Galerie Schemm feiert ihr 125. Jubiläum

Die Galerie Schemm feiert ihr 125. Jubiläum: Wer in Münster Kunst liebt, kennt diese Adresse: Rothenburg 36. Ein Steinwurf vom Picasso-Museum, drei Minuten zum LWL-Museum für Kunst und Kultur, fünf zum Prinzipalmarkt. Kurz gesagt Mittendrin. Und doch: Wer hier eintritt, betritt eine andere Welt. Eine Welt, in der Bilder Geschichten erzählen, Skulpturen Raum erobern und Lichtobjekte uns fragen: „Bist du die Kunst?“

Galerie Schemm feiert ihr 125-jähriges Jubiläum

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Die Galerie Schemm feiert Geburtstag. Nicht irgendeinen. 125 Jahre. Die Galerie ist ein Familienunternehmen der besonderen Art, gegründet zu Kaisers Zeiten – und bis heute quicklebendig. Gefeiert wird mit einer reich bestückten Sommerausstellung ab 28. Juni. Die Galerie Schemm lädt zwischen 16.00 und 22.00 Uhr zur Vernissage.

Galerie Schemm feiert ihr 125-jähriges Jubiläum

Jörg Schemm mit der Künstlerin Billi Thanner – Foto Galerie Schemm

Die Geschichte der Familie klingt ein bisschen wie eine Münsteraner Stadtlegende, dabei ist sie wahr – keine Spökenkiekerei. Als Josef Schemm um 1900 mit seiner Frau von Arnsberg nach Münster zog, verkaufte er zunächst Rosenkränze nach dem Hochamt vor St. Lamberti. Bald kamen Gemälde und Kunst dazu, Rahmen, Papierwaren und Devotionalien. Die Bezeichnung Kunstgalerie war damals noch nicht aufgekommen. Sie hatten offenbar den richtigen Riecher: Drei Läden eröffneten die Schemms – plus einen eigenen Kartenverlag und sie überstanden die Wirren des Ersten Weltkrieges.

Galerie Schemm feiert ihr 125-jähriges Jubiläum

Erste Generation Schemm – Foto privat

Dann schlug das Leben zu. Es war wohl die Spanische Grippe, die dem Gründerpaar 1919 und 1922 das Leben kostete. Die Tochter Elisabeth hielt das Geschäft tapfer am Laufen, bis auch sie 1928 an Tuberkulose starb. Ein Drama, das für viele das Ende bedeutet hätte. Nicht aber für die Schemms.

Der Großvater von Jörg Schemm, Bernhard, übernahm das Unternehmen. Er war ein Freigeist, wie man hört. Die Familie galt als so unkonventionell, dass der Pastor von St. Martini ausdrücklich vor einer Hochzeit seiner Tochter mit diesem Bernhard Schemm warnte. Erfolglos. Thea ließ sich nicht beirren.

Zweite Generation – Foto privat

Der Krieg warf die Familie erneut aus der Bahn. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Münster in Trümmern – vor allem die Innenstadt war hart getroffen. Das Geschäft an der Ludgeristraße stand noch, doch war Platz knapp und das Geschäft nicht systemrelevant. Also teilte sich die Familie die verbliebenen Quadratmeter mit der Löwen-Apotheke – getrennt nur durch einen Vorhang, beheizt mit einem Kanonenofen. Für Heinz Josef Schemm, den Vater des heutigen Galeristen, war die zerbombte Innenstadt damals ein Abenteuerspielplatz.

Heinz Josef wurde Vergolder. Sein Meisterstück: die Galionsfigur der „Gorch Fock“, die man damals auf jedem Zehnmarkschein bestaunen konnte. Während seiner Lehrjahre in Essen hing er für eine Ausstellung Gemälde van Goghs in der Villa Hügel auf. Das lief damals ganz pragmatisch: Morgens erklärte man ihm und einem Kollegen, wo welches Bild hin sollte – dann wurden beide eingesperrt und erst zum Feierabend wieder freigelassen.

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In den 50er-Jahren kehrte Heinz Josef zurück nach Münster. Er baute das Geschäft weiter aus, machte mehr mit Bildern, mehr mit Grafik, mehr mit Kunst. Mutter Annegret half mit, vor und hinter den Kulissen. Sie baute zuhause Rahmen, was sie übrigens bis heute macht. Für die Kinder, Jörg und seinen Bruder, war der Laden immer ein Stück Zuhause. Sie durften sich in der Feinkosthandlung Hassenkamp nebenan etwas aussuchen und in die Kladde schreiben lassen. Bezahlt wurde erst am Monatsende.

Die Familie fuhr zusammen auf Messen. Urlaubsfahrten endeten oft vor Künstlerateliers, wo die Eltern Bilder einkauften, während die Kinder im Auto ausharrten. Kunst war immer dabei. Und irgendwie war immer klar: Irgendwann wird Jörg übernehmen.

Galerie Schemm feiert ihr 125-jähriges Jubiläum

Billi Thanner: Lichtobjekt, 2025

Nach einem Studium der Kulturwissenschaften und BWL in Münster, einem Auslandssemester in Los Angeles und einem Diplom in Köln kam Jörg Schemm 2004 zurück. Er übernahm die Galerie – und krempelte sie um. Seither gab es zeitgenössische Positionen, überraschende Neuentdeckungen, mehr Nähe zu den Künstlerinnen und Künstlern.

Jörg Schemm besuchte Ateliers, plante Ausstellungen, organisierte Performances. 2007 gab es im Rahmen der Nacht der Museen in Münster eine Live-Aktion mit Holzbildhauer Clemens Heinl vor der Ludgerikirche. „Mein erstes TV-Interview für den WDR“, erinnert sich Schemm.

Seit 2009 befindet sich die Galerie an der Rothenburg. Mit einem coolen Außenbereich für Skulpturen. Die zentrale Lage erweist sich als ein echtes Pfund. Die Galerie ist immer wieder ein Raum für Begegnung. Die Liste der Künstler, die hier seitdem gezeigt wurden, liest sich wie ein kleines Who’s Who der aktuellen Kunstszene.

Armin Weinbrenner: Kronkorken Amstel Bier, Holzschnitt, 2025

Ob Robbert Fortgens mit seinem „Space to Share“-Projekt im Landesmuseum, Carsten Sander mit seiner Porträtreihe „Deutschland – Deine Gesichter“ in der Dominikanerkirche oder Anna Maria Kubach-Wilmsen mit ihren steinernen Buchskulpturen – immer wieder setzt die Galerie Schemm Akzente, die über die Stadtgrenzen hinaus wirken. Und Besucher lieben es sich bei einem Stadtbummel in die Galerie treiben zu lassen, sich umzuschauen – und zumindest die ein oder andere Karte einzukaufen.

Und jetzt also das Jubiläum. 125 Jahre. Die Wände sind frisch gestrichen. Die Kunst leuchtet. Billi Thanner, bekannt durch ihre Himmelsleiter am Turm von St. Lamberti, zeigt ihr Lichtobjekt „Du bist die Kunst“ und zwanzig Malereien in Blockhängung. Armin Weinbrenner bringt erstmals frische Holzschnitte und zehn seiner verlorenen Drucke mit seinen beliebten Kronkorken. Sie erzählen von Genuss, von Vergänglichkeit, von Popkultur und Nostalgie. Dazu zeigt Jörg Schemm in seiner Sommerausstellung Arbeiten so erfolgreicher Künstler wie Danny Gretscher, Emess, Anja Nürnberg, Kubach-Wilmsen, Basilius Kleinhans, Eberhard Szejstecki, Susanne Kraißer, Puck Steinbrecher und Eliot the Super.

Wer die Galerie Schemm betritt, spürt: Hier geht es um mehr als nur um Verkauf. Hier geht es um Haltung. Um eine Liebe zur Kunst, die durch alle Krisen getragen hat – und vermutlich auch die nächsten Jahrzehnte überdauern wird.

„Eine Galerie ist wie ein Seismograph“, sagt Jörg Schemm. „Sie zeigt, was Künstler bewegt. Und was uns als Gesellschaft bewegt.“ Münster kann sich glücklich schätzen, dass es diesen Seismographen seit 125 Jahren gibt. Jörg Bockow

 

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