Münster entscheidet über Hindenburg

Westfalen – Am 16. September entscheiden Münsters Bürger, ob der Platz vor dem Schloss wieder den Namen bekommen soll, den er seit den 1920er Jahren hatte, oder ob die von CDU-Bürgermeister Leve und der Regenbogen-Koalition  im Stadtrat mit fragwürdigen Methoden durchgepeitschte Namensänderung in “Schlossplatz” Bestand haben soll. Hier nochmal der in der Frühlingsausgabe von Westfalium erschienene Artikel zum Thema:

Hindenburg-Portait von Max Liebermann: Als Reichpräsident hat von Hindenburg jahrelang für den Bestand der Weimarer Republik gearbeitet (Reproduktion: Bundesarchiv)

 

Hindenburg im Bräunungsstudio

Westfalen, 6.3.2012 – Politisch korrekte Sittenwächter in Münster wollen den Hindenburgplatz der Domstadt umbenennen, weil der greise Generalfeldmarschall der Machtübernahme Hitlers nicht entgegenwirkte. Das hat Hindenburg mit Kardinal von Galen gemeinsam.

Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe (CDU) hat viele Probleme: Nur mit Mühe kann die kommunale Pleite abgewendet werden. Das Verkehrsnetz erfordert mehrere große Eingriffe. Städtebauliche Umwälzungen im großen Maßstab liegen an.

Doch ganz oben auf Lewes Agenda steht ein anderes Projekt. Der Oberbürgermeister hat sich in den Hindenburgplatz verbissen. 1928 wurde der Platz vor Münsters Schloss, der bis dahin phantasielos „Neuplatz“ hieß, nach dem damaligen Präsidenten Paul von Hindenburg benannt. Seit 84 Jahren trägt der Platz Hindenburgs Namen, ohne dass es die Münsteraner gestört hätte.

Doch seit einigen Jahren widmen sich in ganz Deutschland hundertfünfzigprozentige Ideologen eifrig der Säuberung von Straßennamen. In vielen Städten werden „Ostpreußen-Viertel“ getilgt, Staatsdiener des Kaiserreiches entfernt und die politische Gesinnung von Künstlern durchleuchtet, nach denen hier und da ein Weg benannt ist.

Die Ideologen stammen meist aus dem Milieu der Hochschulen. Auch Lewe hat sich akademische „Experten“ bestellt. Und diese haben den alten Hindenburg erstmal ins Bräunungsstudio geschickt…

Hindenburg wurde 1925 als einziges deutsches Staatsoberhaupt direkt vom Volk gewählt. 1932 wurde er von SPD und der katholischen Zentrumspartei für eine neue Amtszeit nominiert. Hindenburg wehrte ab: Er sei zu alt. Doch der aus Münster stammende Reichskanzler Brüning erklärte ihm, dass wenn er sich weigere, es keinen aussichtsreichen bürgerlichen Kandidaten gäbe und dann vielleicht Hitler zum Präsidenten gewählt würde. So erklärte sich Hindenburg bereit – und gewann die Wahl.

Doch auch Hindenburg konnte dem Land keine politische Stabilität bringen. Während Kommunisten und Nationalsozialisten auf den Straßen randalierten, verloren sich die übrigen Parteien in Gezänk. Die Staatsstreichpläne der Intriganten Franz von Papen und General von Schleicher wies der Präsident als Verfassungsbruch ab. Da er eine neue Regierung einzusetzen hatte, blieb ihm kaum etwas anderes übrig, als Hitler zum Kanzler zu ernennen, weil dieser der einzige Kandidat war, der im Reichstag eine parlamentarische Mehrheit bilden konnte.

Die Unterschiede zwischen Hindenburg und Hitler hätten nicht größer sein können: Der Marschall und der Meldegänger; der Präsident und der Parteipolitiker; die konservative Respektsperson und der antibürgerliche Radikalinski; der Held von Tannenberg und der vulgäre Schreihals; der Monarchist und der Sozialist.

Die Nazipropaganda behandelte Hindenburg ambivalent: Wenn es dienlich war, glorifizierte sie ihn als Helden des Ersten Weltkrieges, ansonsten giftete Goebbels gegen den senilen Tattergreis, der endlich abtreten müsse. Hitler nannte Hindenburg nur den „Alten“. Mal machte er sich über die Hinfälligkeit des „Alten“ lustig; mal war er wütend über dessen Sturheit. In Hitlers Augen war Hindenburg mitnichten ein „Steigbügelhalter“, sondern das letzte Hindernis auf dem Weg zur Macht.

Der spätere Kardinal von Galen hatte in 1930er Jahren durchaus Sympathien für die Nazis – muss der Name des späteren Widerstandskämpfers jetzt auch von westfälischen Straßenschildern verschwinden? (Foto: Wikimedia)

Doch Lewe und seine Experten wollen Münsters Hindenburgplatz politisch korrekt desinfizieren. Als eine Art ritueller Reinigung.

Um wenigstens den Anschein einer demokratischen Entscheidung zu wahren, gibt Lewe viel Geld aus

dem städtischen Steuertopf aus. Eine große Infokampagne soll die Münsteraner über den Grad der Ansteckung Hindenburgs mit der braunen Pest belehren. 5.000 statistisch ermittelte Durchschnittsmünsteraner bekamen einen Fragebogen. Die Fragestellung: „Nach neueren quellengestützten Forschungsergebnissen ist der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg als Stütze des NS-Regimes anzusehen. Besteht heute noch ein Anlass, Hindenburg durch die Namensgebung für den größten Platz Münsters zu ehren?“ Mit anderen Worten: Wollen Sie etwa ein schlimmer Nazi sein und unbelehrbar an Hindenburg festhalten?

Hindenburg ist hier nur ein Stellvertreter. Es geht nicht um Hindenburg – es geht um alles, was nicht dem herrschenden Zeitgeist entspricht. Der nächste Delinquent könnte Bischof von Galen sein. Die Verehrung des „Löwen von Münster“, den die Nazis wegen seiner regimefeindlichen Predigten auf dem Domplatz öffentlich aufhängen wollten, ist vielen „Progressiven“ schon lange ein Dorn im Auge.

Längst haben interessierte Forscher Belastungsbeweise gesammelt. Etwa, dass Galen, wie der Vatikan, die Gefahr des Kommunismus lange größer einschätzte als Hitlers. Dass Galen aus diesem Grund Hitlers Krieg gegen Russland zunächst als Schlag gegen Stalin begrüßte. Dass er sich erst gegen das Regime wandte, als die Nazis Klöster beschlagnahmten, etc.. Nach Logik der Hindenburg-Demonteure wären das ausreichend, um die Straßenschilder am Kardinal-von-Galen-Ring abzuschrauben.

Der Anfangsverdacht ist bereits ermittelt. 2005 veröffentlichte Landschaftsverband Westfalen-Lippe den »kritischen« Film »Nicht Lob noch Furcht« des WDR-Lokaljournalisten Markus Schröder über eine NS-Nähe Galens. Und schon der Münsteraner Religionsphilosoph Josef Pieper stellte fest: „Was er vertrat, war das Bild einer patriarchalischen Herrschaftsordnung, worin Begriffe wie ,Klassenauseinandersetzung’ oder gar ,Sozialismus’ keinen Platz hatten.“ Wer kein Klassenkämpfer ist, steht also schon mit einem Bein im Führerbunker.

Und so könnten bald zahllose Namen im Stadtbild ins Visier der politisch korrekten Sittenwächter geraten: Vom Hohenzollernring zur Westfälischen Wilhelms-Universität; von der Danziger Freiheit bis zur Moltkestraße.

Was soll das bringen? Vor allem Selbstbefriedigung. Markus Lewe hofft auf mehr: Lewe ist Anhänger des Merkel-Kurses in der CDU, mit dem die Christdemokraten „urbane Milieus“ gewinnen wollen, also die klassischen Grünwähler. Dazu muss die CDU eben alles tun, um sich „modern“, „fortschrittlich“ und „weltoffen“ zu präsentieren. Die konservativen Stammwähler, so das Kalkül, werden ihrer CDU schon aus reiner Gewohnheit weiterhin treu bleiben. Ob diese Rechnung aufgeht?

Carsten Krystofiak

Comments

  1. Zodiac Mindwarp says

    Was der Autor und “Hobby-Historiker” Krystofiak hier von sich gibt ist – mit Verlaub – bestenfalls purer Blödsinn.

    Zu den historisch gesicherten Fakten:

    1. Hindenburg war nachweislich ein lupenreiner Militarist und Anti-Demokrat
    2. Hindenburg hat als Mitglied der OHL in den Kriegsjahren 1917/18 zusammen mit Ludendorff das damalige Deutsche Reich quasi dikatorisch regiert und die wenigen demokratischen Rechte, die es damals gab, suspendiert.
    3. Als Mitglied der OHL war Hindenburg mitveranwortlich für die militärische Niederlage Deutschlands im 1. Weltkrieg. Diese Verantwortung hat Hindenburg allerdings nie übernommen (standesgemäß für einen preußischen Offizier wäre dies der vollzogenene Suizid gewesen), sondern die Schuld an der Niederlage anderen in die Schuhe geschoben: die so genannte “Dolstoßlegende” nach deren Lesart den “im Felde unbesiegten” deutschen Armeen letztendlich die “Heimatfront” in den Rücken gefallen sei. Tatsache ist, dass der Krieg spätestens mit dem Scheitern des Schliefenplans für Deutschland nicht mehr zu gewinnen war. Was der deutschen Armeeführung bereits VOR Kriegsbeginn bekannt war. Es herrschte in der Armeeführung Einigkeit darüber, dass ein Zweifronten-Krieg NICHT zu gewinnen sei. Man hatte also alles auf eine Karte gesetzt und – VERLOREN!
    4. Hindenburg hatte durchaus die Möglichkeit eine andere Person als Adolf Hitler mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Die Verfassung von Weimar gab ihm diese Möglichkeiten.
    5. Hitler war kein “Sozialist”, ebenso wenig wie der “Nationalsozialismus” sozialsitisch war. Diesen “Etikettenschwindel” des deutschen Faschismus, der vor allem dazu diente Stimmen in der Arbeiterschaft zu “fischen”, für bare Münze zu nehmen, zeugt lediglich vom begrenzten historischen Wissen des Autors.

    Desweiteren kann ich Ihnen nur empfehlen, sich einmal mit den sonstigen publizistischen Aktivitäten “Ihres” Autors Carsten Krystofiak (alias Toni Roidl) zu beschäftigen. Ein wenig googlen hilft da weiter.

    Mit freundlichen Grüßen
    Ein ehemaliger münsteraner Bürger

  2. Hallo. Ich war einige Jahren in Münster. Im Nachhinein stelle ich fest: essentiell hat sich seit Jan van Leyden, Knipperdolling und Krechting bezüglich Bilderstürmerei wenig geändert: Das Theater um Hindenburg ist geradezu pervers.

    Nach meinen Beobachtungen scheint es in Deutschland Nord generell soetwas, wie eine diskrete Kulturrevolution zu geben. Gegen den Willen der Bevölkerung freilich. In NRW werden, nach Berichten des WDR Kriegerdenkmäler systematisch zerstört. Historische Namen werden gemäß einer Watch List successive eliminiert. Klar, was da abgeht. Man wird Ihr Land systematisch enthistorisieren. Geschichte ist ein kollektives Gedächtnis. Es zu manipulieren ist der Eigentliche Hintergrund um den Hindenburgstreit. Bald wird auch Herrmann, der Cherusker vom Sockel geholt.

    In Hamburg verfällt das Bismarck Denkmal, na dann viel Glück mit Ihrer Geschichte. Und Beileid für die extrem unterentwickelte Zivilcourage der Deutschen.

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