Die CDU-Mitglieder wählten „Bimbes“ 1999 zum Unwort des Jahres. Dieser Begriff, den Bundeskanzler Helmut Kohl für erhaltene Barspenden verwendete, stammt aus dem Rotwelschen, einer Sondersprache von gesellschaftlichen Randgruppen. „Rot“ bedeutet Bettler und „welsch“ signalisiert „schwer verständlich“. Entsprechend kauderwelsch klangen die Erklärungsversuche führender CDU-Politiker im Rahmen der Spendenaffäre. Kein Wunder, dass im Verlauf der rückhaltlosen Aufklärung so mancher seinen Rückhalt verlor.
Die Prüfung der versehentlich noch vorhandenen Bankbelege ergab, dass das auf der hohen Kante gebunkerte Geld nach den Grundsätzen ordnungsgemäßen „Bimbes“ (GoB) nur rudimentär auf real existierenden Konten erfasst wurde. Schließlich wollte sich der Bundeskanzler bei der Spendeneinwerbung deutlich von Benefizveranstaltern im Fernsehen abheben, die die Spendernamen in Laufschrift am unteren Rand des Fernsehbildschirms einblendeten.
Die schlichte Buchführung der CDU-Schatzmeister kannte nur Schweizer oder Liechtensteiner Bestandskonten. Über die ermittelte ein Wirtschaftsprüfer den Erfolg der Sammlungsbewegung per Vermögensvergleich unter Beachtung der Prinzipien der internationalen Rechnungs(ver)legung. Das steuerlich anerkannte Veranlagungsverfahren unterschied die Spenden nach ihrer Verwendung (Aktiva) und ihrer Herkunft (Passiva). In diesem Kraftfeld stellt lediglich der Koffer als Datenträger einen gewissen Unsicherheitsfaktor dar. Trotzdem galt die Scheinwirtschaft in der CDU als tolerierbar, weil der im Prüfungsbericht festgestellte Schwund in Millionenhöhe ein Heidengeld bei zu erwartenden Strafzahlungen an die Bundeskasse sparte. Dieser Mut zur Lücke erleichterte es dem CDU-Vorstand, dem Wirtschaftsprüfer Unparteilichkeit zu bestätigen. Eine derart vornehme Zurückhaltung zeugt nach Meinung von Experten von einem verantwortungsvollen Umgang mit den berufsständischen Grundsätzen, denn eine Treuhand wäscht bekanntlich die andere.
Es band kein Anlass zur Aufregung, wenn Politiker zur besseren Wahrnehmung ihrer Aufgaben größere Barspenden annahmen, denn bereits John Maynard Keynes, der Begründer der Liquiditätstheorie, wusste: „Geld regiert die Welt.“ Dass die Regierenden die Übergabe des „Bimbes“ in Koffern oder Briefumschlägen bevorzugten, war ganz normal, denn unauffällige Transportmittel erleichtern die Diskretion und die Mobilität der Zuwendungen. Dieses Verfahren hat sich bereits bei internationalen Rüstungsgeschäften bewährt. Der Bundeskanzler nutzte die Flexibilität des Barverfahrens sehr pragmatisch zur Stärkung seiner politischen Hausmacht. Dem Schutz der ergiebigen Geldquellen diente eine eigene Rechtfertigungslehre, die die Kraft des Faktischen zum Naturgesetz erhob. Sein Wahlspruch als oberster Geldbeschaffer lautete: „Wem so viel Bares widerfährt, dem sei’s ein Ehrenwort wohl wert.“ Dieses Motto verpflichtete ihn nach der Eigengesetzmäßigkeit des Pfälzer Landrechts zu beharrlichem Schweigen. Als Oggersheimer Schweigemönch nahm er in Kauf, dass sich die mit der Aufklärung befassten Ausschüsse und das Volk verkohlt fühlten. Kohl, Kohle und verkohlen standen spätestens seit der Flick-Affäre in einem engen Zusammenhang mit der Farbe schwarz. Diese Tautologie hinderte politische Missgünstlinge nicht daran, die Spendengroschen der ehrenwerten Gesellschaft als Schwarzgeld ins Blickfeld zu rücken. Schließlich verdankt der Groschen seinen Namen der äußeren Form ebenso wie Helmut Kohl seinen Beinamen: Groschen heißt im Küchenlatein so viel wie „der Dicke“.
Als gläubiger Katholik wusste Helmut Kohl um die Vergebung lässlicher Sünden durch die Beichte. Wie vom Beichtvater auferlegt hat er anschließend die Finger von Großspenden gelassen. Als Jura- und Geschichtsstudent kannte er auch den Ablassprediger Johann Tetzel, der zum Bau des Petersdoms in Rom riesige Spendensummen mit dem Spruch einwarb: „Sobald der Gülden im Becken klingt, im huy die Seele im Himmel springt.“ Wie bei Tetzel werden die Seelen der Kohl‘schen Himmelshüpfer anonym bleiben, denn der Altkanzler nahm die Namen am 1. Juli 2017 in Speyer mit ins Grab.
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