Kamen – Unter dem Titel „Die Erschießung der Aufständischen“ zeigt die Künstlergruppe “Reflex” vom 1. Februar bis zum 28. Februar im Haus der Kamener Stadtgeschichte eine höchst ungewöhnliche und sehenswerte Ausstellung. Die Gemälde und Arbeiten dieser Präsentation setzen sich allesamt mit dem berühmten Gemälde von Francisco de Goya “Die Erschießung der Aufständischen” aus dem Jahr 1814 auseinander. Die Hommage à Francisco de Goya erweist sich beim genaueren Hinsehen als ein durchaus aktuelles, politisches und zeitbezogenes Projekt. Im Mai und Juni ist die Ausstellung in der Stadtgalerie in Lünen zu sehen.
Laufzeit: Do. 1. Feb. – Mi. 28. Feb. 2018
Eröffnung: Do. 1. Feb. 2018, 19:30 Uhr
Lokalität: Haus der Kamener Stadtgeschichte,
Bahnhofstraße 21, 59174 KamenLaufzeit: So. 6. Mai – So. 17. Juni 2018
Eröffnung: So. 6. Mai 2018, 11 Uhr
Lokalität: Stadtgalerie im Hansesaal,
Kurt-Schumacher-Straße 41, 44532 Lünen
Ein außerordentlich wirkmächtiges Gemälde des spanischen Malers Francisco de Goya (1746-1828) haben 15 Künstlerinnen und Künstler des Künstlerbundes Reflex ausgewählt, um sich mit Blick auf das politisch hochaktuelle Thema „Krieg“ von dem erst 1814 entstandenen Bild „Der 3. Mai 1808. Die Erschießung der Aufständischen“ (span. El 3 de mayo en Madrid : Los fusilamientos des patriotas madrilenos) inspirieren zu lassen und mit ihren Umsetzungen dieses Sujets Goya zu würdigen.
Das tat bereits vor 150 Jahren der große impressionistische Maler Edouard Manet bei der Erstellung seines berühmten Bildes „Die Erschießung des Kaisers Maximilian von Mexiko“(1868). Oder man denke an das Bild von Picasso mit dem Titel“Massaker in Korea“(1951). Goyas Gemälde entstand aus konkretem Anlass, hat allerdings hinsichtlich seiner formalen wie inhaltlichen Struktur etwas in jeder Hinsicht Zeitloses.
Die am Projekt teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler sind:
Anne Deifuß
Demir Demiroski
Alfred Gockel
Thomas Hugo
Ina Jenzelewski
Reimund Kasper
Christine Kind
Andrea Peckedrath
Olaf Putz
Germaine Richter
Joey Schmidt-Muller
Barbara Schwinges
Susanne Specht
Peter Tournée
Eckart Wendler
Mit dem Aufstand in Madrid im Mai 1808 beginnt in Spanien der Krieg gegen die französische Besatzung und die napoleonische Herrschaft. Die schrecklichen Ereignisse hat Goya in seinen weltberühmten Ölbildern „Der Kampf mit den Mamelucken am 2. Mai in Madrid“ ( die Mamelucken stellen Napoleons ägyptische Reitertruppe) und „Der 3. Mai 1808. Die Erschießung der Aufständischen“ sowie in den 1810 entstandenen Grafiken „Los Desastres de la Guerra“ festgehalten.
Die Erschießungsszene vom 3. Mai lässt eine unglaubliche Nähe und Betroffenheit beim Betrachter entstehen. Sie stellt keine Heroisierung der spanischen Aufständischen dar, sie führt ihn in das Grauen des Krieges, vermittelt das durch den Krieg ausgelöste menschliche Elend, die Verrohung der am Krieg beteiligten Menschen. Gezeigt werden namenlose Partisanen, die sich der Übermacht der französischen Soldaten widersetzen, gezeigt werden ihre Todesangst, ihr Leiden, ihre Entschlossenheit, aber auch ihre Hoffnungslosigkeit. Der Aufständische in der Mitte wirkt wie der gekreuzigte Jesus, dessen Hände ebenfalls Wundmale tragen. Eine Szene der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung? Hier werden Märtyrer aus Rache ermordet.
Goya geht es um die Darstellung des Unbewussten, er lässt Bilder entstehen, die die menschlichen Abgründe, die Brutalitäten und Perversionen zeigen, die Gefühle der vom Krieg traumatisierten und depravierten Menschen. In diesem Sinne sind sie von allgemeiner tiefenpsychologischer und anthropologischer Aussagekraft.
Und genau an dieser Stelle knüpfen die Künstlerinnen und Künstler der Gruppe Reflex an : Schaut man rückblickend in das Jahr 2017, stellt sich wieder mal die Frage nach dem Fortschritt in den menschlichen und staatlichen Beziehungen , die Frage nach der Hoffnung auf ein Mehr an Frieden und Humanität. Stattdessen sichtbare Bedrohungen überall, in der Ukraine, im Nahen Osten, in vielen Teilen Afrikas oder auf der Korea-Halbinsel. Kriegsherde, wohin man schaut, aber auch Krieg in den Köpfen, Krieg der Bilder und Worte, Krieg in den Medien und sozialen Netzen, Krieg gegen die Natur.
Die an der Ausstellung beteiligten Künstlerinnen und Künstler, Maler, Grafiker oder Fotografen, würdigen mit ihren Bildern, Fotos, Installationen und Skulpturen nicht nur den großen spanischen Maler Goya, sondern nehmen ihn als Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für die ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema „Krieg“. Das Narrativ des Bildes von Goya erzählt in der jeweiligen künstlerischen Realisierung eine je eigene Geschichte.
Die Ausstellung der Künstlergruppe Reflex präsentiert so eine Vielzahl von beeindruckenden und sehr gelungenen Adaptationen des über Goya vermittelten Sujets.
Eine in jeder Hinsicht sehr interessante, künstlerisch sehr beeindruckende und in jeder Hinsicht nachdenklich stimmende Ausstellung.
Text: Heinrich Behrens, Kurator
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