Steuerbetrug einfach gemacht

Print Friendly, PDF & Email

Steuerbetrug einfach gemacht: Die folgende Geschichte über den größten Steuerbetrug aller Zeiten ist ein echtes Lehrstück.

Sterbetrug ganz einfach gemacht

Steuerschlupflöcher ausgenutzt und den Staat um viele Milliarden geschädigt. – Foto: Pixabay

Trüffelschweine haben ein sprichwörtlich feines Gespür. Im Piemont werden Trüffel allerdings von Hunden gesucht, denn die lassen sich dressieren. Schweine würden jeden Trüffel sofort selbst fressen. Ein gut ausgebildeter Hund gibt Laut und wartet auf die Belohnung durch den Trüffelsucher.

Im Geschäftsleben gibt es die sprichwörtlichen Schweinehunde. Sie erschnüffeln beispielsweise Steuerschlupflöcher, um darüber in aller Ruhe riesige Gewinne einzustreichen. Die Praxis der Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuern (Cum-Ex-Geschäfte) wurde mit Hilfe von Gutachten namhafter Anwaltskanzleien abgesichert. Die Commerzbank, Citi Deutschland, Deutsche Bank, HSH Nordbank, HypoVereinsbank, WestLB und weitere Kreditinstitute haben die Transaktionen mit Geschäften im Eigenhandel und im Kundengeschäft unterlegt.

Steuerbetrug im großen Stile

Eingeweiht in den Steuerbetrug waren offenbar viele: Ein Netzwerk von Banken hat sich darauf eingelassen – Foto: Pixabay

Durch das Zusammenspiel von Banken, Fonds und Finanzdienstleistern wurden im Rahmen von „Cum-Ex-Deals“ riesige Aktienpakete auf dem Papier hin- und hergebucht. Dabei handelte es sich um Aktienpakete mit dem Anspruch auf Dividende (cum dividend) und solche ohne Dividendenanspruch (ex dividend).

Zum Verständnis der komplexen Vorgänge um die missbräuchlichen Mehrfacherstattungen von Kapitalertragsteuer muss man wissen, dass es sich bei der Kapitalertragsteuer um die Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte handelt. Die wird als Quellensteuer auf ausgeschüttete Dividende von Aktiengesellschaften abgeführt.

Einfallstor für einen Missbrauch sind Aktiengeschäfte rund um den Termin der Hauptversammlung, an dem die Aktionäre die Höhe der Dividende beschließen. Die Ausschüttung erfolgt am Tag danach, dem sogenannten „Dividendenstichtag“. Dann zahlt die Aktiengesellschaft 75 Prozent der Dividende an den Depotkunden und die restlichen 25 Prozent direkt ans zuständige Finanzamt.

Banken, Fonds und Finanzdienstleister sind als professionelle Anleger gegenüber Privatanlegern privilegiert. Sie können Dividenden steuerfrei vereinnahmen, denn die unterliegen nicht der Körperschaftsteuer. Zusätzlich zur Ausschüttung von 75 Prozent stellt ihnen ihre Depotbank eine Bescheinigung über die abgeführte Kapitalertragsteuer von 25 Prozent aus. Nach der Erstattung erhalten die professionellen Anleger somit 100 Prozent der Dividende. Dieses Verfahren ist nicht zu beanstanden.

Der Steuertrick klappte nur, wenn ein „Leerverkäufer“ „geliehene“ Aktien, die er real nicht besaß, an einen professionellen Anleger „cum dividend“ verkaufte. Der professionelle Investor zahlte als Kaufpreis die Netto-Dividende plus Kapitalertragsteuer an den Leerverkäufer. Da der Leerverkäufer nach Erstattung der Kapitalertragsteuer aber nur Aktien „ex dividend“ liefern konnte, überwies er dem professionellen Anleger die Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent zurück. Der musste diese Summe bis 2006 nicht versteuern, bekam aber trotzdem eine Steuerbescheinigung von seiner Depotbank, mit der er sich die Kapitalertragsteuer erstatten ließ.

Um seine Verpflichtung aus dem „Leerverkauf“ zu erfüllen, kaufte der Leerverkäufer die Aktien nach dem Dividendenstichtag zum niedrigeren Tageskurs (z. B. 90 Prozent wegen der eingepreisten Dividendenausschüttung) nach. Per Saldo machte der „Leerverkäufer“ einen Gewinn von 10 Prozent, denn er hatte 100 Prozent als Kaufpreis vom professionellen Anleger kassiert, aber lediglich 90 Prozent für die nachgekauften Aktien bezahlt (Dividendenstripping). Von diesem Gewinn musste er noch 2,5 Prozent des Cum-Kurses an den professionellen Anleger zahlen, denn der hatte bisher lediglich 90 Prozent in Aktien zum Tageskurs und 7,5 Prozent an erstatteter Kapitalertragsteuer vom Leerverkäufer (zusammen 97,5 Prozent) erhalten. Beim Leerverkäufer verblieb per Saldo ein Gewinn von 7,5 Prozent. Bei einen Aktienpaket von 10 Mio. Euro sprang also ein Gewinn von 750.000 Euro heraus.

Weil sich die drei „Geschäftspartner“ die „Beute“ brüderlich teilten, konnte jeder von ihnen 250.000 Euro einstreichen. Das System funktionierte nur, weil das Finanzamt, an das die Kapitalertragsteuer abgeführt wurde und die Depotbank, die die Steuerbescheinigungen ausstellte, völlig getrennt voneinander arbeiteten.

Bei ihren Geschäften stützten sich die Leerverkäufer auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 1999, das zu einem etwas anders gelagerten Fall erging. Danach kann eine Sache zur selben Zeit zwei Menschen gleichzeitig gehören. Bei dieser Entscheidung orientierten sich die obersten Richter vermutlich an der Quantentheorie von Albert Einstein. In der Quantenwelt können Elektronen nämlich gleichzeitig an zwei Orten sein. Diese Regel der klassischen Physik sprengt sowohl die Vorstellungskraft als auch den Rahmen der menschlichen Erfahrungen. Schließlich kann ein Auto nicht in der Garage stehen und gleichzeitig auf der Straße herumfahren.

Durch die Einschaltung ausländischer Depotbanken wurde der Trick später weiter optimiert, indem bis zu fünf Leerverkäufer aus dem In- und Ausland zwischengeschaltet wurden. Der investigative Rechercheverbund von 19 europäischen Ländern unter Leitung des Recherchenzentrums „Correctiv“ geht davon aus, durch den bandenmäßig organisierten Steuerbetrug über Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte mindestens 31 Milliarden Euro Schaden für den deutschen Steuerzahler angerichtet wurde.

Gesetzgeber und Politiker haben jahrelang inkompetent reagiert oder ohrenbetäubend zum Steuerbetrug geschwiegen. Bisher bemüht sich die Steuerverwaltung nur mit mäßigem Erfolgt, namhafte Beträge aus dem größten Steuerbetrug aller Zeiten zurückzuholen!

Speak Your Mind

*