Funde aus Westfalen zur Archäologie-Ausstellung

Münster – Über 1.000 herausragende archäologische Funde aus ganz Deutschland – darunter viele Funde aus Westfalen – sind ab dem kommenden Herbst im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. Das Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin und der Verband der Landesarchäologen in der Bundesrepublik Deutschland zeigen die Sonderausstellung “Bewegte Zeiten” über Archäologie in Deutschland vom 21. September 2018 bis zum 6. Januar 2019. Die Ausstellung ist Teil des Europäischen Kulturerbejahres 2018 (ECHY). Die hochrangigen Exponate stammen von insgesamt 70 Leihgebern aus allen Bundesländern. Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) schickt hochkarätige Funde in die Berliner Ausstellung. In Münster werden die Exponate gerade reisefertig gemacht.

Funde aus Westfalen

Auf der Urne von Gevelinghausen sind Verzierungen zu erkennen, die wahrscheinlich einen bronzezeitlichen Kalender darstellen – Foto LWL/S. Brentführe

Luxus-Kamm von der Holsterburg: Seit Monaten befassen sich Mitarbeiterinnen der LWL-Archäologie für Westfalen damit, geeignete Funde aus Westfalen für die Ausstellung auszuwählen und für den Transport vorzubereiten. Darunter sind auch neue Funde, die erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. Für Aufsehen in der Wissenschaft sorgte zuletzt ein Kamm aus Elfenbein. Das Luxusobjekt aus dem 12. Jahrhundert fanden Archäologen bei Ausgrabungen an der Holsterburg bei Warburg (Kreis Höxter). Das Besondere an dem mittelalterlichen Fundstück ist, dass ähnliche Kämme bislang nur aus kirchlichem Umfeld bekannt sind. Aus der Zeit zwischen 800 und 1200 nach Christus sind bislang nur 60 Exemplare europaweit gefunden worden. Sie gehören in der Regel zum Bestand von Kirchenschätzen. Ihr Gebrauch in liturgischen Handlungen ist durch Schriftquellen seit dem 10. Jahrhundert nachweisbar, so zum Beispiel bei der Weihe von Bischöfen und Priestern. Der Kamm von der Holsterburg hingegen lässt sich aufgrund seines Fundortes und seiner Bildmotive eindeutig einem weltlichen Adeligen zuordnen. Möglicherweise wurde der Kamm in einer Werkstatt nördlich der Alpen gefertigt, aber auch eine Anfertigung im Mittelmeerraum ist denkbar.

Funde aus Westfalen

Landesarchäologe Prof. Dr. Michael M. Rind zeigt die archäologischen Höhepunkte aus Westfalen, die in die Berliner Sonderausstellung “Bewegte Zeiten” gehen – Foto LWL/J. Schubert

Römische Liege aus Haltern: Zu den Höhepunkten der Berliner Ausstellung zählt auch die Nachbildung einer römischen Liege (Kline), deren Überreste in einem Grab bei Haltern am See (Kreis Recklinghausen) gefunden wurden. Das Grab ist Teil eines großen Gräberfeldes, dass zur Zeit des römischen Kaisers Augustus angelegt worden ist. Die antiken Ruhe- und Speiseliegen wurden auch zur Bettung der Toten genutzt und vor der Bestattung zusammen mit dem Verstorbenen verbrannt. Dementsprechend sind oftmals nur wenige Reste solcher Klinen erhalten. Die Halterner Kline war mit kunstvollen Knochenschnitzereien verziert. Dazu zählen menschliche Gesichter und pflanzliche Zierelemente wie Ranken und Blüten. Einem Team von Wissenschaftlern gelang es, aus Tausenden durch das Feuer beschädigten Einzelteilen virtuelle Modelle zu erstellen, die anschließend durch einen 3D-Drucker umgesetzt wurden. Das Resultat ist eine detailgetreue Rekonstruktion antiker Handwerkskunst.

Funde aus Westfalen

Diese mit Silber verzierten Gürtelbeschläge stammen aus einem frühmittelalterlichen Grab bei Bergkamen – Foto LWL/S. Brentführer

Bronzene Urne aus dem Sauerland: Zugleich eröffnet der LWL mit seinen Exponaten neue Perspektiven auf altbekannte Funde aus Westfalen. Das Prunkstück westfälischer Archäologie bildet die Urne von Gevelinghausen (Hochsauerlandkreis). Das Gefäß aus Bronze wurde bereits 1961 gefunden, darin verbrannte Knochen und Asche. Vermutlich wurde die Amphore im 9. oder 8. Jahrhundert vor Christus hergestellt. Möglicherweise wurde sie aber erst in der Eisenzeit als Urne genutzt und gelangte in den Boden. In ganz Europa gibt es nur ungefähr ein halbes Dutzend an vergleichbaren Objekten. Noch immer ranken sich Rätsel um das Prachtgefäß aus Bronze. Hinter den Abbildungen auf dem Gefäß könnte sich möglicherweise ein 2.700 Jahre alter Kalender verbergen. Im Zentrum steht ein in der jungen Bronzezeit weit verbreitetes Motiv: Eine Sonne, die auf einer Barke liegt, deren Enden in Vogelköpfen auslaufen.

Kultische Werkzeuge aus Olpe: Einige besondere Funde aus Westfalen in der Eisenzeit stammen von den Wallburgen im Kreis Olpe. Neue Impulse zur Erforschung dieser Anlagen setzten vor allem Neufunde durch ehrenamtliche Forscher. Auf der Wallburg Kahle fanden sich mehrere, offenbar absichtlich deponierte Werkzeuge aus der Landwirtschaft, wie Sensen, Beile und Pflugscharen. Sie könnten mit kultischen Handlungen zusammenhängen. Daneben wurden auch noch einige Gürtelhaken entdeckt, von denen das Ende eines Exemplars als kleiner Pferdekopf gestaltet ist. Diese Haken wurden von Frauen getragen und werden nach ihrem bekanntesten Fundort in Hessen als Typ Dünsberg bezeichnet.

Klebstoff vor 13.000 Jahren: Das auch schon bekannte Funde aus Westfalen immer noch neue Erkenntnisse ermöglichen, zeigt das Beispiel einer westfälischen Speerspitze aus der Altsteinzeit. Das Objekt aus Knochen, gefunden in den 1930er Jahren bei Bergkamen-Oberaden (Kreis Unna), ist mit Widerhaken versehen und wurde in der Steinzeit zum Fischfang eingesetzt. Ein Forschungsteam unter Leitung der Archäologen aus Westfalen hat bei neueren Untersuchungen feststellen können, dass sich an dem 13.000 Jahre alten Stück Spuren von Bienenwachs fanden. Damit ist es einer der weltweit frühesten Belege für die Verwendung von Bienenwachs als Klebstoff, einer Alternative zum Birkenpech. Gleichzeitig ist das Wachs auch ein indirekter Nachweis der Europäischen Honigbiene, die sich offenbar 2.000 Jahre früher als bislang angenommen nördlich der Alpen ausbreitete.

Kampfschilde im Grab von Bergkamen: Ein besonderes Zeugnis des Frühmittelalters in Westfalen stammt aus Bergkamen. Dort wurden drei Bestattungen entdeckt, die Teil eines Gräberfelds aus dieser Zeit sind. In einem dieser Gräber wurde im 7. Jahrhundert ein Mann beigesetzt, dessen Leichnam mit vielen Beigaben versehen war. Solche Grabbeigaben geben Aufschluss über den Verstorbenen und seine gesellschaftliche wie auch kulturelle Umgebung. Im Falle des Grabes aus Bergkamen sind die Beigaben allerdings ungewöhnlich im Vergleich zu anderen Gräbern aus der Region. Sie zeugen davon, dass der bestattete Mann offenbar Kontakte weit über Westfalen hinaus besaß. So wurden ihm drei Kampfschilde mitgegeben – ein Brauch, der bislang nur aus Gräbern in Mittelschweden bekannt ist. Die mit aufwendigen Tierdarstellungen versehenen Metallbeschläge seines Schwertgurtes deuten auf einen Kontakt in die Alpenregion.

Der älteste Westfale in der Blätterhöhle: Zu den ältesten Fundplätzen Westfalens gehört die Blätterhöhle in Hagen. Die Höhle wurde in der Steinzeit immer wieder von Menschen aufgesucht, die dort ihre Spuren hinterlassen haben. Diese reichen bis zur letzten Eiszeit vor ca. 11.600 Jahren zurück und gehen bis in die Jungsteinzeit vor ca. 5.600 Jahren. In dieser Zeit lebten in Westfalen bereits seit ca. 2.000 Jahren die ersten Bauern in Häusern, während die Höhle noch von den letzten Jägern und Sammlern genutzt wurde. Aus der Blätterhöhle stammt der früheste Schädel eines Menschen aus Westfalen. Er datiert in die Zeit um 8.700 vor Christus und ist damit der Nachweis des ältesten modernen Westfalen. Besonders interessant ist auch der Vorplatz der Blätterhöhle. Dort lässt sich eine einzigartige Abfolge von mittelsteinzeitlichen Siedlungsphasen nachweisen. Zu den Funden gehören typische Steinwerkzeuge wie zu einem großen Teil Pfeilspitzen in verschiedenen Formen. Gefunden wurden auch Knochen von Tieren, die zu der Zeit eher in Westeuropa zu finden sind und die damit um 9.600 vor Christus erstmals in Deutschland auftauchen.

Die Ausstellung “Bewegte Zeiten” und Funde aus Westfalen

“Bewegte Zeiten” ist die erste Zusammenschau zur Archäologie in Deutschland seit 15 Jahren. Eine Neuerung ist außerdem, dass die Ausstellung nicht nach Epochen aufgestellt ist, sondern vier großen Themen folgt. Der Rundgang auf 1.200 Quadratmetern ist dadurch kein bloßer Blick in die Vergangenheit.

Im Bereich Mobilität stehen Menschen im Vordergrund, die aus den verschiedensten Gründen ihre Heimat verlassen haben: Sei es freiwillig auf Reisen, durch gewaltsame Verschleppung oder wegen einer großen Wanderbewegung. Auch Handel und militärische Expansion sind Ursachen. So wie heute sind schon im prähistorischen Europa die Anlässe für Migration vielfältig. Die Archäologie kann diese Mobilität aufzeigen, nicht zuletzt mithilfe von genetischer Forschung.

Bis in die Gegenwart hinein wird Europa von Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. In organisierter Form sind Konflikte erstmals in der Bronzezeit greifbar. Ausschnitte aus den kriegerischen Auseinandersetzungen seit dieser Zeit liefert die Schlachtfeldarchäologie. Siege oder Niederlagen spiegeln sich in Kriegsbeuteopfern und Siegesmonumenten.

Der dritte Ausstellungsbereich widmet sich dem Thema Austausch. Die Exponate beleuchten, wie der Warenverkehr Menschen in Europa zusammengebracht hat. Er bildete die Voraussetzung für das Entstehen von hierarchischen Strukturen und ersten Wertesystemen. Schon in der Jungsteinzeit setzt ein Austausch von Rohstoffen ein. Mit der Entdeckung von Metallen wie Gold, Kupfer und Zinn beginnt der Handel in Europa und darüber hinaus zu florieren.

Der Handel mit Rohstoffen, Halbfabrikaten und Fertigprodukten bewirkte gegenseitige Beziehungen und Abhängigkeiten. Wie auch heute noch brachte er Menschen in Europa zusammen. Der Austausch von Waren geschah innerhalb komplexer Austauschsysteme und weitgespannter Netzwerke. Dies zeigt sich nicht zuletzt durch archäologisch fassbare “Fürstengräber” und Handelsplätze, die eine zunehmende ökonomische und soziale Differenzierung widerspiegeln.

Dass die Menschen heute nicht mehr in der Steinzeit leben, verdanken sie der menschlichen Kreativität. Zu allen Zeiten entstanden in Europa neue Ideen, Sichtweisen und Techniken. Das Thema Innovation veranschaulicht, wie sich Fortschritt auf den Alltag auswirkte, aber auch auf Produktion und Kriegsführung. Eine Vielzahl an Innovationen lässt sich archäologisch nachweisen und prägen unser Leben bis heute.

Das Europäische Kulturerbejahr 2018 richtet den Blick auf Austauschprozesse und auf Beziehungen innerhalb Europas. Unter dem Motto “sharing heritage” wird das reiche kulturelle Erbe Europas in unterschiedlichen Projekten präsentiert. Die Sonderausstellung trägt dazu bei mit dem Ziel, über die archäologischen Funde den Bezug unserer kulturellen Vergangenheit zur Gegenwart herzustellen.

“Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland” steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und wird gefördert durch die Staatsministerin für Kultur und Medien und das Kuratorium Preußischer Kulturbesitz.

LWL-Archäologie für Westfalen, www.bewegte-zeiten-berlin.de

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