Mettingen: Die Kunst des Aufbewahrens

Westfalen – Die 2009 gegründete Draiflessen Collection beherbergt die familien- und unternehmensgeschichtliche Sammlung, eine Buch- und Grafiksammlung und das private Archiv der Familie Brenninkmeijer. Neben dem Bewahren, Konservieren und Inventarisieren hat sich das Archiv auch das Sammeln, Forschen, Vermitteln und Ausstellen zur Aufgabe gemacht. Ausgehend von dem hauseigenen Bestand folgt die Ausstellung dem Gedanken, dass das Archiv als kulturelle Erscheinungsform nicht nur ein Ort des Bewahrens, sondern zugleich auch ein Ort des Vergessens ist. Es verbirgt Geschichte(n) und bringt sie zugleich hervor.

Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebietes, Giebelseiten Fachwerk, 1959–1973

Bernd und Hilla Becher, Fachwerkhäuser des Siegener Industriegebietes. Giebelseiten Fachwerk, 1959–1973, Gelatinesilberabzug, Museum für Gegenwartskunst Siegen und Die Photographische Sammlung/SK Stiftung Kultur, Köln, erworben mit Mitteln der Kunststiftung NRW, © Max Becher, 2016

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich europaweit ein ausgeprägtes Interesse am Konservieren von Schriftdokumenten, das kein früheres Jahrhundert in der Form gezeigt hatte. Waren es bis weit in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein vor allem schriftliche Quellen, anhand derer Geschichte hergeleitet wurde, kamen mit Fotografie, Film und Grammophon neue Medientechnologien dazu, die die Geschehnisse und Zeitläufe für die Zukunft aufzeichnen ließen. Seitdem im 20. Jahrhundert Historiker und Vertreter anderer Disziplinen damit begannen, mit Quellen zu arbeiten, die bis dahin nicht in öffentlichen Staats- oder Landesarchiven aufbewahrt wurden, ist das, was Archive bewahren, reicher und vielfältiger geworden.

Kartei mit gesammelten, handschriftlichen Notizen, geordnet nach Schlagwörtern, aus dem Bestand Casser, (Kunst-)Leder, Papier, Karton, 1930er-Jahre, Foto: Roman März, © Draiflessen Collection, Mettingen

Kartei mit gesammelten, handschriftlichen Notizen, geordnet nach Schlagwörtern, aus dem Bestand Casser, (Kunst-)Leder, Papier, Karton, 1930er-Jahre, Foto: Roman März, © Draiflessen Collection, Mettingen

Als Ort der Geschichte verknüpft das Archiv Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Aber wie funktioniert das? Was wird in welcher Gestalt und unter welchen Bedingungen erhalten und was nicht? Welche Erinnerungen bleiben im kollektiven Gedächtnis präsent, welche geraten in Vergessenheit? Dazu kommen Fragen nach den Speicher- und Dokumentationsmöglichkeiten, nach der Haltbarkeit von Bild-, Schrift- und Tonträgern und den Veränderungen ihrer Wertigkeit durch diverse, sich speziell seit dem 19. Jahrhundert stetig modernisierenden Vervielfältigungsformen.

Hannah Höch, Sentenzen, undatiert, Konfektkarton, Zeitschriftenausschnitte, Berlin, Berlinische Galerie Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015, Foto: Kai-Annett Becker, © Berlinische Galerie Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin

Hannah Höch, Sentenzen, undatiert, Konfektkarton, Zeitschriftenausschnitte, Berlin, Berlinische Galerie Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015, Foto: Kai-Annett Becker, © Berlinische Galerie Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, Berlin

Die Ausstellung berührt diese Fragen, ohne jedoch erklärende Antworten geben zu können. Vielmehr möchte sie für derartige Kontexte sensibilisieren. Schlaglichtartig beleuchtet sie alltägliche Handgriffe und Arbeitsvorgänge, die mit dem Archiv in Verbindung stehen. Der Fokus liegt auf Themenbereichen, die den Stichworten Bewahren, Dokumentieren, Sammeln und Erkunden gewidmet sind. Die Bild-, Schrift- und Tonträger aus dem Archiv der Draiflessen Collection werden dabei in Dialog mit künstlerischen Positionen gesetzt. Gezeigt werden Arbeiten von Candida Höfer, Julian Rosefeldt, Arnold Dreyblatt, Gianfranco Baruchello, Hans-Peter Feldmann, Bernd und Hilla Becher, Hannah Höch und Kurt Schwitters sowie Mariana Castillo Deball.

Album Die besten Wünsche zur Eröffnung, 1957 anlässlich der Eröffnung des C&A-Geschäftshauses Bielefeld begonnen und bis 1982 fortgeführt, (Kunst-)Leder, Papier, Karton, 1957–1982, Foto: Roman März, © Draiflessen Collection, Mettingen

Album Die besten Wünsche zur Eröffnung, 1957 anlässlich der Eröffnung des C&A-Geschäftshauses Bielefeld begonnen und bis 1982 fortgeführt, (Kunst-)Leder, Papier, Karton, 1957–1982, Foto: Roman März, © Draiflessen Collection, Mettingen

Unterstützt durch filmische und digitale Medien lädt die Ausstellung so zu ästhetischen Erfahrungen ein, die das Archiv als moderne und innovative Ausdrucksform, als Grenzgänger zwischen Verwaltung und Kunst begreifbar machen sollen. Ein reichbebilderter Katalog, der in jeweils einer deutschen sowie englischen und niederländischen Ausgabe erscheinen wird, vertieft und ergänzt die einzelnen Themenbereiche.

Draiflessen Collection GbR / Georgstraße 18  / 49497 Mettingen
Telefon  05452 – 91680
www.draiflessen.com

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