Der Kiepenkerl bloggt: Steuergeschenke

Der europäische Spitzenkandidat der Konservativen zur Europawahl, Jean-Claude Juncker, und sein sozialdemokratischer Konkurrent, Martin Schulz (SPD), lieferten sich am 8. Mai 2014 ein Rededuell, das im ZDF übertragen wurde. Beim Thema „unterschiedliche Steuersätze in Europa“ wies Juncker süffisant darauf hin, dass Deutschland es sich leiste, die Erlöse aus Unternehmensverkäufen nicht zu besteuern. Schulz überging das Thema, denn den rot-grünen Steuerleuten war beim Steuern über Steuern vor Jahren so einiges aus dem Ruder gelaufen.

Jean-Claude Juncker und Martin Schulz

Jean-Claude Juncker und Martin Schulz – Foto: Zinneke/Mettmann (Wikimedia Commons)

Schulz konnte oder wollte nicht erklären, was ausgerechnet die Sozialdemokraten im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 veranlasst hatte, Gewinne aus Unternehmensverkäufen unter bestimmten Umständen nicht zu besteuern oder nur mit einem niedrigeren Steuersatz zu belegen. Zur Gegenfinanzierung waren seinerzeit die Abschreibungsmöglichkeiten für den Erwerber gestrichen worden. Durch den Fortfall der Abschreibungen auf Unternehmenskaufpreise brach eine wichtige Finanzierungssäule für Investitionen des Mittelstandes in strategisch wichtigen Märkten weg. Die absurde Regelung begünstigt Aussteiger, die Kasse machen, zu Lasten von Investoren, die Arbeitsplätze erhalten oder schaffen! Die Folgen der finanzpolitischen Fehlleistung sind unübersehbar. In der Folge führten Megadeals zu Arbeitsplatzvernichtungen in großem Stil, ohne dass die Verkäufer über Steuerzahlungen zur Milderung der von ihnen verursachten Sozialkosten angemessen beigetragen hätten.

Durch die Steuerbefreiung von Verkaufserlösen wurden unternehmerische „Heuschrecken“ ins Land gelockt, die nur an einer kreditfinanzierten Ausschüttung der betrieblichen Vermögenswerte interessiert sind – mit fatalen Folgen für die Beschäftigten und die Staatsfinanzen.

Auch die Banken freuten sich über den steuerfreien Geldsegen aus dem Jahrzehnte betriebenen Unternehmensmonopoly. Mit den erzielten Windfall-Profits aus ihren Beteiligungsverkäufen kaschierten sie so manche Fehlspekulation der Vorjahre. Andererseits weigerten sie sich, wichtige Investitionen oder Unternehmenskäufe des Mittelstandes über angemessene Konditionen zu finanzieren.

Die hohe Kunst vieler Banken bestand über Jahre darin, die Spekulationslöcher so miteinander zu verbinden, dass keines herausfiel. Auch andere Gegenstände werden durch Löcher entwertet. Weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt häufig das Übrige nichts mehr. Kurt Tucholsky nannte in seinem Essay „Zur soziologischen Psychologie der Löcher“ die Beispiele Fahrschein, Jungfrau und Luftballon. Nach dem Milliardencrash Ende 2008 hätten die Banken bei Tucholsky vermutlich auf Platz 1 gelegen.

Nachdem ich das Buch „Der gekaufte Staat“ gelesen habe, ist mir klar, dass Bank-Lobbyisten dem Gesetzgeber bei der Umkehr der Steuerentlastung die Hand geführt haben.

Die Abschreibung von Unternehmenskaufpreisen könnte jederzeit aufkommensneutral wieder zugelassen werden, wenn man zur Gegenfinanzierung die Verkaufserlöse erneut steuerpflichtig machen würde.

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