Der Kiepenkerl bloggt: Biogener Steinfraß

Der St.-Paulus-Dom in Münster erstrahlt nach 15-monatiger Totalrenovierung wieder in altem Glanz. Das ist auch ein Verdienst des Münsteraner Mineralogen Prof. Dr. Rochus Blaschke. Er hat 1985 an der historischen Fassade von St. Lamberti in Münster erstmalig den biogenen Steinfraß, griechisch „Petrophaga lambertii“ (petros = Stein, Fels; phago = fressen), nachgewiesen.

Foto: SNAPSHOT VON PSYCHREMBEL

Zur Fixierung der Gesteinsproben für den Transport nutzte Blaschke schmelzflüssigen Stickstoff von circa minus 215 Grad Celsius. Dazu musste Stickstoff von minus 196 Grad Celsius in einem speziellen Gefäß bei Unterdruck transportiert werden. Die besonders niedrige Temperatur verhinderte die Bildung eines gasförmigen Stickstoff-Polsters. Sonst wären an dem biogenen Bewuchs (Petrophyten) des Sandsteins Kälteschäden durch Eiskristallanreicherung und anschließende Eisporenbildung entstanden, die die Laborwerte verfälscht hätten.

Unter dem Mikroskop lieferten die Proben revolutionäre Erkenntnisse über die Entstehung des Lapis niger (lat. ,schwarzer Stein’), denn Blaschke konnte den Angriff des Petrophaga lambertii auf die Oberfläche des kalkhaltigen „Baumberger Sandsteins“ aus zwei Richtungen nachweisen:

  • Von außen waren die Mauern dicht mit Bakterien, Pilzen, Algen und Flechten besiedelt, die durch Säureausscheidungen die benötigten Mineralstoffe aus dem Untergrund herauslösen und zur besseren Verdauung Schwefeldioxid (SO2) aus der Umgebungsluft aufnehmen.
  • Von innen steigt verdünnte Sulfatlösung im Gestein auf und verbindet sich mit dem biogenen Bewuchs zu einer undurchlässigen Gipsschicht. Die fehlende Belüftung verhindert eine Austrocknung der darunter liegenden Fassade, so dass es an der Fassade im Winter durch die gefrierende innere Feuchtigkeit zu kleineren oder größeren Frostabsprengungen kommt. Die Wehrkraftzersetzung des Sandsteins ist nur zu verhindern, wenn die radikalen Elemente rechtzeitig von der Fassade entfernt werden.

Wie aus Kreisen gut unterrichteter Denkmalschützer zu erfahren ist, lassen sich keine entwicklungsgeschichtlichen Gemeinsamkeiten zwischen dem biogenen Steinfraß und der von Loriot erstmalig beschriebenen Steinlaus (Petrophaga lorioti) nachweisen.

Der Pschyrembel, der Brockhaus aller Heiler, sieht in dieser Frage noch Klärungsbedarf bei den human-pathogenen Vertretern der Gattungen Nieren-Steinlaus (Petrophaga nephrotica), Gallen-Steinlaus (Petrophaga cholerica) oder Blasen-Steinlaus (Petrophaga vesicae).

 

 

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