Für Gärten, Terrassen und Balkone gibt es Blumensamen gratis. Ein aktiver Beitrag gegen das Insektensterben. In Landkreisen und Städten stellen Kommunen und Kreisverwaltungen aktuell Blumensamen zur Verfügung, um etwas gegen den Insektenrückgang und im Frühling 2022 etwas für Vielfalt zu unter nehmen. Siegen, Bochum, Gütersloh, der Märkische Kreis und der Kreis Warendorf sind Beispiele in Westfalen.
Rückgang um 75 Prozent
Zu den Hintergründen der Aktion heißt es im Informationsangebot der Stadt Bochum: Nach einer Studie des Entomologischen Vereins Krefeld ist die Zahl der Insekten in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten um über 75 Prozent zurückgegangen. Fachleute und Wissenschaftler weisen seit einigen Jahren auf mögliche Ursachen und Problematiken hin. So hat sich zum einen unsere Kulturlandschaft verändert. Gab es früher kleinteilige Ackerflächen mit blühenden Randstreifen, die Nahrungsbiotope und Rückzugsorte für unzählige Insekten waren, fehlen bei den heutigen großen Flächen der industrialisierten Landwirtschaft diese Randstreifen. In Städten sind viele Parkanlagen und Gärten geprägt von monotonen Rasenflächen, Schotter, Kirschlorbeer, Rhododendren und zahlreichen weiteren fremdländischen Zierpflanzen, von denen die heimischen Insekten nicht profitieren. Für die heimische Insektenwelt sind diese Flächen wertlos. Auch wirkt sich der Einsatz von Herbiziden und Insektiziden negativ auf den Insektenbestand aus. Seit einiger Zeit wird aktiv gegen gesteuert, in den vergangenen Jahren zum Beispiel mit kostenlosem Saatgut für Blühstreifen in der Landwirtschaft. Was in Bochum bislang unternommen wurde, ist online auf einer Karte dargestellt.
Beitrag zur Vielfalt in privaten Gärten
Aktuell wird in Westfalen der Blick auf private Gärten und Grundstücke gerichtet. Im Märkischen Kreis können Interessierte ab dem 4. April ein „Samentütchen“ in den MK-Bürgerbüros in Iserlohn und Lüdenscheid, beim Erlebnisaufzug der Burg Altena und in den Bürgerbüros der Städte und Gemeinden abholen. “Nun können auch Privatgärten einen kleinen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten”, sagt im MK der Fachdienstleiter Umwelt, Dr. Johannes Osing. Er bittet darum, die Mischungen auch ausschließlich hier zu verwenden, da das Ausbringen von Saatgut in der freien Natur dem Naturschutzrecht unterliegt. Die Mischung enthält unter anderem Ringelblume, Malve, Schafgarbe, Wiesen-Margerite, Spitzwegerich, Kornblume und Klatschmohn. Die Aussaat ist von April bis Juni möglich. Bei durchgehender Feuchtigkeit dauert die Keimung ca. vier bis fünf Wochen. Die Mischung ist ausschließlich für die Verwendung in privaten Gärten gedacht.
“Warendorfer Mischung” und “Siegener Blütenzauber”
Im Kreis Warendorf stellen die Kommunen bei der Blumensamenaktion eine „Warendorfer Mischung“ zur Verfügung. Die wurde in Zusammenarbeit mit der NABU-Naturschutzstation Münsterland e. V. entwickelt, speziell für die Verwendung im Garten sowie im innerstädtischen Bereich. „Insekten sind an gebietsheimische Pflanzen angepasst. So bietet die Mischung sowohl Generalisten wie der Honigbiene als auch Spezialisten wie dem seltenen Schwalbenschwanz – einer Schmetterlingsart – eine geeignete Nahrungsgrundlage“, erläutert Martin Terwey, Leiter des Amtes für Planung und Naturschutz beim Kreis Warendorf.
Mit derartigen Aktionen lässt sich einiges erreichen, zeigt ein Blick nach Siegen. Dort stößt der “Siegener Blütenzauber” seit Jahren auf reges Interesse. Insgesamt reichte die bisher abgegebene Saatgutmenge aus, um annähernd 43.000 Quadratmeter artenreiche Biotope in unterschiedlicher Größe anzulegen, so die Information aus dem Siegerland.
70 Prozent aller Tierarten sind Insekten
Zum Hintergrund: Insekten machen 70 Prozent aller Tierarten aus, gelten zu der weltweit artenreichsten Gruppe aller Lebewesen und sind damit ein wesentlicher Bestandteil der biologischen Vielfalt. Sie übernehmen eine entscheidende Funktion bei der Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen, sodass mehr als drei Viertel der weltweit angebauten wichtigsten Nahrungspflanzen zumindest teilweise auf eine Befruchtung durch Insekten angewiesen sind. Ohne Wild- und Honigbienen gäbe es beispielsweise kein Obst, kein Gemüse und auch keine Blumen.
Insekten erfüllen bedeutende ökologische Funktionen in Nahrungs- und Stoffkreisläufen. Pflanzen und Insekten sind ein eingespieltes Team, sodass jede Pflanze eine Funktion und jedes Insekt seine Vorlieben hat. Darum sind auch alle Bestandteile der Pflanze wichtig für die Insekten, indem neben Nektar und Pollen auch die Stängel und Blätter für den Nestbau oder als Futter genutzt werden.
Super !