Ausstellung IKONA über “Heilige Frauen”: Debatten über die Stellung der Frau in der Gesellschaft werden seit Jahrzehnten geführt, sie sind in den letzten Jahren im Zuge der Gender-Diskurse und der #MeToo-Bewegung aktueller denn je. Die Ausstellung IKONA in Recklinghausen gibt noch bis zum 17. März einen breiten Überblick zur Darstellung heiliger Frauen in der christlich-orthodoxen Kunst. Die Schau ist die erste Zusammenarbeit zwischen den drei bedeutendsten Ikonen-Museen Westeuropas in Recklinghausen, Frankfurt am Main und Kampen (Niederlande). Über siebzig Exponate aus den Sammlungen der drei Museen und aus Privatbesitz illustrieren das breite Spektrum und die thematischen Spannungsfelder weiblicher Heiligkeit.
Zu Beginn der Ausstellung werden biblische Frauen vorgestellt, die das christliche Frauenbild maßgeblich geprägt haben, insbesondere Eva und Maria: Evas Ungehorsam und „Schuld“ am Sündenfall verurteilte Frauen nach Ansicht der Ausstellungsmacher zu einem Leben in Demut und Buße, während Maria als Mutter Christi – und „Neue Eva“ – entscheidenden Anteil an der Überwindung dieser Schuld gehabt habe. Maria habe in sich Keuschheit, absoluten Gehorsam gegenüber Gott und das standhafte Erdulden von (seelischem) Schmerz vereint und sei damit das maßgebliche Vorbild für alle heiligen Frauen.
Der Fokus der Ausstellung liegt jedoch auf Märtyrerinnen, Asketinnen und Herrscherinnen. Dabei stehen vor allem Ikonen, die ungewöhnliche Handlungen und Ereignisse zeigen, im Mittelpunkt: So wird die heilige Thekla mit einem Evangelium wiedergegeben, womit sie als Verkünderin von Gottes Wort identifiziert wird – für eine von kirchlichen Lehrämtern ausgeschlossene Frau eine sehr ungewöhnliche Darstellung.
Auch zu aktuellen Debatten finden sich Anknüpfungspunkte: Dabei hat die heilige Fomaïda sogar das Zeug zur „Ikone der #MeToo-Bewegung“: Sie wurde zur Märtyrerin, weil sie sich gegen die sexuellen Übergriffe ihres Schwiegervaters zur Wehr setzte, der sie schließlich ermordete.
Viele heilige Frauen handeln erstaunlich selbstbestimmt und selbstbewusst: Sie verweigern die Ehe, halten öffentliche Reden, fordern männliche Autoritäten heraus und erdulden – wie die heilige Marina von Antiochia – „mannhaft“ Einsamkeit, Folter und Tod. Auf vielfache Weise überschreiten sie die im sozialen Alltag geltenden Geschlechtergrenzen und unterlaufen Erwartungen, die bis in die Neuzeit hinein an Frauen gestellt werden. Bis zu einem gewissen Grad gilt dasselbe für Herrscherinnen, wenn diese aus dem Schatten ihre Ehemänner oder Söhne heraustreten und selbst Macht ausüben.
Die Ausstellung IKONA macht diese Spannungsfelder zum Thema und leistet damit einen Beitrag, die Wahrnehmung und die Darstellung von Frauen in der christlich-orthodoxen Kultur zu beleuchten, ihren Wurzeln nachzuspüren und weibliche Handlungsspielräume auszuloten.
Die heilige Ikonen-Museum Recklinghausen, www.ikonen-museum.com
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