Westfalen AG in Münster feiert 100jähriges Jubiläum

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Die Westfalen AG in Münster feiert ihr 100jähriges Jubiläum: Die Geschichte der Westfalen AG begann an 1. Oktober 1923 mit der Gründung der Sauerstoffwerke A.G. in Münster. Der Firmenname beschrieb den Firmenzweck: die Erzeugung von Sauerstoff, der überwiegend in metallverarbeitenden Betrieben zum autogenen Schweißen und Schneiden eingesetzt wurde. Wilhelm Albert war fest davon überzeugt, dass dieses Verfahren im Zeichen des Neubeginns nach dem Ersten Weltkrieg großen Aufschwung erfahren würde.

Westfalen AG in Münster feiert 100jähriges Jubiläum

Der Unternehmensstandort der Westfalen AG in Münster – Foto Westfalen AG

Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens war in der Aufbauphase eng verbunden mit Oberbürgermeister Dr. Georg Sperlich und Stadtbaurat Dipl.-Ing. Richard Tormin. Beide verstanden die „Public Private Partnership“ als Starthilfe im Rahmen eins langfristigen Prozesses zur Schaffung sicherer Arbeitsplätze in Münster. Die geplante saubere Sauerstoffproduktion entsprach in besonderer Weise dem Wunsch des Magistrats nach behutsamer industrieller Öffnung. Deshalb wurde die Unternehmensentwicklung zusätzlich durch zahlreiche für eine Kommune ungewöhnliche Maßnahmen gefördert.

So beteiligte sich die Stadt in der Startphase mit 25 Prozent am Kapital der Aktiengesellschaft und vermietete ihr das alte Gaswerkgebäude an der Lippstädter Straße für den Betrieb einer Sauerstoffanlage.

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Bei der Aufnahme des Mineralölvertriebs befand sich Wilhelm Albert mit der „Benzol-Quelle“ in der Zeche Westfalen in Ahlen in einer beneidenswerten Position. Das klopffeste Benzol wurde dort als Destillationsprodukt aus Kokerei-Gas isoliert. Das hochreine Produkt kam als Fass-Ware mit dem LKW von den Gas-Touren aus Ahlen nach Münster. Nach Fertigstellung eines Tanklagers und der Wiederinbetriebnahme des Anschlussgleises der Westfälischen Landeseisenbahn an der Lippstädter Straße wurde das Benzol in Eisenbahn-Kesselwagen angeliefert.

Westfalen AG in Münster feiert 100jähriges Jubiläum

Die Unternehmerfamilie mit Renate Fritsch-Albert (vl), Katharina Ma-Theurer und Wolfgang Frisch-Albert – Foto Westfalen AG

Das Westfalen-Benzol wurde zunächst an private Endverbraucher in explosionssicheren 10- oder 20-Liter-Kannen oder 200-Liter-Fässern geliefert. Um die wachsende Zahl von Automobilen versorgen zu können, entstanden am Straßenrand zunehmend Zapfsäulen, an denen die Kunden unter freiem Himmel im fließenden Verkehr tankten. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche Tankstellen mit Überdachung und mehreren Zapfsäulen gebaut.

Rechtzeitig vor dem Ende des Pachtvertrages für die Räume des alten Gaswerks erwarb Wilhelm Albert 1936 ein großes Grundstück am Industrieweg. Auf dem Gelände entstanden ein Verwaltungsgebäude, eine Maschinenhalle für die alte und eine neue Luftzerlegungsanlage sowie Räume für die Abfüllung und Lagerung von Sauerstoff und Stickstoff in Stahlflaschen, sowie ein Tanklager für Vergaserkraftstoffe und Diesel.

Gleichzeitig nutzte Wilhelm Albert jede sich bietende Gelegenheit, um die Produktionskapazitäten zu erweitern und das Produktprogramm sinnvoll zu ergänzen.

1942 wurde in Sendenhorst in einer leerstehenden Halle eine Anlage zur Herstellung von Azetylen aus Kalziumkarbid gebaut, um die teilweise zerstörten Anlagen im Ruhrgebiet zu entlasten.

Die Arbeitsplätze der zum Kriegsdienst eingezogenen gewerblichen Mitarbeiter wurden ab 1941 mit sogenannten Fremdarbeitern aus Frankreich besetzt. Die zum Transport der schweren Stahlflaschen und der Sauerstoffabfüllung eingeteilten Franzosen wurden 1942 durch 20 Kriegsgefangene aus Russland ersetzt, die völlig entkräftet in einem Viehwagen aus Berlin kamen.

Nach dem erschreckenden Anblick ordnete Wilhelm Albert an, die Kriegsgefangenen menschenwürdig zu behandeln und im Rahmen der eingeschränkten Möglichkeiten zu ernähren. Um die unzureichenden Lebensmittelzuteilungen zu verbessern, ließ Wilhelm Albert gegen Bezahlung Kartoffeln, Getreide und Gemüse vom Gut Holtmann aus Billerbeck holen, dem Wohnsitz von Sohn Herbert Albert. Bei einer Entdeckung drohten den Gesellschaftern, die die illegalen Lebensmitteltransporte organisiert oder gebilligt hatten, empfindliche Strafen.

Für die Fälle von Fliegeralarm hatte Wilhelm Albert angewiesen, dass der Lagerbereich geöffnet wurde, damit die Russen den Schutzraum unter der Abfüllhalle mitbenutzen konnten.

Als Chef des kriegswichtigen Betriebes wurde Wilhelm Albert von der NSDAP-Gauleitung nicht gezwungen, Parteimitglied zu werden.

Kurz bevor die Stadt von der Front überrollt wurde, erhielten die Russen den Befehl, sich nach Osnabrück in Marsch zu setzten. Drei Tage später kehrten einige von ihnen mit einer Wochenration Proviant ins Werk zurück, die sie von den Engländern erhalten hatten Zusammen mit den Maschinisten feierten sie das glückliche Kriegsende und halfen unaufgefordert bei den Aufräumarbeiten. Am Abend sagten die Rückkehrer, dass sie aufpassen wollten, dass nichts zerstört oder gestohlen werde, und machten weiter „raboti“.

Am 30. November 1943 starb Wilhelm Albert plötzlich und unerwartet im Alter von 65 Jahren. Die Leitung des Unternehmens übernahmen die Söhne Herbert und August-Wilhelm Albert.

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