Bei der Steuererhebung verhalten sich der Deutsche Staat und namhafte internationale Konzerne wie Hase und Igel. Die Konzerne sparen Steuern in Milliardenhöhe und der Staat hat das Nachsehen. Mehrere Medien enthüllten jüngst, dass namhafte Unternehmensberatungen dazu komplizierte Steuersparmodelle entwickelt haben. Diese ermöglichen es Steuerflüchtlingen, auf ihre in Deutschland erwirtschafteten Gewinne in Luxemburg weniger als ein Prozent an Steuern zu zahlen. Deswegen ist der ehemalige Regierungschef des Zwergstaats als Präsident der EU-Kommission unter Druck geraten. Parlamentsvizechef Alexander Graf Lambsdorff brachte es auf den Punkt: „Mit Jean-Claude Juncker ist in Sachen Steuervermeidung in der EU offenbar der Bock zum Gärtner gemacht worden.“ Unabhängig davon leitete die EU-Kommission schon in einigen Fällen ein Verfahren wegen Gewährung illegaler Beihilfen ein.
Was für Produkte „Made in Germany“ bereits seit Jahrzehnten nicht mehr möglich ist, wird über Zinsen und Lizenzgebühren munter weiterpraktiziert. Bekannte Namen wie Pepsi, FedEx, Procter & Gamble, Fiat-Chrysler und IKEA profitieren ebenso wie die Dax-Konzerne Deutsche Bank, E.ON und Fresenius Medical von den Luxemburger Steuersparmodellen. Google, eBay, Apple, Heinz, Microsoft und Starbucks unter anderem nutzen Irland, England, Belgien oder die Niederlande als Steueroasen. Höchste Zeit, dass Steuerflüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern, wie Deutschland, kein Steuerasyl mehr erhalten, denn der Frontalangriff auf den deutschen Staat erfolgt nur aus eigennützigen Gründen der Nehmerstaaten. Die unheilige Allianz ignoriert die ökonomischen Realitäten, denn der Beihilfe zur aktiven Steuerflucht liegt keine fiskalische Logik zugrunde.
Für Zinsen auf privates Auslandsvermögen wurden die Steueroasen inzwischen weitgehend ausgetrocknet. Doch nach wie vor „waschen“ Unternehmen ihre Gewinne über Briefkastenfirmen weitgehend steuerfrei im Ausland. Bei den erzielten Windfall Profits handelt es sich um zusätzliche Erträge, die nicht im operativen Geschäft erwirtschaftet werden, sondern durch trickreiche Steuervermeidungsmodelle entstehen. Anschließend landen die nicht auf Leistung beruhenden Erträge als unversteuerte Gewinnausschüttungen oder Vermögenszuwächse in den Flüchtlingsbilanzen.
Der Steuerexperte Prof. Dr. Lorenz Jarass erläutert die Tricksereien an einem Beispiel: „IKEA hat nur 0,2 Prozent Eigenkapital und 98,8 Prozent Fremdkapital. So ein Unternehmen habe ich bei meinen Untersuchungen noch nie gesehen. IKEA leiht sich Geld vom eigenen Konzernkreis im Ausland. Die Schuldzinsen kann IKEA in Deutschland steuermindernd geltend machen und spart dadurch 30 Millionen Euro im Jahr.“ 30 Millionen Euro, so der Experte, die dem deutschen Staat fehlen. Dagegen muss ein mittelständischer Händler seine Investitionen und Warenbestände mit Eigenkapital finanzieren, denn Bankkredite sind für ihn fast nicht zu bekommen und Steuertricks kaum möglich.
Der Firma Amazon reicht zur Steuervermeidung die Fakturierung von innerdeutschen Lieferungen in Luxemburg. Wer hierzulande ein Buch oder einen Rasenmäher bei Amazon kauft, bekommt seine Ware aus einem deutschen Lager. Im Paket liegt aber eine Rechnung aus dem Zwergstaat — von der Amazon EU Sàrl. Dort landen die Gewinne aus Deutschland. Doch dann verschwinden sie per Überweisung an die Amazon Europe Holding Technologies SCS in Luxemburg. Diese hat die Rechtsform einer geschlossenen Kommanditgesellschaft und muss ihre Gewinne kaum versteuern. SCS ist eine reine Unternehmenshülle ohne eigene Mitarbeiter.
Die Freifahrtscheine zur Steuerflucht bilden die Basis einer Win-win-Situation. Der Luxemburger Fiskus erzielt Einnahmen, die er sonst nicht haben würde. Im Gegenzug zahlen die multinationalen Sparfüchse nur minimale Steuern und erlangen darüber hinaus noch unfaire Wettbewerbsvorteile. Die Akteure stört es nicht, dass die Deals zu Lasten eines Dritten erfolgen und die europäische Idee konterkarieren.
Die Staats-Parasiten nutzen ganz selbstverständlich die deutsche Infrastruktur. Sie schätzen auch die Vorzüge der funktionierenden Verwaltung von Bund und Ländern. Zusätzlich erwarten sie von den Kommunen die Bereitstellung der erforderlichen Strom- und Wasseranschlüsse an ihren Betriebsstätten. Sie halten es für selbstverständlich, dass die Wirtschaftsförderer bei der Grundstücksbeschaffung an neuen Standorten behilflich sind. Und sie bedienen sich des verlässlichen Rechtssystems in der Erwartung, dass andere Firmen und die Bürger die zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben notwendigen Mittel über Steuern aufbringen. Durch die Weigerung, sich an den angeblichen Eh-da-Kosten zu beteiligen, steigern die Steuer-Heuschrecken ihre Gewinne und verhindern, dass der Sozialstaat seine Aufgaben erfüllen kann.
Bei der Gewerbesteuer hat der Staat bereits seit Jahren dafür gesorgt, dass die Kommunen, in denen Betriebsstätten unterhalten werden, nicht leer ausgehen. Diese Regelung war ohne internationale Vereinbarungen möglich. Deshalb ist unverständlich, dass für die Körperschaftsteuer vom Bundestag nicht vergleichbare Vorschriften erlassen werden. Eine Gewinnzerlegung nach den Lohnsummen der Betriebsstätten würde dafür sorgen, dass Deutschland den gebührenden Steueranteil erhält und die Niedrigsteuerländer in die Röhre schauen, weil dort praktisch niemand beschäftigt ist.
Mal abwarten, ob die Beschlüsse des G20-Gipfels in Brisbane tatsächlich dazu führen, dass Gewinne künftig dort besteuert werden, wo sie entstehen. Wahrscheinlich ist, dass Länder mit Steueroasen in Brüssel versuchen, die Umsetzung der Übereinkunft zu verzögern, zu verwässern oder gar zu verhindern.
Die Westfalen AG in Münster ist ein gutes Beispiel dafür, dass internationale Steuertricks überflüssig sind und planmäßiges Unternehmenswachstum legal aus Steuermitteln finanziert werden kann. Gemäß dem Grundsatz „Eigentum verpflichtet“ hat sich das erfolgreiche Familienunternehmen dem deutschen Steuersystem nicht entzogen. In meinem aufschlussreichen Buch „Genutzte Chancen – Die 85-jährige Erfolgsgeschichte der Westfalen AG“ beschreibe ich in humorvoller Weise die Entwicklung des besonders erfolgreichen Unternehmens. Dabei erfährt der Leser auch etwas über die Hintergründe von strategischen Entscheidungen, die zum richtigen Zeitpunkt getroffen wurden. Die legale Nutzung steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten erfolgte und erfolgt bei der Westfalen AG stets auf der Basis der aktuellen Gesetzeslage. Die beschriebenen Beispiele sind also keine Rezepte für zukünftige Steuersparmöglichkeiten. Dazu müssen die Steuerschlupflöcher in den jeweils geltenden Steuergesetzen gefunden und genutzt werden.
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