Jeden Tag eine Linie

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Westfalen – Abstrakte und figürliche Zeichnungen von zwölf  Outsidern gemeinsam mit fünf zeitgenössischen Künstlern werden in der Ausstellung “Jeden Tag eine Linie” Zeichnung und Art Brut im Kunsthaus Kannen bis 26. August präsentiert. Zeichnungen mit Bleistift, Kohle oder Tusche auf Papier bilden den Schwerpunkt der Ausstellung, auf den Blättern auf denen mit leichten oder kräftigen Strichen ein dichtes Gedankennetz sichtbar wird.

Die Künstler: Adolf Beutler / Dominique Doyen / Ingo Eisvogel / Matthias Elsen / Josef König / Heinrich Küpper / Robert Linke / Dan Miller / Martina Muck / Ronald Noorman / Dorothee Rocke / Willi Schauland / Richard Schwaab / Maya Schweizer / Heinz Unger / Ingolf Wabnik / Erwin Winter

Matthias Elsen: Autobahn

Wir stellen hier stellvertretend vier Künstler etwas ausführlicher vor.

Ronald Noorman lebt und arbeitet in Amsterdam. Von 1974 bis 1978 studiert er an der Gerrit Rietveld Academie, Amsterdam. Ronald Noorman macht Zeichnungen. Früher, als er noch Student war, und in den Jahren kurz danach hat er Grafiken gemacht und heute will er zur Abwechslung noch manchmal ein paar gefundene Sachen zu einer Assemblage zusammenfügen, aber Zeichnen ist sein Metier. Und das ist es schon seit geraumer Zeit.

Am Anfang der achtziger Jahre, als Noorman zum ersten Mal seine Zeichnungen ausstellte, war es noch viel weniger üblich für einen Künstler, sich so verbissen der Zeichenkunst zu widmen als es das jetzt – auch vielleicht durch sein Zutun? – geworden ist. Für Noorman gehört Zeichnen zur einen autonomen Tätigkeit. Was ihn darin anzieht ist die Direktheit des Mediums. Die Zeichnungen von Noorman sind visuelle Gedanken. Eine Bedeutung, die oft schwer zu ergründen ist, was die Bilder zeigen ist ein Verweis auf diese andere Form von Wirklichkeit, die außerhalb des Bildes steht. „Zeichnen ist sowohl Sprechen als Schreiben“, besagt ein steinernes Relief, das über dem Eingang der ehemaligen Rijkmueum Tekenschool (Zeichenschule) hängt. Ronald Noorman bestätigt diesen Gedanken: “Es ist so etwas wie schreiben, aber auf nonverbaler Weise.” Seit 1979 werden die Kunstwerke Noormans regelmäßig in Einzel– und Gruppenausstellungen weltweit, darunter Deutschland, Frankreich, Niederlande oder auch den USA und Kanada, präsentiert. Es gibt immer wieder Künstlerbücher mit seinen Druckgrafiken und eine Reihe an Publikationen.

Schauland: Ameisen

Willi Schauland: Ameisen

Dorothee Rocke lebt in Frankfurt am Main. Ihr Werk bestand anfangs aus großformatigen Kohlezeichnungen und nach einer kurzen Phase mit farbigen Acryl- und Gouache Bildern alsbald überwiegend aus abstrakten schwarz-weißen Acrylbildern, die sie nicht nur mit dem Pinsel, sondern auch durch das Aufdrücken von strukturierten Objekten gestaltet. Linien und Strukturen sind ihre bestimmenden Bildelemente. Ab etwa 1995 schuf sie insbesondere seriell konzipierte Werkzyklen. Ihre Bilder waren bereits bei zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen.

Nach einem Sprachstudium in Köln von studierte sie Bildende Künste an der Universität Mainz. 1981 war sie Gastdozentin für Malerei am Middlebury College (USA), 1988 bis 1992 hatte sie einen Lehrauftrag für Malerei an der Universität Mainz. Dorothee Rocke wurde 1989 mit dem Perron-Kunstpreis der Stadt Frankenthal ausgezeichnet. Auch in Aachen an der Fachhochschule hatte Rocke einen Lehrauftrag für Freie Gestaltung und war 1997 Gastprofessorin für Zeichnung an der Fachhochschule Hamburg.

Bedeutende Einzelausstellungen fanden 1986 im Goethe-Institut in Kyoto, 1991 Künstlerhaus Edenkoben, im Kunstverein Frankenthal sowie 1996/97 beim Kunstverein Schwetzingen und in der Städtischen Galerie im Museum Folkwang in Essen statt. Ab 1992 hat sie mehrfach im Kunstraum MI Posselt in Bonn, in der Galerie Erhard Witzel in Wiesbaden und in der Neuen Kunst im Hagenbucher in Heilbronn ausgestellt. In der Sammlung Prinzhorn in Heidelberg gab es 2003 eine Ausstellung mit Werken Rockes, die als Antwort auf in der Sammlung befindliche Werke des geisteskranken Künstlers Hyacinth von Wieser (1848-1877) zu verstehen waren. Unter dem Titel “Der Linie folgen” fand eine Rocke-Ausstellung im Jahr 2006 in der Goldhalle des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main statt.

Roland Noorman

Heinz Unger zeichnet mit Leidenschaft seine erlebten Geschichten, Welt- und Glaubensansichten auf das Papier. Die vielen Strichmännchen bewegen sich durch sein Linienhaus, auf jeder Stufe klettern, fliegen oder springen die Figuren durch ein Labyrinth. Ungers Zeichensprache ist sehr reduziert. Sie setzt sich vor allem aus Linien und Kreisen zusammen. Wie Symbole, die auf den ersten Blick das Wichtigste verraten sollen, verteilt er sie in stets neuen Kombinationen auf dem Papier. Sie lassen sich oft wie Texte in Bildersprache lesen, denn Figuren und Gegenstände werden durch chiffreartige Kürzel vertreten. In seinen Zeichnungen greift er wesentliche Motive auf, löst sie aus den vertrauten Zusammenhängen und verschlüsselt sie in seine Zeichensprache. Er ist vertraut mit der Bilderwelt und der Formensprache von Liturgie und heiliger Schrift. Seine Bilder entstehen in unterschiedlichen Techniken. Dabei kommen die Zeichnungen in Tusche den Schriftbildern am nächsten. Die Objekte und Figuren sind hier besonders filigran, gar zerbrechlich, und einzelne Bildelemente sind Buchstaben sehr ähnlich. Insbesondere durch die unterschiedliche Dichte des Auftrags – die Dicke der Linien variiert zwischen hauchdünn und flächig breit – gewinnen diese Zeichnungen an Lebendigkeit.

1987 bis 1991 studierte Martina Muck Kunst an der Kunstakademie Münster. 1991 bis 1993 machte sie eine Lehre zur Tischlerin. Anschließend folgte ein weiteres Studium an der Kunstakademie Münster. 1996 machte Martina Muck ihr Examen für Freie Kunst an der Kunstakademie Münster und wurde zur Meisterschülerin von Prof. Mechthild Frisch ernannt. Seit 1998 ist Muck Mitglied des Fördervereins “Aktuelle Kunst des Atelier – und Ausstellungshauses” Fresnostraße, Münster.

Heinz Unger

Bei der Ausstellung “Jeden Tag eine Linie”- Zeichnung und Art Brut ist eine kinetische Arbeit von Martina Muck zusehen. Dabei rotiert ein Pastellstift, angetrieben von einem Computerlüfter über ein Papier, welches auf einem Tisch befestigt ist. Zufällig und gleichzeitig automatisch entsteht ein vielschichtiges Bild. Die Bewegung monoton, fast meditativ fesselt den Betrachter an der Installation. Die Bewegung des Stiftes wird durch unterschiedliche Faktoren bedingt und wirkt zufällig. Im Laufe der Ausstellung entsteht eine Pastellzeichnung, die an Dichte beständig zunimmt.

Am 22. Juli, zwischen 15 und 16 Uhr veranstalte sie darüber hinaus im Kunsthaus Kannen eine Windzeichen – Aktion. Martina Muck, Windzeichner, seit 2008. Der Windzeichner ist eine mobile Installation für wechselnde Standorte. Mit Hilfe eines kleinen Segels wird jede Windregung aufgenommen und von einem Stift auf ein Blatt Papier übertragen. Der Vorgang des Zeichnens folgt ganz dem Rhythmus des Windes. Je nach Windstärke und Windrichtung entstehen Zeichnungen unterschiedlicher Dichte und Ausdehnung. Die Betrachtung der Segel- und Stiftbewegung durch den Wind hat einen meditativen Charakter und die Zeichnung entsteht mit großer Leichtigkeit.

Kunsthaus Kannen Museum für Art Brut und Outsider Art / Alexianerweg 9 /Kappenberger Damm / 48163 Münster
Telefon 025 01 – 966 20 560
www.kunsthaus-kannen.de

 

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