Großartige Bilanz für die Ruhrfestspiele: Unter dem Motto „Mittelmeer – Mare Nostrum?“ griffen die Ruhrfestspiele in ihrem Jubiläumsjahr ein hochaktuelles Thema auf. Sie erreichten mit ihrem engagierten und durchaus politischen Programm 80.610 Besucher. Das ist ein überragendes Ergebnis. Im Fokus der Spielzeit stand eine Region, deren politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zustände die Künstler herausforderten.
„Wir waren mutig und doch erfolgreich“, so resümierte Intendant Frank Hoffmann das Programm, das die Ruhrfestspiele seit dem 1. Mai 2016 zeigten. Ein Programm, das den Zuschauer mit der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Situation konfrontierte. Und dies auf bemerkenswert gegensätzliche Weise. Produktionen aus dem Mittelmeerraum wie „Zawaya. Zeugnisse der Revolution“ aus Ägypten oder „Der Pfau von Silwan“ aus Israel berichteten von den politischen Missständen in ihren Heimatländern, unmittelbar aus Sicht der Betroffenen. Inszenierungen und Uraufführungen aus Deutschland befassten sich mit dem Schicksal der Geflüchteten und dem gesellschaftlichen Umgang mit ihnen. In den von den Ruhrfestspielen initiierten „kumpane“-Projekten arbeiteten seit Januar Menschen aus aller Welt künstlerisch zusammen, darunter viele Geflüchtete.
Auch in ästhetischer Hinsicht präsentierten die Ruhrfestspiele ein couragiertes Programm, zeigten kontroverses ebenso wie begeisterndes Theater: Inszenierungen von Romeo Castelluccis „Die Orestie“ über Frank Hoffmanns „Das Leben ein Traum. Calderón“ bis hin zu Herbert Fritschs „Apokalypse“ brachen wie Donnerschläge auf das Publikum herein und boten nicht nur Raum für Diskussionen, sondern drängten geradezu darauf. Außergewöhnliche Eindrücke und Erfahrungen ermöglichte die spartenübergreifende performative Installation „François & Claire“ des gefeierten französischen Künstlers Jean Michel Bruyère. Ebenso neue Sichtweisen eröffnete das mobile Kunstprojekt „Truck Tracks Ruhr“ von Urbane Künste Ruhr und dem international renommierten Theaterkollektiv Rimini Protokoll.
Klassiker der europäischen Literatur, darunter die Eröffnungsproduktion „Der Diener zweier Herren“ vom Burgtheater Wien, wurden in dieser Spielzeit ebenso auf die Bühne gebracht wie Uraufführungen von Werken bedeutender zeitgenössischer Autoren wie Tankred Dorst („Das Blau in der Wand“) oder Michel Houellebecq („Unterwerfung“), die auf begeisterte Zustimmung stießen. Mit 17 Produktionen, darunter 14 Koproduktionen, wurden in dieser Spielzeit so viele Uraufführungen präsentiert wie nie zuvor – wahrlich großartige Ruhrfestspiele.
Mit der Fokussierung auf Tanz- und Musiktheater hat sich das Theater Marl behauptet. Hier ernteten Choreographien von Bridget Breiner („Prosperos Insel“) und Hervé Koubi („Die Schuld des Tages an die Nacht“) frenetischen Beifall.
2016 feiern die Ruhrfestspiele ihr 70. Jubiläum. Dies spiegelte sich maßgeblich im Festival-Programm wider: So untersuchte ein hochkarätig besetztes Symposium den Stellenwert der Ruhrfestspiele als internationales Festival sowie die Bedeutung und Zukunftschancen von Festspielen im Allgemeinen. Darüber hinaus wurden Inszenierungen der ehemaligen Ruhrfestspielleiter Hansgünther Heyme und Frank Castorf ebenso auf die Bühne gebracht wie Produktionen des Thalia Theaters und des Deutschen Schauspielhauses, die die Ruhrfestspiele einst begründeten. An die Höhepunkte der vergangenen 70 Ruhrfestspiele wird Frank Hoffmann am 18. Juni 2016 im Rahmen des Abschlusskonzertes mit der Neuen Philharmonie Westfalen erinnern. Im Anschluss an das Konzert unter dem Motto „La Dolce Vita!“ feiern die Ruhrfestspiele zusammen mit ihrem Publikum bis tief in die Nacht das großartige Jubiläum.
Insgesamt waren bei den Ruhrfestspielen 2016 105 Produktionen in 312 Aufführungen und 18 Spielstätten zu erleben, darunter 17 Uraufführungen, 5 Deutschlandpremieren, 1 deutsche Erstaufführung und 25 FRiNGE Produktionen. Das Gros der 21 Koproduktionen der Ruhrfestspiele wird an renommierten nationalen und internationalen Theatern weitergespielt.
Die 70. Ruhrfestspiele übersprangen erneut die 80.000er-Marke und erreichten bis dato insgesamt 80.610 Besucher. Dies entspricht einer überragenden Auslastung von mehr als 84 Prozent – großartige Zahlen. Das FRiNGE Festival erreichte insgesamt 12.152 Besucher. Neben dem Theaterpublikum besuchten etwa 80.000 Menschen das Kulturvolksfest am 1. Mai. Hinzu kommen die zahlreichen Besucher der Kunstausstellung „Fabrizio Plessi. Feuer und Wasser“ in der Kunsthalle Recklinghausen.
Die Ruhrfestspiele freuten sich über neue Kooperationen mit: A Negro Producciones, Arab-Hebrew Theatre Jaffa / Israel, Ballett im Revier Gelsenkirchen, Compagnie El Warsha Kairo, Compagnie Hervé Koubi, Company 2, Els Joglars Barcelona, LFK, Losers Cirque Company, Pfalztheater Kaiserslautern, Rimini Protokoll, Schauspiel Dortmund, Socíetas Raffaello Sanzio, Staatstheater Kassel, Teatro Alfieri Castelnuovo, Theater der Jungen Welt Leipzig, Theater Rayo, Urbane Künste Ruhr, Vesturport Theatre Island
Einen aktuelleren Westfalium-Artikel zu den Ruhrfestspielen gibt es hier
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