Münster: Ein „Kuckuck“ als Namensgeber

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Münster – In der Bezirksregierung Münster schwebt seit Tagen ein Kuckuck über allem. Die Künstlerinnen und der Künstler von den Ateliers im Hoppengarten haben ganz offensichtlich einen Vogel. Der ist der Namensgeber für die aktuelle Ausstellung.

Arbeit von Iris Palandt, Öl auf Leinwand, 175 x 115 cm – Foto: Jörg Bockow

Das Rätsel ist nicht so einfach zu lösen. Denn der Kuckuck springt einem nicht direkt ins Auge. Man muss schon gezielt danach suchen und auch einmal ratsuchend nach dem Himmel schauen. Dann aber huscht ein verschmitztes Lächeln über das Gesicht jedes Besuchers. Es passt zu den Exponaten der Künstler und zum Grundtenor der Ausstellung. Denn manches wird mit großer Ironie, hintergründigem Humor und einem charmanten Schalk präsentiert. Kunst darf eben auch Spaß machen.

Da sind vor allem die Projekte von Ricarda Mau, die zusammen mit ihrem Künstler-Kollegen Uwe Wiedentried entstanden sind. Augenzwinkernd und zugleich erhellend kommt das Projekt „Ein Nudelsüppchen kochen für Karl Marx“ daher. Ein kleiner Geniestreich. Der Name des Kunstwerkes lautet „Bouillon-Bolschewisten aller Länder vereinigt Euch!“

Arbeit von Lisa Schlosser – Foto: Jörg Bockow

Die beiden Künstler haben dafür Buchstabennudeln in großen Mengen eingekauft. Dann haben sie, statt Scrabble mit ihnen zu spielen, die Weisheiten des großen Karl Marx damit gelegt und die genutzten Buchstaben anschließend in Tüten verpackt. Das alleine hat ihnen aber nicht gereicht. Denn sie haben diese Tüten heimlich in die Regale von Supermärkten gestellt und zum Verkauf angeboten. Subversive Gedanken als Nudelensemble zwischen Birkel und Barilla, Sauerkrautbeuteln und Reistüten. Wie man hört, steht der gesellschaftliche Umsturz ob dieser kreativen Guerillaaktion unmittelbar bevor. Beim Essen der Nudelsuppe gibt es dazu den gedanklichen Impuls.

Als geballte Frauenpower, so könnte man die Ateliergemeinschaft Hoppengarten in Münster beschreiben. Hier haben sich14 Münsteraner Künstlerinnen zusammengefunden und  ihre Ateliers, Studios und Werkstätten aufgeschlagen. Auch das ist schon ein subversives Momentum. Wolfgang Brecklinghaus ist unter ihnen offenbar der geduldete Quotenmann oder der Feigenblatt-Künstler. Von den 14 Künstlerinnen beteiligen sich sieben an der Ausstellung in der Bezirksregierung, die am 12. Juli eröffnet wurde. Sie ist noch bis zum 7. August zu sehen.

Arbeit von Theresa Potente – Foto: Jörg Bockow

Neben Ricarda Mau und ihrem Künstler-Kollegen Uwe Wiedentried, der selber kein Mitglied der Ateliergemeinschaft Hoppengarten ist, nehmen Iris Palandt, Theresa Potente, Inga Leugers, Claudia Alfers, Lisa Schlosser und Susann Gretz an dieser durchaus sehenswerten Leistungsschau teil.

Es macht Spaß zwischen den sehr unterschiedlichen Arbeiten hin  und her zu wandeln, um sich ansprechen und inspirieren zu lassen. Jeder Besucher wird sich einen eigenen Weg suchen und sich auf die Arbeiten einen Reim machen. Bemerkenswert: Die Techniken und Themen, die die Künstlerinnen behandeln, könnten unterschiedlicher kaum sein. Sie sind selbstbewusster Ausdruck von starken Künstlerpersönlichkeiten, die sich ihren eigenen Weg suchen und ihren eigenen privaten Philosophien fröhnen, ohne nach dem Markt zu schielen oder sich bei Sammlern anzubiedern.

Arbeit von Iris Palandt, Öl auf Leinwand, 120 x 165 cm – Foto: Jörg Bockow

Iris Palandt bietet mit ihren großformatigen Gemälden eine humorvoll gebrochene Sicht auf das Unerwartete. Ihre Arbeiten – Öl auf Leinwand – zeigen surrealistische Sujets. Zwei Giraffen saufen inmitten einer Stadtlandschaft Wasser so als wenn sie dort ganz selbstverständlich leben würden. Oder drei bunte Fische fliegen vor einer Großstadtkulisse. Dabei wird nicht ganz klar, ob unser Blick durch ein Aquarium fällt, oder die Fische sich tatsächlich wie Vögel bewegen. Es sind wunderbare Verfremdungen, die den Blick des Betrachters anziehen. Iris Pallandt sagt dazu: „Meine surreale Malerei beschäftigt sich mit irritierenden Räumen.“

Arbeit von Theresa Potente – Foto: Jörg Bockow

Theresa Potente entdeckt die Bausteine ihrer Kunstwerke hauptsächlich draußen in der freien Natur. Ihr Blick ist geschult, so dass sie ihre Readymades beispielsweise bei einem Waldspaziergang entdeckt. Sie sucht bizarre Formen, die ein Mensch so niemals hinbekommen könnte. Holz und vor allem Wurzeln haben es ihr angetan. Sie bearbeitet diese nur mit ein wenig Öl und bringt sie zum Glänzen, um sie anschließend  in einem neuen Licht erscheinen zu lassen und präsentiert sie als filigrane Skulpturen. Ihre Arbeiten lassen den Betrachter plötzlich mit einem neuen Blick auf scheinbar Altbekanntes sehen und dabei neue Entdeckungen machen.

Claudia Alfers schwingt als Bildhauerin den Hammer und führt den Meißel, um aus Sandsteinen ganz klassische Figuren heraus zu treiben. In einigen Arbeiten setzt sie sich mit dem weiblichen Körper auseinander. Poetische Zartheit und subtile Erotik zeichnen ihre Arbeiten aus. Alfers ist Bildhauerin und knüpft mit ihren Köpfen und Torsi an die Kunst und die Handwerklichkeit der Steinmetze aus früheren Jahrhunderten an. Wer sich ein Denkmal setzen möchte, der ist bei Claudia Alfers sicherlich in guten Händen.

Torso aus Sandstein von Claudia Alfers – Foto: Jörg Bockow

Lisa Schlosser liebt es, ihre Wahrnehmung und ihre Gefühle in kleine Figuren zu übersetzen. Es ist, als ob sie sich selber und ihre Fantasie mit ihrer Kunst zu verstehen sucht. Die Gnome und deren Gesichter sind eine Reise in das Innere der Künstlerin. Lisa Schlosser malt, zeichnet, schreibt, formt Figuren und bringt alles dies in teilweise schrillen und bizarren Collagen zusammen. Haltungen, Gesten und Mimik der kleinen, mitunter schrägen Tonfiguren sind unmittelbar zu verstehen. Sie springen einen mit ihren unglaublichen Grimassen an. Die Künstlerin reflektiert mit ihren Gnomen und Zwergen Situationen, Zustände und einfach alles, was ihr auf der Seele brennt.

Susan Gretz ist vor allem Malerin. Ihre großformatigen Gemälde leben von ihrem expressiven Ausdruck und ihrem Farbenspiel. Ihr Thema ist die Natur. Aber auch der Mensch und sie als Künstlerin kommen in diesen Arbeiten zum Ausdruck. Hier geben sich Abstraktion und Figuration die Hände. Ihre geht es um Emotionen.

Tonköpfe von Lisa Schlosser – Foto: Jörg Bockow

Inga Leugers ist unter anderem auch Fotografin. In der Ausstellung sind irritierende Fotografien zu sehen. Sie sucht und entdeckt mit dem Objektiv ihrer Kamera vor allem ungewöhnliche Perspektiven und unglaubliche Ansichten. In den Arbeiten, die in der Bezirksregierung ausgestellt sind, setzt sich Leugers mit Spiegelungen auseinander, bei denen man völlig den Überblick und Halt verliert. Man mag kaum glauben, dass diese Aufnahmen in der Wirklichkeit geschossen worden sind und nicht durch allerlei Tricksereien mit Bildbearbeitungsprogrammen entstanden sind. Erstaunlich!

Als einen weiteren Geniestreik könnte man den krönenden Abschluss der Ausstellung sehen. Es ist das Projekt „EinSatz für die Kunst“ von Ricarda Mau und ihrem Künstler-Kollegen Uwe Wiedentried. Es ist eigens für die Ausstellung in der Bezirksregierung einmal wieder aus der Versenkung hervorgeholt worden. Schön, sich damit noch einmal an die turbulenten Tage im Sommer 2017 zu erinnern.

Echokasten von Ricarda Mau und Uwe Wiedentried – Foto: Jörg Bockow

Das Kunstwerk, eine Installation, ist unmittelbar im Zusammenhang mit den Skulptur Projekten 2017 entstanden und setzt sich in witziger und entlarvender Weise mit dem damals erschienenen offiziellen Ausstellungskatalog auseinander. Dieser Katalog war absolut kein Ruhmesblatt für die Kuratorinnen der Ausstellung. Getragen von einer unglaublichen Hybris war der in einer Sprache geschrieben, die kaum jemand verstehen konnte oder aber bereit war zu lesen.  Kunsthistoriker-Sprech in seiner übelsten Form. Ein peinliches Machwerk.

Ricarda Mau und Uwe Wiedentried haben dafür eine Echokammer entwickelt, die dem geneigten Leser des Kataloges das Verständnis erleichtern soll. Der Besucher wird aufgefordert, einzelne Sätze aus dem Katalog laut und deutlich in eine Apparatur zu sprechen. Das alleine ist schon ein großer Spaß, der aber noch getoppt wird, durch die angesprochenen Protagonisten: das EchOrakel Christo und Jeanne-Claude, die offenbar die Antwort auf alle Fragen der Besucher zu haben scheinen. Mehr unverhohlene Häme geht nicht.

Leider ist nicht überliefert, ob die beiden damaligen Kuratorinnen Marianne Wagner und Britta Peters, die für den Katalog verantwortlich zeichneten, sich dieser Prozedur selbst einmal ausgesetzt haben. Besser wäre es gewesen – auch als wohlmeinender Ratschlag für alle folgenden Druckwerke und Kataloge, die die Beiden vermutlich noch vorlegen werden. (Jörg Bockow)

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