Die Erben des Propheten streiten sich: Dabei sind die weltweiten Glaubenskriege unter den Muslimen nicht wirklich zu verstehen. Denn die Basis des Islam ist für alle gleich.
Islam heißt „Hingabe“ – Hingabe an den einen Gott. Ob in Saudi-Arabien, in Indonesien, in der Türkei, in Syrien, dem Irak oder in Deutschland. Alle muslimischen Konfessionen sehen im Koran das Zentrum ihres Glaubens. Das Wort Koran bedeutet vortragen oder lesen. Der Koran hat 114 Kapitel, die sogenannten Suren. Die Suren wurden Mohammed nach der islamischen Lehre von Allah übermittelt.
Trotz zahlreicher Unterschiede in den Sitten und Gebräuchen bekennen sich die Erben des Propheten, also die Muslime in aller Welt zu den „Fünf Säulen des Islam“ als gemeinsame Basis ihres Glaubens. Die tragenden Elemente sind:
- das öffentliche Glaubensbekenntnis,
- das tägliche rituelle Gebet,
- die sozialen Spenden,
- das Fasten während des Ramadan und
- die Wallfahrt nach Mekka.
Die fünf Säulen zu befolgen ist für alle gläubigen Moslime als Erben des Propheten eine Selbstverständlichkeit. Die Unterschiede hinsichtlich des Glaubens und der religiösen Praxis zwischen Sunniten und Schiiten sind kaum auszumachen. Das ist wohl der Grund, warum die Muslime in Deutschland bisher konfliktfrei miteinander leben.
Um die Glaubenskriege in den muslimischen Ländern zu verstehen, ist es hilfreich, beim Propheten Mohammed zu beginnen. Er wurde 570 als Sohn einer verarmten Kaufmannsfamilie geboren und wuchs bei einem Onkel in Mekka auf. Der Karawanenführer nahm Mohammed als Lehrling mit auf lange Reisen. Nach dem Tod des Onkels heiratete er eine reiche Witwe aus der Verwandtschaft. Das Paar hatte mehrere Kinder, von denen nur die Tochter Fatima überlebte.
Mohammed starb 632 bei einem Fieberanfall. Weil er die Nachfolge nicht geregelt hatte, wählten die Männer seiner nächsten Umgebung Abû Bakr als ehemaligen Vertrauten zum Kalif und Nachfolger Mohammeds. Das Wort Kalif leitet sich vom arabischen chalîfa ab, was Stellvertreter oder Nachfolger bedeutet. Keine 100 Jahre später spaltete sich der Islam in Sunniten und in Schiiten.
Die Schiiten betrachten Ali, den Schwiegersohn Mohammeds, als den letzten rechtmäßigen Nachfolger. Von Ali, dem vierten Kalifen, ist das Führungsamt auf Imame übergegangen, die als erleuchtete Mittler zwischen den Menschen und Allah einen höheren Rang besitzen als die Kalifen der Sunniten. Heute sind etwa 15 Prozent der Muslime Schiiten. Sie stellen nur in wenigen Ländern die Mehrheit. Dazu gehören der Iran, der Irak, der Jemen und Bahrain.
Die Sunniten sehen in den Kalifen die rechtmäßigen Nachfolger des Propheten Mohammed. Eine besonders konservative Strömung der Sunniten ist der Wahabismus – die Staatsreligion in Saudi-Arabien. Weltweit sind etwa 80 Prozent der Muslime Sunniten.
In vielen Ländern bekämpfen sich Sunniten und Schiiten politisch mit allen Mitteln der modernen Kriegführung. Angesichts des sonst von den Muslimen gelebten Historismus‘ müssten sie für die feindlichen Auseinandersetzungen eigentlich die Waffen aus Mohammeds Zeiten verwenden. Dann würde schnell Frieden einkehren.
Doch mit Präzisionswaffen aus den USA und Deutschland bekämpfen sich im Jemen in einem Stellvertreterkrieg Saudi-Arabien und der Iran. Der Iran tritt als Schutzmacht der schiitischen Regierung auf, während Saudi-Arabien die sunnitischen Huthi-Rebellen unterstützt – bis zu einer humanitären Katastrophe nie gekannten Ausmaßes.
Ein wichtiger Schritt zur Befriedung wäre, dass die jeweilige Glaubensminderheit eines Landes in Staat und Gesellschaft eingebunden würde. Die totalitären Machtansprüche der Glaubensrichtungen sind menschenverachtend und zerstören wichtige Lebensräume oder sind Auslöser riesiger Flüchtlingsströme. Die sunnitisch-schiitischen Kriege um die Vorherrschaft werden nur beendet, wenn die Menschen aufhören, für sektiererische Propaganda und Mobilisierung empfänglich zu sein, und sich ausländische Mächte nicht mehr in die Kriege einmischen.
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