Münster feiert Friedenspreisträger Helmut Schmidt

Helmut Schmidt in Münster: Der herzliche Jubel und der nachhaltige Applaus der Münsteranerinnen und Münsteraner schallte über den gesamten Prinzipalmarkt. Tausende waren gekommen, um die Friedenspreisträger zu feiern. Als sich Altbundeskanzler Helmut Schmidt am Sonnabend in Münster zusammen mit den jungen Vertererinnen und Vertretern der Münchner Kinderhilfsorganisation “Children for a better world” auf dem Balkon des Münsteraner Rathauses zeigen, ist die Sympathie der Münsteranerinnen und Münsteraner für ihren Altkanzler deutlich zu spüren. Das war ein ebenso bemerkenswerter wie würdiger Abschluß einer großartigen Preisverleihung in der Stadt des Westfälischen Friedens. Denn Helmut Schmidt und die Organisation “Children for a better world” haben am 22. September in Münster den Westfälischen Friedenspreis erhalten.

Helmut Schmidt

Zusammen mit der Kinderhilfsorganisation “Children for a better world” wurde Altbundeskanzler Helmut Schmidt in Münsters Rathaus mit dem Westfälischen Friedenspreis ausgezeichnet – Foto Wikimedia/Florian Adler (schlendrian)

Der 93-jährige Schmidt bekam den Preis zugesprochen, weil er als einer der bedeutendsten Wegbereiter des friedlich geeinten Europas gilt. “Er hat als Kanzler wichtige Weichen in Richtung der europäischen Integration gestellt”, teilte die Jury mit. Schmidt hatte für eine Annäherung zwischen Deutschland und Frankreich gesorgt – gemeinsam mit dem damaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing.

Laudator Reinhard Zinkann, der Vorsitzende der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe, erklärte in seiner Laudatio: “Wenn heute eine militärische Auseinandersetzung zwischen den Staaten Europas nicht mehr denkbar ist, dann verdanken wir dies Menschen wie Helmut Schmidt.”

Selbstverständlich ergriff auch der Altkanzler das Wort und bereitete die 250 Gäste in seiner Rede und später auch das jubelnde Volks zu Füßen des Sentenzenbogens auf schwere Zeiten vor, die nur mit einem festen Glauben an die Kraft eines gemeinsam handelnden Europas zu bewältigen seien. “Das deutsche Bundesverfassungsgericht, die Bundesbank und vorher schon Bundeskanzlerin Merkel gerieren sich zum Teil zur Verzweiflung unserer Nachbarn als das Zentrum Europas.” Eindringlich warnte er davor, dass die Europäische Union “an den Deutschen scheitern” könnte. Deutschland lasse die anderen Mitgliedsstaaten spüren, dass es die ökonomisch stärkste Macht des Kontinents sei. Helmut Schmidt kritisierte, dass ein Teil der öffentlichen Meinung in Deutschland “leider Gottes von national-egoistischer Sichtweise” geprägt sei. Vor der applaudierenden Menschenmenge – so voll ist der Prinzipalmarkt nur selten! – sagte Schmidt: “Ich bin gerührt, dass so viele Menschen gekommen sind. Aber denken Sie doch auch an Ihr Mittagessen! Es wird Zeit. Ich sage Ihnen: Deutschland muss noch viele Opfer bringen für Europa. Viele Opfer!”

Den Friedenspreis vergibt die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen-Lippe (WWL), die sich in den vergangenen Jahren durch ihr besonderes Engagement für ein modernes, zeitgemäßes und zukunftsorientiertes Image Westfalens in der Öffentlichkeit eingesetzt hat. Das Kuratorium, bestehend aus westfälischen Unternehmer-Persönlichkeiten, hatte im Vorfeld das Preisgeld von 50.000 auf 100.000 Euro erhöht. Wie bei früheren Verleihungen ging es erneut je zur Hälfte an zwei Preisträger.

“Helmut Schmidt ist einer der bedeutendsten Wegbereiter des friedlich geeinten Europa. In seiner Zeit als deutscher Bundeskanzler stellte er wichtige Weichen in Richtung der europäischen Integration”, heißt es in der Begründung der Jury und des Kuratoriums der WWL. “Der Staatsmann Helmut Schmidt steht zweifelsohne in einer Reihe mit den großen Europäern Valéry Giscard d´Estaing, Helmut Kohl und Václav Havel, die alle ebenfalls schon mit dem Preis des Westfälischen Friedens ausgezeichnet wurden.”

Zusammen mit Schmidt wurde der Verein “Children for a better World” geehrt. Die Organisation mit Sitz in München – 1994 von rund 30 Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Wirtschaft gegründet – fördert weltweit Kinderhilfsprojekte. Getreu dem Leitgedanken ,Mit Kindern. Für Kinder!’ spielen dabei die Kinderbeiräte eine wichtige Rolle, in denen Kinder und Jugendliche selbst über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden. Mit 25 Millionen Euro an Spenden konnten bisher weltweit mehr als 1.200 Projekte gefördert werden. Bei der Preisverleihung hielt Moderator, Autor und Kabarettist Eckhard von Hirschausen eine überaus launige Laudatio, die erfrischend aus dem Rahmen fiel und deswegen auch bei dem alt-ehrwürdigen und leicht angestaub dreinblickenden Auditorium gut ankam und offenbar die Lebensgeister weckte.

“Mit dem Preis des Westfälischen Friedens halten wir die Erinnerung an das aufrecht, was die Gesandten im Jahr 1648 in Münster und in Osnabrück geleistet haben”, erklärt Dr. Reinhard Zinkann, Vorsitzender der WWL. Das historische Vertragswerk sei beseelt gewesen durch den Traum vom Frieden, der nicht nur an den Stätten des Friedensschlusses bewegte, sondern die Menschen in ganz Europa und in der Welt. Zinkann: “Das hält bis heute an und gibt der Verleihung unseres Friedenspreises alle zwei Jahre ihren Sinn.” Die Verdoppelung der Dotierung auf 100.000 Euro signalisiere, dass der Preis des Westfälischen Friedens nun eine Auszeichnung “von herausragendem internationalem Rang” sei.

Seit der Stiftung des Preises im Jahr 1998 nahmen neben Valéry Giscard d´Estaing, Helmut Kohl und Václav Havel auch Carla del Ponte, Kurt Masur, Kofi Annan und Daniel Barenboim bereits die Auszeichnung in Empfang. Gemeinsam mit Persönlichkeiten, die durch ihre Lebensleistung zum Vorbild für Friedensarbeit in Europa und der Welt geworden sind, werden immer auch junge Menschen geehrt, die durch ihre Taten ein Beispiel für politische, soziale und ökologische Versöhnung und damit für Frieden in der Welt gegeben haben. An der Preisverleihung nahmen zahlreiche Prominente teil. Unter den Redern und ersten Gratulanten: Frank-Walter Steinmeier (SPD) und die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen Hannelore Kraft (SPD). (Jörg Bockow)

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