Hier schlägt das Herz von Münster. Der Wochenmarkt. Die Kulisse könnte attraktiver nicht sein. An zwei Tagen die Woche erwacht der Platz vor dem St.-Paulus-Dom zum Leben. Mittwochs und samstags findet auf historischem Kopfsteinpflaster und von Linden gesäumt der Wochenmarkt von Münster statt. Im Sommer wie im Winter, zuverlässig auch bei Wind und Wetter, von sieben Uhr in der Frühe bis 14.30 Uhr am Nachmittag. Dann gibt es Frische und Vielfalt in Hülle und Fülle. Die Münsteraner lieben ihren Markt. So gelassen und entspannt, so bunt und lebendig kann man nirgends in der Stadt einkaufen.
Bei Uwe Dieks ist um kurz nach neun schon richtig was los. In seinem Imbisswagen auf dem Wochenmarkt bereitet man sich auf die Nachfrage nach Pommes und Bratwurst, nach dem typischen „Schrankenmenü“ und der „Domplatte“ in der Mittagszeit vor. Alle Stehtische vor seinem Kaffeestand sind in Beschlag genommen.
Studentinnen und Studenten sammeln sich vor ihrer ersten Vorlesung. Junge Mütter mit Kinderwagen stärken sich vor ihrem Einkauf. Büroleute sind auf ein Päuschen vor Ort. Die Schlange vor der Theke wartet geduldig auf seinen frischen Kaffee, ein Käsebrötchen oder ein Brötchen mit Mett und Zwiebeln. Man grüßt sich freundlich, man kennt sich. So kann man entspannt in den Tag durchstarten – oder seinen Einkauf beginnen.
Die Sonne lacht von einem strahlend blauen Himmel. Wie auf Bestellung läuten die Glocken vom Dom herüber. Die Atmosphäre auf dem Wochenmarkt hat etwas Unwirkliches, sie ist so pittoresk, malerisch und idyllisch wie in einer Filmkulisse. Die Farben der Blumen und Früchte, dass einem die Augen übergehen. Ach, ist das schön. Nur etwas wärmer könnte es an diesem Mittwoch im April doch schon sein.
Uwe ist in Plauderlaune. Stets guter Laune und mit immer neuen Geschichten verwickelt er jeden Gast in ein Gespräch. „In der vergangenen Woche war Devid Striesow da“, freut sich Uwe. „Der war genauso normal wie all die anderen Filmleute und Tatort-Kommissare, die bei einem Dreh auf dem Markt vorbeischauen.“
Klar waren Leonard Lansink, Axel Prahl und Jan Josef Liefers schon häufiger da. Sie gehen nur zu gerne auf den Domplatz, wenn gerade Drehpause ist. Die Münsteraner lieben ihre Ermittler. Längst haben sie diese in ihre Reihen aufgenommen als wären sie schon immer in ihrer Stadt. Der Umgang mit ihnen ist völlig entspannt. Da wird kein Aufhebens gemacht, wenn man lokale Prominenz wie Götz Alsmann oder Roland Kaiser, Titus Dittmann oder Steffie Stephan, Verleger, Musiker, Schauspieler und Künstler auf dem Markt trifft. Man sieht sich als eine große Familie.
Münsters Wochenmarkt ist Einkaufsparadies und Begegnungsstätte in einem. Die mehr als 170 Marktbeschicker fahren auf alles, was das Herz begehrt: Blumen, Backwaren, Gemüse, Gewürze, Obst, Fleisch, Fisch, Feinkost, Käse und Honig. Alles wird sorgfältig und appetitlich arrangiert. Da mag man zu gern direkt zugreifen. Ab etwa 4.00 Uhr am Morgen – für die meisten noch zu nachtschlafener Zeit – rücken die Händler mit ihren Wagen an. Auf- und Abbau folgen einer Art komplizierten Choreographie. Jeder kennt seinen Platz und weiß wann er am besten durchkommt. Nach 14.30 Uhr am Nachmittag erfolgt der Abbau, alles läuft reibungslos und wie am Schnürchen. Kaum eine Stunde später ist der Domplatz wieder so als wäre nichts geschehen.
Nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen Imbissstände bietet der Markt ein unvergleichliches Einkaufserlebnis. So wird jeder Marktbesuch zu einem Event. Tatsächlich gilt er als einer der schönsten Wochenmärkte in Deutschland. Er ist ein touristisches Highlight der Stadt, sehr zur Freude des Stadtmarketings. Wegen seiner Atmosphäre zieht er regelmäßig tausende „Sehleute“ an, die über den Markt schlendern und flanieren und sich im besten Fall ein paar Schmankerl – zumindest eine köstlich gefüllte Nuss- und Früchtetüte von Jallaledin Eshagi bei Jallall D’or oder Gummibärchen und Lakritz vom Süßwarenstand mitnehmen. An einem Samstag in der Ferienzeit ist das Gedränge groß. Der Einkauf wird zu einem Bad in der Menge.
Bei Bussmeyer stehen die Kunden Schlange, um frischen Fisch einzukaufen. Die üppige Auslage mit Fischen, Krustentieren und Muscheln weckt Begehrlichkeiten und macht Appetit. Mehr als eine Handvoll Verkäuferinnen und Verkäufer versuchen hier wie auch beim Fischhandel nebenan dem Ansturm gerecht zu werden. Gegen Mittag windet sich eine lange Schlange vor der Backfischausgabe, so dass kaum ein Durchkommen ist. Sebastian Bussmeyer kann sich nicht beklagen – übrigens wie keiner seiner Kolleginnen und Kollegen, weiß er. Die Geschäfte auf dem Markt laufen und die Umsätze stimmen. Davon profitieren alle. Nach der Corona-Zeit wird aber auf hohem Niveau weiter gejammert.
Sebastian Bussmeyer ist erster Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Marktbeschicker Münster Westf. e.V. und daher ihr Sprachrohr. Seit Beginn der Corona-Pandemie hat er immer alle Hände voll zu tun, die Interessen der Marktleute gegenüber der Stadt zu vertreten und die unterschiedlichen Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Manchmal mutet ihm das wohl an wie einen Sack Flöhe zu hüten.
Im Lockdown haben das Verhandlungsgeschick und die Beharrlichkeit von Sebastian Bussmeyer mit dafür gesorgt, dass der Markt räumlich entzerrt und bis auf den Prinzipalmarkt ausgedehnt werden konnte. Dadurch konnte auch in schwieriger Zeit der Markt trotz einigen Einschränkungen weiterlaufen. Die Münsteraner waren erleichtert und viele geradezu begeistert. Die Versorgung war gesichert. Der Besuch auf dem Wochenmarkt war wie ein Lichtblick in dunkler Zeit. Die ganze Innenstadt verwandelte sich in einen einzigen Wochenmarkt. Selbstverständlich hieß es trotzdem: Masken tragen, Hände desinfizieren und geduldig anstehen. Das Gebot der Stunde: „Sie sind uns mit Abstand die Liebsten!“
Fast schon vergessen ist diese Zeit, nachdem gerade die Maskenpflicht gefallen ist. Was geblieben ist: das neue Gesicht des Parkplatzes unter den Linden. Er hat sich in der Corona-Zeit zur Fressmeile entwickelt und längst als feste Einrichtung etabliert. Die Besucher haben die Location begeistert angenommen. So entspannt konnte man noch nie auf dem Markt seinen Hunger stillen. Das kulinarische Angebot ist breit: Backfisch und Reibekuchen, Bratkartoffeln, Erbsensuppe mit Würstchen, Frühlingsrollen, China-Pfanne und Flammkuchen. Und für den Nachtisch und zum Abschluss geht’s zu Behzad Azamat vom Café e più auf einen Capuccino oder einen Café crema mit einer frischen Waffel oder einem französischen Croissant.
Man kann sich gut vorstellen, wie diese lukullische Vielfalt und das Angebot zukünftig noch erweitert werden könnten. Die Fressmeile ließe sich wunderbar zum Nutzen des Marktes zum Feinschmecker-Treff entwickeln und die Verweilqualität durch Tische und Bänke noch verbessern. Da wünscht man sich ein bisschen mehr Mut bei den Verantwortlichen der Stadt.
Jetzt aber Schluss mit lustig: Wir wollen noch einkaufen! Für beinahe jedes Produkt haben wir unsere Haus- und Hoflieferanten. So wie jeder Marktbesucher regelmäßig seine von ihm bevorzugten Händler besucht. Jeder Kunde hat seine eigene Perspektive auf den Markt und das Marktgeschehen, geheime Quellen für Spezialitäten oder Vorbestelltes eingeschlossen. Die Auswahl ist groß und überall ist man auf Stammkunden und deren Wünsche eingestellt. Mit den Jahren haben sich die meisten überall einmal durchprobiert und wissen, wo sie welche Lebensmittel in bester Qualität bekommen können. Wenn man das Treiben auf dem Markt beobachtet, dann teilt sich die Besucherschar offenbar gut auf. Und die Markthändler selber folgen mit ihren Angeboten den jeweiligen Trends und natürlich den Angeboten der Saison. Es bewegt sich viel und das macht den Besuch auf dem Wochenmarkt um so attraktiver.
Aktuell findet man die ersten frischen Erdbeeren aus der Region und eine große Vielfalt von Spargel. Längst strecken auch die heimischen Stangen ihre Nasen raus und man hat zwischen verschiedenen Qualitäten und Preisen die Qual der Wahl. Erfahrene Marktbesucher scheinen immer auf der Pirsch und bereit Neues zu probieren. Was im Lebensmittelhandel oder beim Discounter längst nicht mehr geht, auf dem Markt ist es bei vielen Händlern Gang und Gäbe. Hier ein Stück Bergkäse, dort ein Scheibchen vom luftgetrockneten Cerrano-Schinken. Mit Speck fängt man Mäuse, mit einer Kostprobe gewinnt man Kunden.
Und wer am Obst- und Gemüsestand von Behsad Mohamad einkauft, bekommt nicht nur das herzlichste Lächeln der beiden hübschen Verkäuferinnen gratis dazu, sondern meist gibt es eine Orange oder Mandarine als Dreingabe mit auf die Hand. Wegen beidem kommt man beim nächsten Einkauf gerne wieder. So geht Marketing. Jeder Händler weiß mit seiner persönlichen Art seine Kunden an sich zu binden. Das macht einfach Spaß. Wer den Markt und seine Händler ein bisschen besser kennenlernen möchte, der sollte sich eine kulinarische Stadtführung gönnen. Dabei gibt es unterwegs einiges zu probieren…. (Jörg Bockow)
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