Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat neue Maßstäbe gegen ungenehmigtes Datensammeln gesetzt. Um das osmanische Grundrecht auf ungestörte Vernichtung von Beweismitteln durchzusetzen, ließ er zahlreiche hochrangige Justiz- und Polizeibeamte versetzten oder entlassen. Ungenehmigt hatten sie wegen Korruption gegen wichtige Politiker und Wirtschaftsführer aus dem Umfeld der AKP (deutsch: Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) ermittelt. Dabei gerieten auch Erdogans Sohn Bilal und drei Söhne von Ministern in Korruptionsverdacht, der allerdings rechtzeitig durch die Beseitigung von Beweismitteln entkräftet werden konnte.
Bei dem Skandal geht es unter anderem um die Bestechung von Politikern. Sie sollen illegale Goldgeschäfte mit dem Iran vertuscht und mehrere „Türken gebaut“ haben, indem sie bei der Genehmigung illegaler Bauvorhaben behilflich waren. Das für den Abschluss der Projekte eingeplante Schmiergeld in Höhe von umgerechnet 3,3 Millionen Euro wurde im Rahmen einer Hausdurchsuchung in Schuhkartons sichergestellt.
Erdogan verbat sich jegliche Kritik der Europäischen Union an seinem Vorgehen gegen die Justiz mit den Worten: „Die Justiz darf nicht über die [von mir] festgelegten Grenzen hinausgehen.“ Das Prinzip der Gewaltenteilung muss entsprechend dem islamisch-konservativen Verständnis außer Kraft gesetzt werden, wenn eine Gewalt die andere stört. Die Säuberungswelle wurde mit dem Kopftuch der Nächstenliebe zugedeckt.
Um die Privatsphäre der korrumpierten Führungselite im Lande zu schützen, verabschiedete das Parlament auf Erdogans Geheiß ein Gesetz zur Kontrolle des Internets. Danach können Internetseiten ohne richterlichen Beschluss gesperrt werden. Türkische Oppositionspolitiker werfen der Regierung vor, mit der geplanten Sperrung unliebsame Kritik unterbinden zu wollen. Darüber hinaus verpflichtet das Gesetz Internetanbieter Nutzerdaten bis zu zwei Jahre lang zu speichern.
Die internationale Kritik an den Maßnahmen war völlig überzogen, denn nach den Beurteilungskriterien von Altkanzler Gerhard Schröder zählt Erdogan neben Wladimir Putin zu den lupenreinen Demokraten. Da sollten wir uns auf den Beitritt der Türkei zur EU freuen.
Speak Your Mind