon, Freud, Hockney und anderen, die ab dem 8. November im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zu sehen sein wird, handelt nur am Rande von nackten Menschen. Sex sells? Nein danke! In Münster interessiert man sich für etwas ganz anderes.
Mit ihrem provozierenden Titel meinen die Ausstellungmacher die Unmittelbarkeit, die Echtheit und die Wahrhaftigkeit, die die Künstler im vergangenen Jahrhundert in London umtrieb. Die Künstler waren angetreten, ihr eigenes Leben, ihre eigenen Erfahrungen und Beziehungen in den Mittelpunkt zu stellen. Freunde porträtieren sich gegenseitig und brachten das eigene Leben auf die Leinwand. Schonungslos, ungeschönt und ehrlich bis zur Schmerzhaftigkeit.
Zwar sind auch Aktdarstellungen in dieser exzellenten Ausstellung zu sehen, aber ebenso Porträts, Interieurs und Stadtansichten – traditionelle Gattungen in neuem Gewand und mit beeindruckendem Pinselstrich. Entstanden sind die figurativen Gemälde zwischen 1950 und 1980 in England während auf dem europäischen Festland fast ausschließlich die Abstraktion die Leinwände füllte. Ein interessantes Phänomen, das der Erklärung und Aufklärung bedarf.
Große Namen der britischen Kunst stehen dafür im neuen LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster mit ihren Werken parat. Exzellent präsentiert und effektvoll gehängt. Übrigens ist damit Münster ein Coup gelungen. Selbst auf der Insel ist man auf eine solch erhellende Zusammenstellung bislang noch nicht gekommen. Ein ungemein detaillreicher, komplett bebilderter Katalog und ein fein ausgefächertes Bildungsprogramm werden ein übriges tun, die Zusammenhänge und kunsthistorischen Beziehungen zu verdeutlichen.
Diese Ausstellung ist ein Glückfall und gleich aus dem Stand wirft das LWL-Museum für Kunst und Kultur damit den Hut in die Oberliga kunsthistorisch bedeutsamer Ausstellungen. „Das nackte Leben. Bacon, Freud, Hockney und andere. Malerei in London 1950-80“ legt die Messlatte sehr hoch. Die internationale Gruppenschau, die bis zum 22. Februar 2015 zu sehen sein wird, eröffnet das Ausstellungsprogramm im neuen LWL-Museum und weiht die knapp 1.000 Quadratmeter großen Sonderausstellungsräume ein.
Sie widmet sich der gegenständlichen Malerei in London mit Arbeiten von Francis Bacon, Lucian Freud, Frank Auerbach, Leon Kossoff, David Hockney, Richard Hamilton und anderen. Zu sehen sind rund 120 Arbeiten von 16 Künstlern, die zu den Meistern der figurativen Malerei des 20. Jahrhunderts gehören. Die Leihgaben kommen teilweise von weit her – aus den USA, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, den Niederlanden und aus Deutschland. Viele der wertvollen Werke sind noch nie in Deutschland, ja teilweise noch nie öffentlich gezeigt worden. Sie kommen vielfach aus privaten Sammlungen. Bekannten Bildern wird man daher nur wenigen begegnen, dafür umso häufiger Entdeckungen machen können.
Die Werke zeigen den künstlerischen Dialog, der in London ab den 1950er Jahren begonnen hatte und über drei Jahrzehnte andauern sollte. Die Künstler griffen Themen aus ihrer unmittelbaren Lebenswelt auf und holten das Alltägliche in die Kunst zurück: „Warum nicht das eigene Leben malen?“ fragte zum Beispiel Kitaj, der Künstler wie Hockney ermutigte, gegenständlich zu malen.
Die Ausstellung zeigt das Schaffen der Künstler an den Londoner Kunsthochschulen bis hin zu späteren Produktionen, die noch immer die heutige Kunst beeinflussen. Porträts, Aktdarstellungen, Interieurs und Stadtansichten werden chronologisch präsentiert, beginnend mit der Situation im London der Nachkriegszeit.
Zwei Jahre lang haben Kuratorin Dr. Tanja Pirsig-Marshall und Catherine Lampert, Gast-Kuratorin aus London, Werke zusammengetragen. Die Kuratorinnen untersuchten auch die Beziehungen der Künstler untereinander und stellen den Dialog und die Freundschaften heraus.
Die Ausstellung kostet rund 2,2 Mio. Euro. Tansportkosten, Versicherungen und die Sicherheit schlagen besonders heftig zu Buche. Ohne größzügige Sponsoren war das Projekt nicht zu stemmen. Allen voran leitstete die hiesige Stiftung kunst³ einen großen Beitrag. Mit ihren 600.000 Euro hat die Stiftung die Ausstellung erst ermöglicht. Hinzu kommen als Förderer die LWL-Kulturstiftung, die Sparkasse Münsterland Ost und das NRW-Kulturministerium.
Öffnungszeiten:
Dienstag – Sonntag und feiertags 10 bis 18 Uhr
Eintrittspreise:
10 Euro, ermäßigt 5 Euro
Familienticket 19 Euro
Kinder ab 6, Jugendliche bis einschl. 17 Jahre und Schüler 3 Euro
Gruppen (Erwachsene) ab 16 Personen 7 Euro p.P.
Inhaber der LWL-MuseumsCard 50 % Ermäßigung
Inhaber der BahnCard 25% Ermäßigung
Kombiticket mit Eintritt in die Sammlung: 12 Euro, ermäßigt 6 Euro
Öffentliche Führungen (kostenlose Teilnahme):
Überblicksführungen: Samstag 14 Uhr (60 Min.), Sonntag 11 Uhr (90 Min.)
Themenführungen: Mittwoch 16.30 Uhr (60 Min.)
LWL-Museum für Kunst und Kultur / Domplatz 10 / 48143 Münster Telefon 0251 – 5907-01 www.lwl-museum-kunst-kultur.de
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