Beamtendeutsch: Mehr als 40 Prozent der städtischen Informationen sind kaum zu verstehen. Eine Studie zeigt, dass deutsche Städte an ihren Bürgern vorbeireden.
Unverständliche Sprache richtet große Schäden an: Vermeidbare Rückfragen und Missverständnisse durch Beamtendeutsch verursachen Kosten in Millionenhöhe. Menschen werden von Informationen ausgeschlossen. Wie bürgerfreundlich kommunizieren deutsche Städte?
Eine Wortliga-Studie prüfte die Websites von 19 Mittel- und Großstädten, mit Informationen an rund 14 Millionen Einwohner. 194 der untersuchten 475 Online-Texte waren schwer verständlich. 173 der untersuchten Texte zu Themen wie Corona, Familie oder Wohnungssuche waren besonders kompliziert: etwa durch Schachtelsätze, komplexe Begriffe und Passiv-Formulierungen.
Deutschland macht Menschen das Lesen schwer
Verwaltungen, Behörden und Ämter müssen seit dem Jahr 2020 eine stark vereinfachte Version ihrer Internetseite in “Leichter Sprache” anbieten. Das hilft zum Beispiel Menschen mit Lernbehinderungen. Aber wie steht es um die Informationen für alle anderen? „Bürger müssen sich mit unnötig komplizierten und schwer verständlichen Texten auseinandersetzen. So verfehlen viele Städte ihr Ziel, nämlich Informationen bereitzustellen, mit denen Menschen gute Entscheidungen treffen können“, sagt Studienleiter Gidon Wagner von Wortliga.
Großteil hat Schwierigkeiten mit Kommunikation von Ämtern
Die meisten Menschen sind von komplizierter Sprache überfordert. Im Jahr 2009 führte die Gesellschaft für Deutsche Sprache (GfdS) eine Studie durch. Das Ergebnis war, dass 86 Prozent der Deutschen Probleme damit haben, die Texte von Ämtern und Behörden zu verstehen. Das galt nicht nur für Personen mit einfacher Schulbildung, sondern auch für 81 Prozent der Befragten mit Abitur oder Studium.Die Nielsen Norman Group fand im Jahr 2017 zudem heraus, dass alle Menschen verständliche Informationen bevorzugen, auch Experten.
Städte verschwenden Geld mit schwerer Sprache
Eine klare und einfache Kommunikation ist nicht nur ein Gebot der Inklusion, sondern steigert die Effizienz von Ämtern, Behörden und Unternehmen. Forschungen belegen zum Beispiel, dass Behörden durch verständlichere Informationen Zeit und Geld sparen, weil Bürger weniger Rückfragen haben. Beamtendeutsch kostet Zeit und Geld.
Beamtendeutsch: Risiko für Gesundheit und Wohlstand
Für die Studie analysierte die Wortliga Tools GmbH pro Stadt fünf Themenkomplexe mit jeweils fünf Texten. Die Themen waren: Wohnungssuche, Informationen zu COVID-19, Mobilität und Verkehr, Barrierefreiheit sowie Unterstützung von Familien. Die Autoren verwendeten dafür ihre Software „Wortliga Textanalyse“ und bestimmten damit das Sprachniveau. Außerdem berechneten sie den Lesbarkeitsindex, ein Wert von 0 bis 100. Der Wert von 100 bedeutet die höchste Verständlichkeit.
Die durchschnittliche Punktezahl der städtischen Websites lag bei nur 38. Das bescheinigt den Städten dringenden Nachholbedarf. Das lag eindeutig am Beamtendeutsch. Verständliche Informationen nehmen Einfluss auf wichtige Entscheidungen jedes Einzelnen, etwa bei gesundheitlichen Fragen.
Bürger müssen sich durch Beamtendeutsch mühen
„Deutsche Städte, Ämter und Behörden erfüllen mit ihren Angeboten in “Leichter Sprache” den gesetzlichen Pflichtteil. Diese Sprache aus der Behindertenhilfe eignet sich aber nicht für alle. Bürgerfreundliche Kommunikation bedeutet, dass ein Großteil der Bevölkerung die Inhalte versteht und gern liest“, sagt Gidon Wagner.
Städte wie Nürnberg, Hamburg und München sind bereits auf einem guten Weg, wie die Studie zeigt. Auch kleine Städte wie Coburg geben sich beim Informieren ihrer Bürger sichtbar Mühe und übertreffen damit so manche Metropole in Bezug auf Klarheit. Die meisten anderen Städte – darunter Berlin – haben noch viele Löcher zu stopfen, um die Mehrheit auf Augenhöhe zu informieren.
Das Ranking der Städte finden Sie hier: https://wortliga.de/verstaendlichkeit-deutsche-staedte/
Diese Checkliste hilft Behörden dabei, ihre Texte verständlicher und ansprechender zu gestalten sowie Beamtendeutsch zu vermeiden:
- Überlegen Sie sich vor dem Schreiben, welche Fragen Ihre Leser haben und klären Sie diese Fragen im Text
- Schreiben Sie keine zu langen Sätze, keine Schachtelsätze und wenige Nebensätze (Richtwert: 9 bis 15 Wörter pro Satz)
- Verwenden Sie eher kurze Wörter (bis zu drei Silben)
- Verwenden Sie Wörter, die Ihre Leser kennen
- Schreiben Sie aktiv und nicht passiv
- Sprechen Sie Leser persönlich an
- Verwenden Sie keine Abkürzungen (Stunden statt Std.).
- Nutzen Sie viele Verben und vermeiden Sie den Nominalstil (Verbessern statt Verbesserung)
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