Der Kiepenkerl bloggt: Gebratener Fischreiher

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Der Kiepenkerl bloggt regelmäßig auf www.westfalium.de – mehr im Kiepenkerl-Blog

Die Überpopulation an Fischreihern wurde inzwischen auch für Besitzer von Gartenteichen zum Problem, denn bis auf Bayern ist der Graureiher in allen Bundesländern ganzjährig geschont. Für den Abschuss der Migranten bedarf es in Nordrhein-Westfalen beispielsweise einer Einzelerlaubnis der unteren Jagdbehörde. Da die niemand beantragt, schauen die fliegenden Fischfabriken in jedem Frühjahr an unserem Zierteich vorbei, um Goldfische in Omega-3-Fettsäure zu verarbeiten.

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Der Fischreiher ist für viele Teichbesitzer eine Plage. Für Kochbuchautorin Henriette Davidis war ereine kulinarische Delikatesse – Foto Victoria Gracia / Flickr

Da werde ich dem startlahmen Schreitvogel wohl mit einem Spaten auflauern müssen. Doch was fängt man anschließend mit dem unhandlichen Flugkörper an? Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feine Küche“ von Henriette Davidis aus dem Jahr 1893 weiß Rat:

„Vom Fischreiher ist nur die Brust brauchbar und sehr wohlschmeckend, das übrige ist thranig. Man bestreue die enthäutete Brust bei der Zubereitung mit dem nötigen Salz, binde feine Speckscheiben darüber, lege sie in reichlich heißgemachte Butter und brate sie bei öfterem Begießen und späterem Hinzuthun von einer Tasse Sahne bei mäßigem Feuer weich und gelb. Die Sauce wird wie beim Hasenbraten gemacht.“

Wer bei Anglern und Teichbesitzern punkten will, sollte die staksigen Sittiche jetzt durch die Kimme aufs Korn nehmen. Die Ermunterung lautet:

Wie gut schmeckt uns der Reiherhahn,
den gestern wir noch fischen sah’n.

Davidis_Holle_1904

„Davidis Holle 1904“ von Henriette Davidis / Luise Holle – EvaK. Lizenziert unter Public domain über Wikimedia Commons

Mit Henriette zaubert die Hausfrau auch den im Revier erlegten oder auf der Straße niedergestreckten Pfau, Auerhahn, Dachs, Bär oder Biber weidgerecht und schmackhaft auf den Tisch.

Zur Arbeitsteilung im Haushalt finden sich bei Henriette eindeutige Festlegungen. Doch die passen nicht in unsere Zeit, denn zu den Aufgaben des Hausherrn bei der Zubereitung von Wild aus Wald und Flur heißt es: „Nicht eher sollte ein junger Mann heiraten dürfen, als bis er jeden Braten geschickt und zweckmäßig zerlegen kann! Denn ist er genötigt, dies von alters her dem Hausherrn oder früher bei hohen Fürstlichkeiten besonders dazu bestellten Würdenträgern zukommende Amt der Hausfrau zu überlassen, wie will er dann noch das Regiment des Hauses festhalten? Muss er nicht in Demut sich beugen, wenn seine Eheliebste nicht nur den Pantoffel, sondern auch noch das Tranchiermesser als Zeichen ihrer Würde aufweisen kann?“

Bloggt der Kiepenkerl hier völligen Blödsinn? Keine Sorge – ich bin mir durchaus bewusst, dass der Reiher angesichts der komplexen Zubereitung und des geringen genießbaren Beuteanteils keinen Spitzenplatz in der jungen deutschen Küche erobern wird. Es sei denn, ein großer US-amerikanischer, niederländischer oder schweizer Nahrungsmittelkonzern würde eine fertige Thai-Heron-Soup für die Mikrowelle ins Programm nehmen (Heron = englisch für Reiher). Vielleicht kreiert aber auch einer der zahlreichen Fernsehköche ein Wok-Gericht mit süß-sauer eingelegter Reiherbrust. Besonders reizvoll wäre die Herausforderung für einen Nachfolger von Clemens Wilmenrod, der selbst einen Zierteich besitzt.

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