Ruhrfestspiele: “Der Kaukasische Kreidekreis”

Recklinghausen – Kein Bühnenbild ist auch ein Bühnenbild: Der Berliner Regiestar Michael Thalheimer und Nachfolger des großen Claus Peymann verlässt sich bei seiner Inszenierung von Bertolt Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“ ganz auf seine Schauspieler. Zu Recht: Konzentration und Verdichtung tun dem Stück gut. Auch die Streichungen, die alleine das Drama um die Magd Grusche (Stefanie Reinsperger) in den Mittelpunkt rücken, schaffen einen neuen Zugang, freilich einen, der alle politische Implikationen von einst beinahe aseptisch getilgt hat. Allerdings bieten die Verdichtungen vor allem Stefanie Reinsperger eine verdient große Bühne. Sie bekam mit Abstand den größten Applaus.

“Der Kaukasische Kreidekreis des Berliner Ensemble bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Horn

Das Berliner Ensemble ist mit dem Stück von Brecht in diesem Jahr bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen zu Gast. “Der kaukasische Kreidekreis” ist sicherlich eine der bedeutendsten Duftmarken, die das Ensemble – immerhin Brechts alte Hausbühne – bei den Ruhrfestspielen hinterlassen kann, bei der die Perlen der renommiertesten Theater vorgezeigt werden. Ein guter Querschnitt durch das Theatergeschehen der Republik.

Der salomonische Richterspruch ist natürlich in der Inszenierung von Thalheimer erhalten geblieben. Allerdings findet das schreckliche Gezerre um das Kind nicht über einem Kreidekreis, sondern über einer großen Blutlache statt. Danach bekommt die Magd Grusche das Kind zugesprochen. Übrigens: Blut fließt in dieser Inszenierung mehr als genug. Am Schluss gleich eimerweise. Ein durchaus unappetitlicher Aspekt der Umsetzung von Thalheimer, bei dem man sich mehr als einmal fragt, ob es gar so derb sein muss: Ein bisschen viel Klamauk und Volkstheater, als wenn der Theaterbesucher den Holzhammer bräuchte.

Gezerre um das Kind: “Der Kaukasische Kreidekreis des Berliner Ensemble bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Horn

Den Rahmen der Handlung bilden ein Sänger oder besser ein Conférencier und Moderator (Ingo Hülsmann), der wie ein Moritatensänger durch das Stück geleitet und ein Gitarrist, der mitunter mit ohrenbetäubenden Riffs auf seiner E-Gitarre a la Jimi Hendrix die Akzente setzt. Der Gitarrenklang bildet die musikalische Kulisse. Mal laut, mal leise. Durchaus bewegend, wenn ganz zart und kaum vernehmbar Leonard Cohens „Hallelujah“ erklingt.

“Der Kaukasische Kreidekreis des Berliner Ensemble bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen – Foto: Horn

“Die Handlung im Kreidekreis ist modellhaft klar und dialektisch schön”, so heißt es als Begründung für die Stückauswahl im Berliner Ensemble. “Bei einer Revolution lässt die fliehende Gouverneursfrau ihr Baby zurück. Ihre Magd Grusche findet das Kind und überlegt eine Nacht lang, ob sie als alleinstehende Frau im Krieg ein kleines Kind retten kann. Sie entscheidet sich für das Kind. Auf der Flucht gerät sie in immer größer werdende Schwierigkeiten an deren Ende sie vor ein Gericht gestellt wird, da die Gouverneursfrau ihr Kind zurückhaben will. Die Zeiten haben sich wieder geändert, jetzt ist das Kind der Erbe eines großen Vermögens.

Doch kurz bevor die alte Herrschaft die Zügel wieder fest im Griff hat, gibt es eine kurze Zeit der Anarchie, in der der Richter Azdak herrscht. Seine Richtersprüche sind gefürchtet bei den Reichen und ein Segen für die Armen. So erfindet er für den Fall, dass die biologische aber herzlose Mutter ihr Kind zurückfordert, den salomonischen Kreidekreis neu.”

 

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