Westfalen – Ragna Schirmer ist eine außergewöhnliche Pianistin. Begeisterte Rezensionen und nicht zuletzt zwei ECHO Klassik-Preise belohnen ihr dramaturgisches Feingefühl, mit dem sie bekanntes Material in immer wieder neue, überraschende Zusammenhänge stellt und ihre nuancierten Interpretationen, die die einzelnen Werke bis in die kleinsten Details ausleuchten. Ihre Virtuosität und ihr Gefühl für ungewöhnliche Programme sorgen auch dafür, dass sie mit ihren CDs immer wieder Top-Platzierungen in den Klassik-Charts erreicht (zuletzt mit dem Projekt zu Franz Liszts musikalischer Pilgerfahrt, den “Années Pélerinage”, die die Pianistin mit italienischer Renaissancemusik, gesungen vom Leipziger Ensemble Amarcord, verband).
Am 13. Mai erweist Ragna Schirmer um 18 Uhr im Forum des Gustav-Lübcke-Museums Beethoven ihre Referenz. Bei diesem Sonderkonzert des Fördervereins des KlassikSommers Hamm verbeugt sich die junge Pianistin vor Beethoven, dem Titanen, dem der KlassikSommer 2012 eine große Werkschau widmet. Ihre außergewöhnliche Stellung bewies Ragna Schirmer schon mit 15 Jahren als Finalistin im international renommierten Busoni-Wettbewerb. Mit nur 28 Jahren wurde sie Professorin an der Hochschule für Musik in Mannheim und blieb bis heute die Einzige, die zweimal den ersten Preis des Internationalen Johann-Sebastian-Bach-Wettbewerbs für sich verbuchen konnte. Dirigenten der weltweit ersten Garde wie Zubin Mehta und Roger Norrington, Kurt Masur und Fabio Luisi, Herbert Blomstedt und Andrey Boreyko luden sie als Solistin zu ihren Konzertprojekten ein.
Immer wieder macht die gebürtige Hildesheimerin mit hochinteressanten und anspruchsvollen Programmen von sich reden. Beethovens zweisätzige c-Moll-Sonate op. 111, die letzte von insgesamt 32, die er schrieb, ist dabei in Hamm Dreh- und Angelpunkt. So rein, so ästhetisch abgewogen kann Beethoven klingen, mit diesem Klang begründete sich ein lange währender Schönheitskult der Pianisten. Mit allen seinen Klaviersonaten gab Beethoven ein Beispiel ab für unvergleichliche Logik und Fülle, setzte geistige, musikalische und dramaturgische Standards. Klavier-Papst Joachim Kaiser nennt die späten Sonaten nicht umsonst das “neue Testament der Klaviermusik”.
Ragna Schirmer kommt das mit ihrem unvergleichlichen Ordnungssinn entgegen. Die ZEIT konzediert ihr, sie sei eine “schöpferisch Denkende, die alles, was sie auf dem Klavier treibt, in den Dienst umfassender Ordnung stellt”. Dies kommt Beethovens “letztem Willen” zugute, wie Musikforscher die Sonate op. 111 bezeichnen und damit nicht nur die chronologische Position der Sonate im Gesamtwerk meinen, sondern auch ihren Ton eines Abschiedsdokuments, einer tiefsinnigen, das Jenseits berührenden Sphärenmusik.
Mit gleichem Zugriff geht Ragna Schirmer Robert Schumanns unbekannte “Beethoven-Etüden” an, die in Leipzig zwischen 1833 und 1835 entstanden. Technisch waren sie Vorläufer von Schumanns Versuch, einen sinfonisch-orchestralen Klang auf der Klaviatur des Flügels zu erzeugen, ein Versuch, der in der Sinfonischen Etüde op. 13 vollendet wurde. Ragna Schirmers Entscheidung für die Schumann-Etüden ergibt sich logisch aus ihrer Suche nach der Verbindung höchster spieltechnischer Bravour und zugleich ihrem Streben nach motivisch-thematischer Feinarbeit.
Ein Überraschungsmoment im Programm stellt die eher minimalistische, doch sehr lebendige und klangsinnliche Fantasie des New Yorker Komponisten John Corigliano über ein Ostinato für Klavier dar. Coriglianos Fantasie spaziert balladesk durch den Trauermarsch aus Beethovens 7. Sinfonie, der die Inspiration zu diesem Werk gab.
Karten für diesen besonderen Konzertabend gibt es beim städtischen Kulturbüro und allen bekannten Vorverkaufsstellen.
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