Ben Patterson – MO Kunstpreis 2015

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Dortmund – Dem Fluxus-Pionier Ben Patterson ist die aktuelle Schaufenster-Ausstellung des Museums Ostwall (MO) im Kulturzentrum Dortmunder U gewidmet. Bis zum zum 31. Januar 2016 zeigt das Museum Arbeiten von Patterson, dem zweiten Preisträger des MO Kunstpreises. Der MO Kunstpreis wird seit 2014 jährlich vergeben und ist aus der Kulturstadt Dortmund und ihrer Museumslandschaft nicht mehr wegzudenken. Mit ihm werden Künstlerinnen und Künstler geehrt, die in ihren Werken und Ideen die Bewegung von Dada, Fluxus und  Konzeptkunst aufgreifen und lebendig halten.

Ben Patterson: “Two for violins” – Patterson, after “One for violins” - Paik, 1991 - Foto: Courtesy Galerie Schüppenhauer, Köln

Ben Patterson: “Two for violins” – Patterson, after “One for violins” – Paik, 1991 – Foto: Courtesy Galerie Schüppenhauer, Köln

Ben Patterson, 1934 in Pittsburgh, USA, geboren, studierte bis 1956 Musik mit den Schwerpunkten Komposition, Dirigat und Kontrabass an der Universität in Michigan. Damit ist er einer der wenigen ausgebildeten Musiker im Kreis der Fluxus-Künstlerinnen und Künstler. 1960 experimentierte Patterson erstmals mit elektronischer Musik; im selben Jahr lernte er in Köln u.a. Nam June Paik und John Cage und somit die zu jener Zeit progressivsten Musik-Künstler in Deutschland kennen.

Zusammen mit George Maciunas organisierte Patterson 1962 die „Internationalen Festspiele Neuester Musik“ in Wiesbaden, die als erste Fluxus-Veranstaltung in Deutschland angesehen wird.

Die Werke Ben Pattersons, die hier zu sehen sind, bezeugen die enge Verbindung von bildender Kunst, Musik und Performance innerhalb der Fluxus-Bewegung. Im Zentrum der Ausstellung steht seine Arbeit “Two for violins“ – Patterson, after “One for violins” – Paik, aus dem Jahr 1991. Patterson arrangierte die Überreste einer Performance, zwei  zerbrochene Geigen und zwei Spieluhren auf Holz zu einer Assemblage. Mit seiner Performance wiederholt er Nam June Paiks berühmte Performance One for Violin, bei der dieser im Zeitlupentempo eine Geige über seinen Kopf erhob, um sie dann mit einem Schlag auf dem vor ihm stehenden Tisch zu zerschmettern. Ben Patterson interpretierte die Performance seines Fluxus-Freundes, die Sie in einer Tonaufnahme hier in der Ausstellung hören können, mehrfach neu. So ist auf den Schwarz-Weiß-Fotografien von Wolfgang Träger zu sehen, wie Patterson 1992 in Wien eine Geige mit einem gezielten  Schlag auf den – mit einem Topf behelmten – Kopf eines Mannes zerstört.

Pattersons Interesse musikalische Grenzen und Spielarten in Performances bzw. Handlungsanweisungen auszuloten, zeigt sich ebenfalls in seiner „Feathered Fantasy“ for solo voice and small ensemble, part I & II oder der Variation für Kontrabass und Orchester. Dort hat Patterson ein hölzernes Hasenquintett auf einem Wiesbaden-Teller drapiert; dass die bereitliegenden Essstäbchen dazu dienen sollen, einen oder mehreren der musizierenden Hasen zu entfernen – und damit Variationen in der Spielweise des dahinter montierten Notenblattes zu erzeugen – scheint naheliegend…

Andere Objekte offenbaren die Vorliebe Ben Pattersons, gewöhnliche Objekte durch die Transformation zu Kunst zu etwas Außergewöhnlichem zu machen. Einen alten Schrubber und ein Vogelhäuschen montiert er zu einem Fluxus Cello; seine A Simple History Of 20th Century Art – zusammengesetzt aus Plastikbuchstaben und einer Collage verschiedener Alltagsmaterialien – würdigt auf humorvolle Weise die in ihren Disziplinen revolutionären Künstler der Avantgarde wie John Cage, Marcel Duchamp oder Nam June Paik und betont ebenfalls die wegweisende Rolle des Fluxus in der Kunstgeschichte.

Auch seine mehrteilige Collagearbeit Trains of Thought – Gedanken-Züge – beinhaltet allerlei Alltägliches, das in Holzkästen und auf Platten montiert wurde. Wie aneinandergereihte Zug-Waggons hängen diese untereinander; auch die Bahnstrecken-Schilder auf der jeweils obersten Platte verstärken diese Assoziation.

Bemerkenswerterweise benutzt Patterson nur Schilder aus Zügen, die nach berühmten Komponisten benannt wurden – Bach, Mozart oder Beethoven – und verweist somit auf seine klassisch-musikalische Ausbildung. Die Busking-Assemblagen von 2011 stellen die aktuellsten Arbeiten Pattersons in dieser Ausstellung dar. Angeregt von einem Zeitungsartikel, der von einer Rentnerin berichtet, die sich aufgrund ihrer zu niedrigen Rente als Prostituierte Geld dazuverdient, schlägt Patterson in diesen Collagen diverse Tätigkeiten vor, die man tun könne, „wenn die Rente nicht reicht“, z.B. Schlangen beschwören, Violine spielen oder Geschichten erzählen. Auch hier erschafft er mit äußert profanen Dingen aus unserem Alltag – Stofftieren, Spielzeuginstrumenten, Plastikfiguren – und pointierten Texten, teils satirische, teils humorvolle Werke, die seine Tipps für Beschäftigungen als Senior facettenreich illustrieren.

Das gesamte Oeuvre Pattersons, das durch Performances, Assemblagen, Collagen, Notationen und Aktionen viele Formen annimmt, macht deutlich: Hinter der Fassade oftmals simpler oder kitschiger Materialien verbergen sich feinsinnige und wohlüberlegte Bedeutungsschichten, die Ben Patterson dem Publikum am liebsten mit Humor vermittelte.

www.dortmunder-u.de

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