Kunst-Tempel für die polnische Avantgarde

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Recklinghausen – An diesem Museum ist so ziemlich alles ungewöhnlich: Der Inhaber, der Standort, die Architektur, der Inhalt und vor allem wie es dazu gekommen ist. Im Frühjahr dieses Jahres wurde das Jerke Museum in Recklinghausen eröffnet – das erste Museum für moderne polnische Kunst außerhalb Polens. Errichtet wurde es in Privatinitiative von Dr. Werner Jerke, der als renommierter Augenarzt mit eigener Klinik in Herten tätig ist und der mit dem Museum seine Sammlung öffentlich zugänglich macht. Bemerkenswert.

Das Museum Jerke in Recklinghausen zeigt Meisterwerke der polnischen Avantgarde - Fotos: Museum Jerke

Das Museum Jerke in Recklinghausen zeigt Meisterwerke der polnischen Avantgarde – Fotos: Museum Jerke

Das Gebäude selbst ist ein architektonischer Hingucker. Monolitisch, kantig, puristisch und provokant. Es befindet sich im Herzen der Recklinghäuser Altstadt vis-a-vis zum Ikonenmuseum und der Propsteikirche St. Peter. Das moderne Haus bildet einen spektakulären Kontrast zu all den historischen Gebäuden in Steinwurfnähe. Es sieht aus wie ein in Granit gegossenes Modellhaus mit Satteldach. „Wie von Lego“, schmunzelt der Gründer – oder auch aus der Monopoly-Kiste.

Das Museum Jerke ist das erste und einzige Museum für polnische Kunst ausserhalb von Polen

Das Museum Jerke ist das erste und einzige Museum für polnische Kunst ausserhalb von Polen

Der Gründer des Museums, Werner Jerke, hat im Alleingang und ohne öffentliche Förderung etwas Herausragendes auf die Beine gestellt. Auch indem er sich gegen alle öffentliche Widerstände und Bedenken mit seinem Entwurf durchsetzte. Denn Jerke ist nicht nur Bauherr, sondern auch der eigenwillige Entwurf stammt aus seiner Feder. Inspiriert haben ihn die Architektur der skandalumwitterten Bischofsresidenz in Limburg und ein ganz ähnliches Gebäude in Ulm. Vor allem das Steindach hat es ihm angetan. Es ist wie die gesamte Außenhülle aus blau-grauschimmerndem Granit. Für die Planung und Umsetzung hat Jerke sich eines befreundeten Architekten bedient.

Der erste Aufschrei der Bürgerschaft schwingt irgendwie immer noch in den Straßen. Inzwischen ist man allerdings versöhnt und entwickelt sogar Stolz. Ein solches privates Engagement hat die Stadt jedenfalls noch nicht gesehen. Es ist vorbildlich.

Rund 600 Gemälde und Skulpturen hat der Kunstsammler Jerke inzwischen zusammengetragen

Rund 600 Gemälde und Skulpturen hat der Kunstsammler Jerke inzwischen zusammengetragen

Die Sammlung des Museum Jerke besteht aus 600 Exponaten und enthält Raritäten der polnischen Avantgarde der 1920er Jahre und der polnischen Moderne ab 1960. Zu den Schätzen gehören Werke von Stanisław Ignacy Witkiewicz, Katarzyna Kobro, Maria Jarema, Henryk Berlewi, Władysław Strzemiński, Alina Szapocznikow, Andrzej Wróblewski, Karol Hiller, Rafał Bujnowski und Wilhelm Sasnal. Einige der Exponate wurden bereits weltweit ausgestellt und sogar ans MoMA dem Museum of Modern Art in New York ausgeliehen.

Unter dem Spitzdach befinden sich auch Kunstwerke und man hat einen ausgezeichneten Blick auf das Fenster des Künstlers

Unter dem Spitzdach befinden sich auch Kunstwerke und man hat einen ausgezeichneten Blick auf das Fenster des Künstlers Wojciech Fangor

Das  Museum präsentiert auf zwei Ebenen und auf einer Ausstellungsfläche von rund 400 Quadratmetern eine Dauerausstellung mit 50 bis 60 ausgewählten Kunstwerken. Darunter auch das berühmte Gemälde „Das zerbrochene Quadrat“  von Władysław Strzemińskis – die direkte Antwort auf das „Schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch, mit dem 1915 gewissermaßen der Startschuss für den „Unismus“ gegeben wurde. Dreimal im Jahr muss die exzellente Auswahl für eine Sonderausstellung zusammen rücken.

Das Museum Jerke verweist auf die jahrzehntelange Tradition polnischer Kunst im Ruhrgebiet. „Kunstwerke gehören niemals einem allein“, weiß Werner Jerke. „Sie werden vom Besitzer lediglich auf Zeit gepachtet. Ich bin froh, wenn ich sie für einen Moment halten kann. Das Entscheidende ist aber, dass sie der gesamten Gesellschaft gehören.“

Der Sammler Werner Jerke wurde in Oberschlesien in der Nähe der oberschlesischen Partnerstadt Bytom (Beuthen) in einer deutschen Familie geboren. Polnisch lernte er erst in der Grundschule. Bereits seid den 80er Jahren sammelt Jerke Kunstwerke. Nachdem er sein Geographiestudium an der Jagiellonen Universität in Krakau absolviert hatte, zog es ihn nach Deutschland, wo er in Bonn Medizin studierte.

Der 2015 verstorbene polnische Künstler Wojciech Fangor hat für das Gebäude ein besonderes Glaskunst-Fenster entworfen. Es ist im Giebel des Gebäudes als Blickfang für die Ausstellung innen unter dem Dach und von außen zu bewundern.

Geöffnet: Fr 14-18 Uhr, Sa 11-15 Uhr. Führungen nach Vereinbarung auch zu anderen Zeiten.

Museum Jerke /Johannes-Janssen-Str. 7 / 45657 Recklinghausen

www.museumjerke.com

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