Auf dem Teppich bleiben in Münster: Thomas Nufer, Aktionskünstler aus Münster, ist immer für eine spektakuläre Idee gut. Im September will er mit einer beispiellosen Aktion zwei Kulturen miteinander ins Gespräch bringen. In Zeiten von wachsendem Fremdenhass in Deutschland ist das ein ebenso bemerkenswertes wie begrüßenswertes Unterfangen. Mit Johann Wolfgang von Goethe ist Nufer davon überzeugt: „Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen.” (Goethe)
Am 15. und 16. September sollen sich auf dem Domplatz in Münster die deutsch-westfälische und die arabisch-persische Kultur begegnen – ganz direkt und vis-a-vis auf dem „West-Östlichen Diwan”. Nufer will dafür den Domplatz in Münster mit hunderten (Orient-)Teppichen auslegen, auf denen man am Samstagabend und Sonntag Platz nehmen und miteinander reden kann. Münster wird zu einem Ort aus 1001 Nacht, auf dem Geschichten, Erfahrungen und Erlebnisse ausgetauscht werden können.
Das Projekt soll die Vielschichtigkeit und den Einfluss arabisch-persischer auf die europäisch-deutsche Kultur ins Bewusstsein rufen. Das Projekt ist ein Beitrag zum Münsteraner Friedensjahr 2018. Nufer weiß: Wer miteinander redet, lernt sich kennen – muss sich nicht von einander abgrenzen – und kann auf dem Teppich bleiben.
“Vorausgegangen sind meine Besuche auf dem Marktplatz in Marrakesch, dem Djemaa el-Fna”, erzählt der engagierte Künstler. “2001 wurde dieser als erster Ort in die UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen. Dort versammeln sich täglich Erzähler, Handwerker, Künstler und Gastronomen und führen Menschen verschiedenster Herkunft und Sprachen zusammen.”
“Der ‘West-Östliche Diwan’ (arab. für Zusammenkunft) führt Menschen aus zwei Kulturkreisen – dem deutsch-westfälischen und dem arabisch-persischen – unverstellt zusammen und arbeitet Eigenarten und kulturelle Unterschiede heraus, um sie näherzubringen”, freut sich Nufer auf die spontanen Begegnungen. “Unbekannte Lebenswelten kreuzen sich.”
Verschiedenheit zu akzeptieren, bedeutet, das Fremde nicht länger als Gefährdung der eigenen Identität zu verstehen, sagt Nufer. “Denn je mehr man sich abgrenzt, desto mehr nimmt man sich die innere Freiheit.” Der „West-Östliche Diwan” schafft Öffnung durch Neugier – durch Neugier auf die Schönheit der arabischen und persischen Literatur und Poesie sowie umgekehrt auf die deutsche, durch das Interesse an den vielfältigen Ausdrucksformen der Musik und der Originalität des Tanzes aus Orient und Okzident und durch die Lust auf die unterschiedlichen Speisen und Essgewohnheiten.
In spätsommerlicher Leichtigkeit soll die Begegnung auf dem „Diwan” die Besucher einladen, die Welt anders zu betrachten und den Blick zu befreien. Die Devise heißt: Immer schön auf dem Teppich bleiben! Wer gemeinsam erlebt, beginnt anders zu bewerten und zu fühlen. Menschen begegnen sich auf Augenhöhe. Das kollektive Eintauchen in beide Welten, das Teilen von Freude und Stolz über die eigene und die andere Kultur erzeugt ein Gefühl von Gleichrangigkeit und Würde. Das sind entscheidende Erfahrungen für ein gelungenes und friedliches Zusammenleben.
Der „Diwan” soll gleichzeitig vor Augen führen, wie kosmopolitisch die Menschen in Münster denken und wie selbstverständlich sie dies tun. In dieser offenen und weltzugewandten Stadt, die sich stets klar gegen nationalistische Einflüsse abgegrenzt hat, setzt der „Diwan” ein unübersehbares Zeichen. Denn es geht auch darum, der Energie von rechts etwas entgegenzusetzen, mit Ideen, Visionen und dem Willen, sich nicht verdrängen zu lassen.
Auf dem “Diwan” wird gelesen, gespielt, geredet und gemeinsam gegessen – ein Hoch auf die Unterschiede – und immer auf dem Teppich bleiben!
Der west-östliche Diwan
Am Samstag, den 15. September, 20 – 24 Uhr
Am Vorabend, bevor der Markt aufgebaut wird, bieten die auf dem Domplatz ausgebreitete Teppiche den perfekten Ort für erste Begegnungen. Sie sind das bildstarke Symbol einer versöhnten Verschiedenheit – einer Harmonie der Unterschiede.
So 16.09., 16 – 20 Uhr
Der Titel der Veranstaltung ist geprägt von der berühmten Gedichtesammlung „West-Östlicher Diwan”. Goethe ließ sich dafür von den Werken Hafez’, des bedeutendsten persischen Dichters, inspirieren.
Hafez steht neben Goethe, Goethe neben Hafez – und das nicht nur sinnbildlich. Sie stehen tatsächlich als Großskulpturen nebeneinander und bilden den optischen Mittelpunkt des Domplatzes. Unter ihren Füssen breitet sich das ganze betörende Leben des Marktes aus. Hier wird Hafez rezitiert, Goethes Urfaust wird in Platt vorgetragen. Migranten-Comedy und eine westfälisch-persische Doppelkopfrunde mischen sich mit orientalischen und deutschen Märchenerzählern. Canoun und Oud treffen auf Blech, Santur-Spieler auf die „Die Schöne Müllerin“ von Schubert, und ein syrischer Kiepenkerl macht die Bekanntschaft mit „Klänge aus dem Orient” von Annette von Droste-Hülshoff. Münsters Geschichte wird in arabisch erklärt und wer mag, erfährt „Warum Algebra und Eis zusammengehören” – mit einer Eisverkostung! Kulinarisch vereinen sich Falafel mit Grünkohl, Manakish mit Käsekuchen und Pfefferminztee mit Bier. Selbst ein Herrengedeck „west-östlich” wird feilgeboten.
Münsteraner aufgepaßt: Jeder Bürger ist eingeladen und jeder ist auf dem “Diwan” willkommen. Es wäre ein ermutigendes Zeichen, wenn auf dem Domplatz zum “West-Östlichen Diwan” die gesamte Stadtgesellschaft vertreten wäre – Deutsche, eingesessene Münsteraner, Migranten, Geflüchtete und Ehrenamtliche, die sich besonders den aus dem arabischen Sprachraum stammenden Menschen angenommen haben.
Schirmherrschaft
Oberbürgermeister der Stadt Münster Markus Lewe
Maria Klein-Schmeink (Grüne MdB)
Christoph Strässer (Ex-Bundestagsabgeordneter SPD, Preußen-Präsident)
Prof. Mouhanad Khorchide (Leiter Zentrum Islamische Theologie, WWU Münster)
Ruprecht Polenz (Ex-Bundestagsabgeordneter CDU)
Der “West-Östliche Diwan” wird vom Eine-Welt-Forum Münster e.V. veranstaltet.
Teppiche gesucht
Übrigens kann man sich auch rein praktisch an dem Projekt beteiligen: Denn es werden noch Teppiche gesucht, die zur Veranstaltung auf dem Domplatz ausgelegt werden können. An der Rösnerstraße 10, da wo die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWM) ihre Zentrale haben, ist eine Sammelstelle eingerichtet. Die Teppiche werden in einem Container gesammelt. Und wer noch einen Anreiz braucht: Wer seine Teppichspende mit seinem Namen und seiner Adresse versieht, der nimmt noch an einer Verlosung teil.
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