Kirchenordnung vom Kiepenkerl kommentiert

Die Kirchenordnung von Johannes Calvin hat großen Einfluß gehabt. Er gehört zu den einflussreichsten Reformatoren der frühen Neuzeit. Vielen gilt er als „Schüler“ von Martin Luther, obwohl sie sich nie persönlich begegnet sind.

Kirchenordnung vom Kiepenkerl kommentiert

Denkmal für den Reformator Johannes Calvin in Budapest – Foto Pixabay

Martin Luther hatte 1517 mit dem Anschlag seiner 95 Thesen gegen den Ablasshandel der katholischen Kirche den Stein der Reformation ins Rollen gebracht und deren frühe Phase dominiert.

Calvin nahm die Ideen des Mitreformators auf und erweiterte sie um eigene Denkimpulse. Zwischen Calvinisten und Lutheranern entwickelten sich zwei konfessionelle Grundströmungen.

Der Calvinismus verbreitete sich als Kirchenordnung von der Schweiz aus schnell in Frankreich, den Niederlanden, England und Schottland. Er gelangte über die Kolonialisten auch nach Amerika. In diesen Ländern wird der Calvinismus auch heute noch gelebt.

Kirchenordnung vom Kiepenkerl kommentiert

Denkmal für Martin Luther in Dresden – Foto Pixabay

Interessant ist, dass der Calvinismus als Kirchenordnung je nach Land unterschiedliche Namen bekam! In Frankreich nennen sich die Calvinisten Hugenotten, in England Puritaner. Die calvinistischen Kirchen in Schottland werden als presbyterianische Kirchen bezeichnet und in den USA gibt es die Southern Baptists (Puritaner aus England, die die Church of England ablehnten).

Heute ist der Calvinismus und seine Kirchenordnung eine der weltweit breitesten Strömungen des evangelischen Glaubens.

Zwischen Calvin und Luther gibt es viele Gemeinsamkeiten. Beide lehnen den Ablasshandel der katholischen Kirche ab, ebenso die Tradition der Heiligenverehrung und die Vorstellung, dass die Kirche als Lehrautorität zwischen Gott und den Menschen vermittelt.

Beide glaubten an eine Kirche, in der es keine Hierarchien zwischen den Gläubigen gibt – auch nicht zwischen Kirchengelehrten und Laien. Luthers und Calvins Theologie lassen sich in vier zentralen Grundsätzen des Protestantismus zusammenfassen:

  1. sola fide (allein durch den Glauben),
  2. sola gratia (allein durch die Gnade),
  3. sola scriptura (allein durch die Schrift) und
  4. solus christus (allein Jesus Christus).

Bei allen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch zentrale Unterschiede zwischen den Ideen und der Kirchenordnung von Calvin und Luther, die dazu führten, dass es heute keine einheitliche protestantische Kirche gibt, sondern eine lutherische und eine reformierte.

Die grundlegende Lehre des Calvinismus ist die sogenannte „Prädestinationslehre“. Sie wurde von Calvin selbst verfasst. „Prädestination“ bedeutet so viel wie „Vorherbestimmung“. Sie geht davon aus, dass die Zukunft eines Menschen feststeht und unveränderlich ist. Im Calvinismus gibt es zwei Wege, die für den Menschen von Gott vorbestimmt sind:

  1. Der Weg des Menschen in die Erlösung und das ewige Leben → Heil
  2. Der Weg des Menschen in ewige Verdammnis → Unheil

Das bedeutet, dass Gott von Anfang an festgelegt hat, welche Menschen gerettet werden und welche nicht. Der Mensch kann deshalb durch nichts beeinflussen, ob er verdammt oder erlöst wird.  Für Lutheraner steht die Prädestination in krassem Gegensatz zu zahlreichen Bibelstellen.

Die Verbreitung des Calvinismus als Kirchenordnung hatte weitreichende politische Folgen: In Frankreich kam es ab den 1560er Jahren zu den Hugenottenkriegen. 200.000 bis 300.000 Calvinisten flüchteten unter lebensbedrohlichen Umständen ins protestantische Ausland. Das Revokationsedikt von Fontainebleau und die daraus resultierende Emigration vieler Hugenotten bedeuteten eine Zäsur in der französischen Geschichte. Der Protestantismus wurde als Faktor des gesellschaftlichen und politischen Lebens in Frankreich für längere Zeit ausgeschaltet.

Vor allem aber im anglikanischen Raum und in Amerika gab der Calvinismus wichtige Impulse, beispielsweise bei der „Glorious Revolution“. In der „Glorreichen Revolution“ von 1688/1689 entschieden die Gegner des königlichen Absolutismus‘ den  seit Beginn des 17. Jahrhunderts geführten Machtkampf mit dem Stuartkönigtum zu ihren Gunsten. Mit der Durchsetzung der „Bill of Rights“ schufen sie die Grundlage für das heutige parlamentarische „Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland“. Seit der Revolution ist dort der König nicht mehr allein Träger der Staatssouveränität, sondern nur in Verbindung mit dem Parlament (King-in-parliament).

Entsprechend der religiös-geistigen Haltung der Kolonisten begründet die amerikanische Unabhängigkeitserklärung die Menschenrechte nicht philosophisch-naturrechtlich, sondern biblisch-theologisch. Der „Schöpfer“ verleiht den Menschen diese unveräußerlichen Rechte, zu denen unter anderem „Leben, Freiheit und das Streben nach Glück“ gehören. Die Unabhängigkeitserklärung, die amerikanische Verfassung und die „amerikanische Bill of Rights“ mit ihren elementaren Bürger- und Menschenrechten wurden Vorbild für viele andere Staaten in allen Teilen der Welt, z. B. Lateinamerika.

Calvins Vierteilung der Kirchenämter gilt als Vorbild für eine gewaltenteilige Staatsordnung und Kirchenordnung, die das gesamte öffentliche und private Leben bestimmte.

Dabei ist die Kirche dem Staat übergeordnet. Er richtete vier kirchliche Ämter ein:

  • Prediger für Predigt und Seelsorge,
  • Lehrer für den Unterricht,
  • Älteste für die Kirchenzucht,
  • Diakone für die Armenpflege.

Die Kirchenzucht überwachte sämtliche Aspekte des bürgerlichen und religiösen Lebens. Theater und Tanz, Karten- und Würfelspiele waren verboten. Auch die Kindererziehung wurde genauestens geregelt.

Calvin setzte sich mit seiner Kirchenordnung für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in den Städten ein. Sein Bemühen galt auch den Bildungseinrichtungen (Schulen, Hochschulen), dem Bau von Krankenhäusern und eines Abwassersystems. Neue Wirtschaftszweige sollten ebenfalls gefördert werden.

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