Der Wegfall der in der Pandemie so wichtigen Liquiditätshilfen bringt viele Krankenhäuser absehbar in gefährliche Turbulenzen.
Nachdem die Bundesregierung nach Ostermontag die Ausgleichszahlungen als Teil des Rettungsschirms ersatzlos gestrichen hat, droht nun für viele Krankenhäuser ein ruinöser Sparkurs. Der Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW), Ingo Morell, fordert eine schnelle Korrektur. Andernfalls müssten viele Krankenhäuser schmerzhafte Sparmaßnahmen umsetzen, um finanziell zu überleben: „Über mehr als zwei Jahre geben die Beschäftigten in den Krankenhäusern alles bis an den Rand ihrer Kräfte, damit dieses Land gut durch die Corona-Pandemie kommt. Das geht nur, weil der Bund die Liquidität der von enormen Erlösrückgängen betroffenen Krankenhäuser bisher abgesichert hat.“ Durch Corona sind die Belegungszahlen und damit die Erlöse für die Kliniken massiv gesunken. Die entscheidende Rolle als Rückgrat der Gesundheitsversorgung können sie deshalb nur durch die Hilfe des Rettungsschirms ausfüllen.
Reden und Handeln von Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach stehen aus Sicht der Krankenhäuser im direkten Widerspruch: „In der Öffentlichkeit mahnt der Minister angesichts der anhaltend hohen Infektionszahlen zu Eigenverantwortung, weil die Corona-Pandemie eben längst nicht vorbei ist“, kritisiert KGNW-Präsident Morell. „Wenn Professor Lauterbach jetzt sogar vor einer Killervariante des Virus warnt, passt das nicht damit zusammen, dass er mit der Streichung der Ausgleichszahlungen seit Ostermontag und ab 30. Juni auch der Versorgungsaufschläge für stationäre Corona-Fälle die Pandemie für die Krankenhäuser faktisch für beendet erklärt. Das ist weder für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch für die Krankenhausträger nachvollziehbar.“ In den Krankenhäusern gebe es noch längst keinen Normalbetrieb, der ein Ende des Rettungsschirms rechtfertigen könnte.
„Die wenigsten Krankenhäuser haben ausreichende Reserven, um etwa die Gehälter ihrer Beschäftigten verlässlich zu zahlen“, mahnte KGNW-Präsident Morell. Wenn die Liquidität nicht gesichert sei, müsse man zwingend und zügig Einsparungen vornehmen. Denn gegenüber dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 seien die Belegungen um bis zu 15 Prozent zurückgegangen. „Viele Häuser haben Liquiditätsprobleme. Sie müssen bei den Banken Kredite aufnehmen und prüfen, wo sie Geld einsparen können. Da fällt der Blick zuerst auf die Personalkosten.“ Das Gesundheitssystem als Daseinsvorsorge, das auch nach Einschätzung des Ministers spätestens im Herbst mit einer neuen Coronawelle konfrontiert sei, werde durch die Streichung destabilisiert. Morell warnte: „Es wäre wirklich schwerwiegend, wenn wir Personal abbauen würden, das uns nicht nur bei einer möglichen nächsten Coronawelle dann schmerzhaft fehlen würde.“ Wenn die Liquidität der Krankenhäuser nicht mehr abgesichert sei, könne ein ungesteuerter Prozess ganze Abteilungen gefährden.
Morell forderte Bundesgesundheitsminister Professor Lauterbach auf, die Ausgleichszahlungen schnellstens zu verlängern oder eine vergleichbar wirksame Lösung zu installieren. „Krankenhäuser sind Daseinsvorsorge, die verlässliche Strukturen mit hohen Fixkosten voraussetzt. Wer aber eine Liquiditätslücke nicht überbrücken kann, kann diese Daseinsvorsorge nicht mehr aufrechterhalten. Unser dringender Appell an den Bundesgesundheitsminister ist es deshalb, andernfalls drohende Strukturbrüche für die Gesundheitsversorgung der Patientinnen und Patienten zu verhindern“, betonte Morell.
Der Rettungsschirm für die Krankenhäuser sieht neben den Ausgleichszahlungen als zentrales Element einen Ganzjahreserlösausgleich vor, der für das laufende Jahr aber erst 2023 ausgezahlt würde. Die unter bestimmten Voraussetzung gewährten Liquiditätshilfen sind deshalb ein Vorschuss auf diesen Ausgleich, bei dem die Krankenhäuser zudem einen Eigenanteil von zwei Prozent selbst einsparen müssen. KGNW-Präsident Morell betonte, dieser Eigenanteil führe angesichts einer weiterhin ausbleibenden Normalisierung in den Krankenhäusern und den zusätzlich massiv gestiegenen Kosten insbesondere für Energie und ebenso für Patientenverpflegung in eine weitere wirtschaftliche Überforderung der Kliniken. Die seien zwar Teil der Daseinsvorsorge, würden aber maßgeblich durch Leistungen finanziert. „Corona hat dieses System zum Kippen gebracht“, sagte Morell. Da sei es bei weitem nicht ausreichend, dass der Versorgungsaufschlag für stationäre Corona-Fälle noch bis zum 30. Juni verlängert sei.
Die Corona-Pandemie prägt seit mehr als zwei Jahren die Arbeit der Krankenhäuser. Sie zu bewältigen, ist mit erheblichen personellen und wirtschaftlichen Belastungen verbunden. Und eine nachhaltige Entspannung ist 2022 nicht zu erwarten. Vor diesem Hintergrund erinnerte KGNW-Präsident Morell an die Zusage von Minister Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn, der im Namen der großen Koalition zugesagt habe, dass kein Krankenhaus durch Corona in wirtschaftliche Schieflage geraten werde. Auf dieses Versprechen hätten die Krankenhäuser gebaut und mit den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Land durch jede der inzwischen sechs Infektionswellen gebracht. Plötzlich aber stehe diese essenzielle Zusage zur Disposition. „Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ihre eigene Gesundheit riskiert, das war ein hoher Preis“, sagte KGNW-Präsident Morell. „Der widersprüchliche Kurs der Bundesregierung darf jetzt nicht dazu führen, dass nun auch noch ihre Arbeitsplätze gefährdet werden.“
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