Der Kiepenkerl-Blog: Management by Nächstenliebe

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Paulus definierte das Christentum noch als „Glaube, Hoffnung, Liebe“. In diesem Sinne übernahmen die Kirchen im Laufe der Jahre zahlreiche soziale und karitative Aufgaben vom Staat. Die praktizierte Nächstenliebe machte viele Gemeinden zu Kleinunternehmen, die mit kaufmännischem und technischem Sachverstand gemanagt werden müssen. Doch darauf waren und sind die Führungsmannschaften nur unzureichend vorbereitet.

La charité par Philippe de Champaigne au Musée des Beaux-Arts de Nancy

Philippe de Champaigne: “La charité” – Bild: Wikimedia Commons

Pfarrer können zwar die Bibel im Originaltext lesen. Doch der liefert keine umsetzbaren Antworten auf die drängenden Fragen der Betriebsführung in den Gemeinden. Auch das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg hilft angesichts geltender Tarifverträge nicht weiter, und statt der babylonischen Sprachverwirrung kämpfen die Gemeinden gegen Turbulenzen aufgrund unsolide finanzierter Investitionen und rückläufiger Kirchensteuereinnahmen.

Als Aufsichtsräte sollten Presbyter und Pfarrgemeinderäte auf Sicht raten. Doch viele Auserwählte müssen selbst raten, wozu sie raten sollen. Ursächlich für das Wissensdefizit in den Gremien ist, dass ihre Besetzung nach dem Zufallsprinzip erfolgt und nicht aufgrund fachlicher Eignung. Wer nur „Die Buddenbrooks“ von Thomas Mann oder Gustav Freytags Roman „Soll und Haben“ gelesen hat, ist kaum in der Lage, die Finanz- und Bauplanung einer Gemeinde zu beurteilen. Hinzu kommt, dass an so manchem Bauhaus-Laien die Entwicklung der letzten 500 Jahre auf den Gebieten Statik, Akustik, Beleuchtung oder Klimatechnik spurlos vorübergegangen ist.

                                   Mangement by Nächstenliebe1 Mangement by Nächstenliebe2

Angesichts dieser Gemengelage sind finanzielle Turbulenzen in den Gemeinden keine höhere Gewalt, sondern die Erbsünden unausgegorener Entscheidungen der amtierenden Führungsmannschaften oder ihrer Vorgänger. Hier bestätigt sich die Erkenntnis: „Das Gegenteil von gut, ist gut gemeint.“

Viele politische Parteien sind da schlauer, sie gleichen den Mangel an positivem Wissen in Gemeinde- und Stadtparlamenten durch die Wahl von sachkundigen Bürgern aus.

Auch in der Kirche hat der liebe Gott die Talente unterschiedlich verteilt. Es gibt drei Gruppen von Christen:

  1. Die einen wundern sich, dass etwas geschieht.
  2. Die anderen schauen zu, wenn etwas geschieht.
  3. Die Dritten sorgen dafür, dass etwas geschieht.

Die Herkulesaufgabe besteht darin, aus der Typ-3-Gruppe die einzubinden, die über den nötigen Sachverstand verfügen. Doch viele müssen erst davon überzeugt werden, dass es nicht richtig ist, den Sachverstand für sich zu behalten. Und mindestens ebenso viele müssen erst davon überzeugt werden, dass es klug ist, auf den Sachverstand zu hören. Denn zu oft halten Entscheider und Diskussionsteilnehmer ihr Halb- oder Bruchteilwissen für das ganze Wissen.

Der weltweite Zusammenbruch der Finanzmärkte hat eindrucksvoll bewiesen: „Geld regiert die Welt.“ Dieser Zusammenhang gilt auch für das soziale Engagement der christlichen Kirchen. Wegen sinkender Kirchensteuereinnahmen müssen die Gemeinden sparsamer haushalten und schränken die Angebote für ältere und jüngere Menschen deutlich ein. Ob das rückläufige Kirchensteueraufkommen durch Spenden ausgeglichen werden kann, ist angesichts der angespannten Finanzlage zahlreicher Privathaushalte zu bezweifeln.

Mit Blick auf die erdrückenden Lasten der Kirchen hätte der verstorbene Bundespräsident Professor Theodor Heuss wohl geraten:

Na, dann spart mal schön!

 

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