Outsiderkunst aus Italien

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Westfalen – Vom 2. September bis zum 21. Oktober 2012 zeigt das Kunsthaus Kannen in Münster “Outsider Art aus Italien”: 70 renommierte Werke aus dem florentinischen Atelier “La Tinaia”´, aus der Sammlung Susi Brunner in Zürich / Schweiz und 20 Werke von sizilianischer Künstlerin Maria Concetta Cassarà aus der Galerie Rizomi in Torino in Italien.

Maria Concetta Cassara – Foto: Kunsthaus Kannen

“La Tinaia” ist das bekannteste Atelier für Außenseiterkünstler in Italien. Im toskanischen Sprachgebrauch ist “La Tinaia” die Bezeichnung für ein Kellergebäude, in dem Fässer und andere landwirtschaftliche Geräte aufbewahrt werden. Das Atelier befindet sich im Gebäude, in dem früher ein Landschaftsunternehmen sich befand.

Die Geschichte des Ateliers ist mit einer alten Psychiatrischen Klinik V. Chiarugi in Florenz verbunden. Schon seit 1959 bot diese Klinik in einigen Stationen Aktivität von expressiver Therapie durch Malen und Zeichnen. Im Laufe der Zeit wurde diese Richtung stärker und selbständiger geworden, wenn die Bewachungsstruktur in der Psychiatrie durch die Struktur der Rehabilitation abgelöst wurde. Seit 1975 funktioniert in “La Tinaia” Nicht nur Mal‐, sondern auch Keramikatelier, die bieten ein breites Spektrum an rehabilitativen Möglichkeiten. Das Atelier ist nicht nur durch die hohe Qualität der von ihm entstandenen Werke, sondern auch durch seine entspannende und heimische Atmosphäre bekannt, die Kommunikation zwischen den Patienten und Patienten und Mitarbeiter erleichtert.

Claudio Ulivieri – Foto: Kunsthaus Kannen

Die Werke aus “La Tinaia” findet man heute in den besten öffentlichen und privaten Sammlungen der Art Brut, wie z. B. La Collection de L´Art Brut, Lausanne (CH); La Fabuloserie, Dicy (FR); Musée d´Art Modern Lille, Villeneuve‐d’Ascq (FR) ; IMMA Irish Museum of Moder Art, Dublin (IR) ; Art en Marge, Bruxelles (BE) ; Mad Musée, Liege(BE); Museum Charlotte Zander, Schloss Bönningheim (DE); Sammlung Susi Brunner, Zürich (CH).

Susi Brunner ist in der Schweiz seit Jahren die wichtigste Kennerin und Ausstellerin von Art Brut, Naiven und Bauernmalern. Ihre Galerie spezialisiert sich auf Art Brut seit 1973. Susi Brunner Sammlung in Zürich umfasst Outsider Kunst aus Italien, Österreich, Frankreich, Schweiz und Amerika und gehört zu den bedeutendsten Sammlungen Art Brut in Europa.

70 Werke von ” La Tinaia”, die in der Ausstellung zu bewundert sind, bauen einen wichtigen Bestandteil der Sammlung. Die Bilder und Kataloge sind käuflich zu verwerben.

Die Künstler: Vittorio Carlesi (1930 – †1996) wurde in Florenz (Italien) geboren. Seit 1982 besuchte er regelmäßig die Künstlerwerkstatt „La Tinaia“ und arbeitete dort bis zu seinem Tod. Victor experimentierte mit der Malerei auf Stoff mit Acryl und zeichnete mit dem Filzstift auf Papier. Seine Werke erinnern an die Idee des Puzzles, in denen sind Vergangenheit und die jüngsten Erinnerungen, Menschen und Dinge zusammen dargestellt.

Margherita Cinque wurde 1942 in Florenz (Italien) geboren. Im Alter 15 wurde hospitalisiert. Seit 1980 besucht sie regelmäßig „La Tinaia“. Margherita Cinque ist vielleicht die am besten wiederzuerkennende Künstlerin im Atelier. Ihre Werke sind am meisten mit Kreide oder Wachsmalstift auf Papier gemacht und stellen bekannte alltägliche Objekte, wie z. B. Blumen und Fruchte oder Autos und Häuser dar. Die sanften fließenden Linien rutschen und drehen sich, die Objekte sind unkompliziert und ruhig: man findet in den Bildern von Cinque nur wenige scharfe Ecken und Striche. Die Farben sind hell, aber nicht aggressiv.

Giovanni Galli – Foto: Kunsthaus Kannen

Giovanni Galli wurde 1954 in Florenz (Italien) geboren. Seit 1993 lebt er in der Klinik und besucht die Künstlerwerkstatt “La Tinaia”. Für die Bilder von Giovanni Galli, besonders für seine weiblichen Darstellungen, ist eine übermäßige und karikaturistische Sinnlichkeit charakterisiert. Er pflegt seine weiblichen Figuren innerhalb großer Panoramen darzustellen, in denen Raketenwaffen, Reaktoren und Raumschiffe, fast immer in der Form eines Phallus, zu sehen sind. Anstatt seine Zeichnungen mit Ironie oder Lächerlichkeit zu kennzeichnen, positioniert er sie jenseits von unseren Verlegenheiten und ununterdrückbaren Unsicherheiten hinsichtlich des Themas über Körper und Geschlecht.

Giordano Gelli wurde 1928 in Prato (Italien) geboren. Wegen den traumatischen Kriegserlebnissen wurde er 1970 in einer psychiatrischen Klinik aufgenommen. Gelli besuchte “La Tinaia” ab 1976 bis 1993. Lebt in Prato. Seine Werke sind sehr mächtig und bestimmt: wenige Farben und wenige Gesten; jene runden Zeichen, die auf fast sichtbar drehende Weise die Form eines Medaillons konstruieren. Die Farbe hallt er in den bestehenden und vibrierenden Grundierungen wie von
Blechplatten wieder. Giordano Gelli malt nicht mehr.

Umberto Gervasi wurde 1939 in Catania (Sizilien) geboren. Mit 28 Jahren ist er in die Lombardei gezogen, wo er heute noch lebt und arbeitet. Als er 50 war, fing er an Skulpturen zu machen. Im Sommer arbeitet er in seinem unbeheizten Atelier außerhalb von Milano, ansonsten arbeitet er künstlerisch täglich zu Hause.

Nicola Giannini wurde 1958 in Florenz (Italien) geboren. Jetzt lebt er in der Toskana. Der Künstler malt seit er 11 Jahre ist und zeichnet seit er 6 ist. Er arbeitet täglich mit einem mühevollen Kraftaufwand und versucht mit einer Gier die Farben der großen Meister und der Umwelt einzufangen. Nicola Giannini besucht sehr gern Ausstellungen und Künstler in ihren Ateliers. Die drei wichtige für ihm Problematiken: die Freude, der Schmerz und die Angst findet man in seinen Bilder. Seit 1998 verarbeitet er Material wie Gemüsekisten, Bretter, Plastik und interessante Fundstücke aus dem Wald zu dreidimensionalen Objekten.

Massimo Modisti wurde 1953 in Florenz (Italien) geboren und besuchte seit 1990 die Künstlerwerkstatt „La Tinaia“. Lebt in San Salvi. In den Bilder von Massimo Modisti trifft den Betrachter ein bekannten Motiv – der Kopffüßler. Solche Art der Darstellung, wenn die Beine und Arme direkt an den Kopf angehängt werden, ist für die Kinder typisch. Aber der Künstler lässt in Wirklichkeit nicht den Rumpf bei Seite, sondern kondensiert er Ihn in der globalen Form, die vom Kopf her abgetrennte Farbenentwicklung bildet.

Giuseppina Pastore (1940 – †2000) wurde in Florenz (Italien) geboren. Nach dem Abitur studierte sie Physik, Mathematik und politische Wissenschaften. Von 1970 an lebte sie in einer psychiatrischen Klinik in der Nähe von Florenz und arbeitete ab 1983 in „La Tinaia“. Die Werke von Giuseppina Pastore sind von Rahmen und Fächern, Schraffierungen und chromatischen Feldern strukturiert und enthalten die Symbole: Kreise, Herzen, Sterne. In ihren Gemälden findet man alles: Zahlen und Blut, Poesie und gesellschaftliche Anklage, Religion und Gotteslästerung.

Marco Raugei (1958 – †2003) wurde in Florenz (Italien) geboren. Brauchte schon seit der Kinderzeit psychiatrische Behandlung. Seit 1986 arbeitete er regelmäßig in der Künstlerwerkstatt „La Tinaia“. Die Zeichnungen von Marco Raugei sind aus kleinen alltäglichen Gegenständen zusammengefasst, die durch Wiederholung eine Art des Ordnungssystems der Realität bauen.

Claudio Ulivieri wurde 1947 in San Gimignano (Italien) geboren. Seit 1981 arbeitet er regelmäßig in der Künstlerwerkstatt “La Tinaia”. Die Werke von Claudio Ulivieri sind raffiniert und elegant. Sie zeigen in der Art Brut häufig vertretender horror vacui ‐ Phänomen, wenn die Oberfläche des Gemäldes als Herausforderung verstanden wird, komplett mit Zeichen und Farben bedeckt zu werden. Die Grundierung der bizarren Zeichnungen ist rhythmische Art und Weise benetzt und scheint sich wie ein Teppich, der t aus Sterne und Planeten, aus Strichen und Punkten besteht.

Neben den Werken aus “La Tinaia” werden im Rahmen der Ausstellung auch die farbreiche Bilder von Maria Concetta Cassarà aus der RIZOMI Galerie gezeigt. Die Künstlerin wurde 1932 in Mirto (Sizilien) geboren und lebt jetzt in Bologna in Norditalien. Sie beobachtete Ihre Enkelin bei malen und begann selbst mit sechzig Jahren. Seitdem arbeitet sie mit Pinsel und Farbe regelmäßig und mit einer großen Leidenschaft. Am meisten malt sie abends spät beim Fernsehen und lässt sich durch TVShows und Magazine inspirieren. Auf ihren Bildern sieht man menschliche Figuren in der Umgebung von Landschaften, Gebäuden, Tieren und Pflanzen. Maria Concetta Cassarà stellt Mirto dar, wo sie geboren wurde, die Heiligen, die dort verehrt werden, die geschmückte Altäre der Prozessionen.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertage 13 bis 17 Uhr, Eintritt frei
Führungen: Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr nach Anmeldung

Kunsthaus Kannen, Alexianerweg 9, 48163 Münster
Tel: 02501 966 20560
www.kunsthaus-kannen.de

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