Westfalen – Filigran sind sie und rätselhaft, gleichzeitig ziehen sie den Blick an und bilden Anstöße an die Fantasie. Bis zum 24. März zeigt der Kunstverein Lippstadt unter dem Titel “unplugged” Arbeiten der aus Saerbeck stammenden Künstlerin Kristina Berning. Sie ist Förderpreisträgerin der GWK-Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit aus dem Jahr 2011.
In Lippstadt zeigt Kristina Berning Skulpturen von sinnlicher Fragilität und überraschender Präzision des Unvorhersehbaren. Der Begriff “unplugged” bezeichnet eine Musik, die ohne elektrische Verstärkung auskommt. Ebenso verhalten, authentisch und intensiv wirken Kristina Bernings labile und zugleich äußerst präzise Skulpturen.
Die Ausstellung wird durch die GWK-Gesellschaft für Westfälische Kulturarbeit gefördert, die auch einen Katalog herausgegeben hat.
Unter dem Titel “Die Vitalität des Alltäglichen” schreibt Melanie Bono über die Künstlerin: “Kristina Bernings künstlerisches Schaffen nimmt seinen Ausgangspunkt im Material. Ihre zumeist skulpturalen Werke sind oftmals Konstruktionen, die sie aus “Alltagsmaterialien, die einen rohen, unbehandelten Charakter aufweisen” (Kristina Berning), zusammenstellt. Die oft zufällig gefundenen oder besser: entdeckten Materialien haben sich in den meisten Fällen ihrer Alltagshaftigkeit bereits stark entledigt. Spürbar ist meist nur noch die Atmosphäre des Übriggebliebenen, die “Entsorgtheit”, während sich die direkte Lesbarkeit der Spuren ehemaliger Funktionen oder Nutzungen schon längst verflüchtig hat.
Die Materialien wirken wie Artefakte einer zeitgenössischen Alltagsarchäologie, deren ursprünglicher Kontext ausschließlich durch die Entschlüsselung elementarster Signale von Material, Form und Farbe herzustellen ist, während ihr tatsächlicher Sinnzusammenhang in der sich selbst beschleunigenden Flut banaler Alltagsgegenstände unrekonstruierbar bleibt. Aber die gefühlte Zugehörigkeit zur Welt der funktionellen Waren bleibt. Solche Eigenschaften in Form von rückverwandelten “Rohstoffen” sucht Kristina Berning, da sie in ihrer Kunst einen besonderen Stellenwert einnehmen. Sie beschreibt diesen Auswahlprozess als assoziativ und intuitiv: “Мeine Arbeit startet außerhalb des Ateliers. Alles, was ein verbindendes Gefühl hervorruft, wird dokumentiert oder mitgenommen. Ich denke, dass alles, was ich in mir trage, versucht, seine Entsprechung im Außen zu finden. Wenn ich mich mit etwas verbunden fühle, dann muss es etwas mit mir zu tun haben. Oft ist das wie das Wiedersehen eines alten Freundes. Dabei sind das Material und meine Forschung nicht einer Idee untergeordnet, sie erzeugen die Idee.” (…)
Wirken die Skulpturen auf den ersten Blick auch eher spontan oder zufällig: bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es Kristina Berning um eine definierte Formgebung und um Konstruktion geht. Viele Skulpturen nehmen einen figürlichen Charakter an oder haben modellhaft geometrische Züge. In einer architektonischen Sprache werden verschiedene Volumina und Materialien zusammengestellt. Lineare Konstruktionen, kompakte Volumen, abstrahierte Strukturen, organische Formationen, Eigenschaften der Materialien fügen sich logisch in eine Ordnung ein. Die physischen Strukturen gehen aus der Charakteristik der Materialien hervor. Backstein ist stabiles Fundament, Draht ist eine weiche, feine Linie im Raum, Holz stützt die Konstruktion. Grundlage künstlerischen Handelns ist für Kristina Berning die Determiniertheit des Ausgangsmaterials: Ihre Kunst entsteht in einem Prozess, der die Erkenntnis und das Verstehen der im Material eingeschriebenen Möglichkeiten zum Ausdruck bringt und der damit dem abgelegten, von jeder Funktion gelösten und daher undefinierten Gegenstand zu einer neuen Lebendigkeit nach eigenem Recht verhilft.”
Kunstverein Lippstadt / Am Speelbrink 8 / 59555 Lippstadt Telefon 02941 – 78713 www.kunstverein-lippstadt.de
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