Familiendrama für Theaterpreis nominiert

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Westfalen – Die Arbeit des Theaters Bielefeld rückt einmal mehr in den Fokus der überregionalen Kritik: Die Uraufführung des Familiendramas “Käthe Hermann” von Anne Lepper wurde gerade zu den 37. Mülheimer Theatertagen 2012 eingeladen. Schon diese Einladung ist eine Auszeichnung für das Drama, denn das Festival gilt als wichtigster Wettbewerb der deutschsprachigen Gegenwartsdramatik. Eine Jury hat für die Auswahl 123 neue Theaterstücke gesichtet und sieben Werke nominiert. Diese werden vom 19. Mai bis zum 6. Juni in Mülheim an der Ruhr aufgeführt und konkurrieren um den mit 15.000 Euro dotierten “Stücke”-Preis sowie um einen Publikumspreis.

vl.: Hannah von Peinen, Therese Berger, John Wesley Zielmann. Foto: Philipp Ottendörfer/Theater Bielefeld

Das Stück “Käthe Hermann” handelt von einer Familie, deren kulturelle und soziale Wurzeln sich in den letzten 100 Jahren deutscher Geschichte entwickelt haben. Käthe, die Mutter, ist eine Frau um die 80, die von Ereignissen aus sehr verschiedenen Zeiten erzählt, angefangen bei einem jüdischen Mädchen, dem sie mal Brot zugesteckt hat bis zu hungernden Kindern in Afrika und dem gegenwärtigen Problem der globalen Erderwärmung. Irmi, die Tochter, scheint der nachfolgenden Generation entsprungen und ist ihrer Mutter sehr nah, auch sie hatte ein Kind, einen Jungen, der aber ausgesetzt wurde. Irmi wartet auf dessen Rückkehr, wobei die beiden anderen nicht aufhören, ihr zu sagen, dass er ganz sicher nicht mehr am Leben ist.

Martin, der gelähmte Sohn, ist eine moderne Figur aus unserer Generation und verteidigt seinen Platz mit allen Mitteln. Mit Zuckerbrot und Peitsche wird einmal Nähe, einmal Distanz erzeugt. Zu große Nähe wie auch mögliche Fluchtversuche werden mit höchster Disziplin und Strenge geahndet. Nachbarn gibt es keine, denn die Familie wohnt in einer Gegend, die wegen Braunkohle umgesiedelt wurde, aber die Familie ist trotzdem geblieben. Das Geld für die Umsiedlung haben sie für die Renovierung ihrer Wohnung genutzt.

vl.: John Wesley Zielmann, Hannah von Peinen, Therese Berger. Foto: Philipp Ottendörfer/Theater Bielefeld

Käthe und ihre beiden Kinder sind angefüllt mit Bergen von Altlasten, mit Geschichten aus ihrer Vergangenheit, mit hellen und dunklen Flecken darin. Man versinkt in alten Bildern, man gestaltet den Wohnraum in althergebrachter Weise und alle nicht mehr anwesenden Personen (weil gestorben oder ausgesetzt) sind noch immer omnipräsent. Das Vergangene ist nicht vorbei. Käthe träumt immer noch vom Durchbruch als Tänzerin, um endlich ihr Talent zu angemessenem Ruhm zu bringen und entwirft dafür ihr eigenes Regelwerk für richtiges Verhalten, das die Basis des familiären Zusammenlebens bildet.

Durch Käthes eiserne Disziplin überlebt am Ende nicht nur die Familie, sondern “auch die Welt hat sich schon merklich verbessert”. Und so ist der Fortbestand der Familie bis ins nächste Jahrtausend gesichert. Fast so, als wäre diese Familie ein deutsches, in Stein gemeißeltes Denkmal.

Die Autorin Anne Lepper, die derzeit in Wuppertal lebt, studierte Philosophie, Literatur und Geschichte in Wuppertal, Köln und Bonn. “Käthe Hermann” ist das zweite Stück der Autorin. Drei Tage nach der Premiere in Bielefeld folgt bereits ihr nächstes Stück “Seymour oder ich bin nur aus Versehen hier”, das am Staatstheater Hannover in der Regie von Claudia Bauer uraufgeführt wird.

http://www.theater-bielefeld.de/spielplan/

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