Schatz geht als Dauerleihgabe an die Annette von Droste-Gesellschaft: Ein Jugendbrief Annette von Droste-Hülshoffs kommt ins Westfälische Literaturarchiv.
Das Westfälische Literaturarchiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Münster beherbergt seit Donnerstag (4.7.) einen besonderen Schatz: den Brief, den Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848) am 27. Juli 1813 an ihre Stieftante und Freundin Ludowine von Haxthausen schrieb.
Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege hat diesen sagenhaften Schatz auf Anregung der Droste-Forschungsstelle der LWL-Literaturkommission für Westfalen angekauft und überlässt ihn der Annette von Droste-Gesellschaft e. V. als Dauerleihgabe mit der Auflage, ihn im Westfälischen Literaturarchiv zu verwahren.
In einem feierlichen Akt nahm LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger den Brief zusammen mit Prof. Dr. Marcus Stumpf, Leiter des LWL-Archivamtes, Prof. Dr. Stefan Höppner, Geschäftsführer der Literaturkommission für Westfalen, Dr. Anke Kramer, Leiterin der Droste-Forschungsstelle, Dr. Jörg Albrecht, Künstlerischer Leiter von Burg Hülshoff – Center for Literature, und Dr. Jochen Grywatsch, Zweiter Vorsitzender der Droste-Gesellschaft, von Stefan Ast, dem Geschäftsführer der Nordrhein-Westfalen-Stiftung, und dem bisherigen Besitzer entgegen.
Rüschoff-Parzinger dankte der Nordrhein-Westfalen-Stiftung für den Ankauf und die Leihgabe: “Annette von Droste-Hülshoff ist die bedeutendste deutsche Dichterin des 19. Jahrhunderts. Dieser Brief ist eine wertvolle Ergänzung der Bestände ihrer Handschriften im Westfälischen Literaturarchiv, wo bereits der größte Teil von Drostes literarischem Nachlass liegt. Der LWL engagiert sich mit dem Literaturarchiv, der Droste-Forschungsstelle bei der Literaturkommission für Westfalen und dem Center for Literature auf Burg Hülshoff dafür, Münster weiterhin als internationales Zentrum der Erforschung und Vermittlung der Werke und des Lebens dieser Autorin zu profilieren.” Ast betonte: “Die Nordrhein-Westfalen-Stiftung ist mit dem Erbe von Annette von Droste-Hülshoff in vielerlei Hinsicht verbunden. Als Eigentümerin des ehemaligen Wohnhauses der großen westfälischen Dichterin, Haus Rüschhaus, helfen wir das wichtige Erbe Drostes zu bewahren. Wir freuen uns, dass wir den Brief der damals 16-Jährigen erwerben konnten und der Annette von Droste-Gesellschaft als Dauerleihgabe zur Verfügung stellen.” Der Schatz bekommt eine neue Heimstatt.
Prof. Dr. Winfried Woesler, der Herausgeber der Historisch-Kritischen Ausgabe der Werke Annette von Droste-Hülshoffs, erläuterte in einem Festvortrag, warum dieser winzige, auf einem schmalen Papierstreifen notierte Brief so bedeutend ist. Er gehört zu den frühesten erhaltenen Briefen Drostes und gibt Aufschlüsse sowohl über die literarischen Kontakte als auch über das Selbstbewusstsein der jungen Autorin. Droste schrieb ihn auf dem Rückweg von einem Besuch bei ihren Großeltern in Bökendorf. Sie bedenkt darin den viel älteren Germanisten Wilhelm Grimm, der dort an seinem Märchensammelprojekt arbeitete, mit einer ironischen Bemerkung: “Grimm sage, es thäte mir herzlich leid, daß er seine Namensveränderung oder Verdrehung so übel genommen hätte, und da es ihm so sehr mißfiele, so wollte ich ihn in Zukunft nicht mehr Unwille sondern Unmuth nennen übrigens würde ich die Mährchen mit größter Freude sammeln, um ihn zu versöhnen”. Berühmt wurde der Brief durch Karen Duves Roman “Fräulein Nettes kurzer Sommer” (2018), der ihn zitiert, um Drostes angespanntes Verhältnis zu Wilhelm Grimm zu verdeutlichen.
Der Brief ist in der Historisch-Kritischen Droste-Ausgabe ediert, er war jedoch bislang nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, auch nicht in digitaler Form. “Seit ihrer Gründung im Jahr 1928 widmet sich die Droste-Gesellschaft der Erforschung, Sicherung und Vermittlung von Drostes Nachlass. Das Westfälische Literaturarchiv bietet optimale Bedingungen für die Pflege dieses Kulturschatzes”, betonte Dr. Jochen Grywatsch, Zweiter Vorsitzender der Droste-Gesellschaft. “Der Brief wird nun im Westfälischen Literaturarchiv verzeichnet, digitalisiert und fachgerecht verwahrt. Das LWL-Archivamt verfügt über langjährige Erfahrung und hohe Kompetenz bei der Erschließung, Konservierung und Digitalisierung fragiler Dokumente”, erklärte Stumpf.
“Eigenhändige Handschriften Annette von Droste-Hülshoffs stehen nur sehr selten zum Verkauf. Dieser Ankauf ist ein Glücksfall, denn der Brief eignet sich besonders, um auch jüngere Zielgruppen anzusprechen. Wir werden ihn bald auf unserem Blog “Schätze aus dem Archiv” in digitaler Form der Öffentlichkeit präsentieren”, sagte Kramer. Außerdem wird der Brief, wenn dies aus konservatorischer Sicht möglich ist, Teil der neuen Dauerausstellung auf der Burg Hülshoff, die im Sommer 2026 eröffnet werden soll. “Droste verspricht am Schluss ihres Briefs, für Grimm Märchen zu sammeln. Tatsächlich hat sie sich danach aber vor allem ihren eigenen Sammlungen gewidmet, deren Bedeutung für ihr Schreiben wir bei der Neueröffnung von Burg Hülshoff sichtbar machen werden”, verrät Albrecht.
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