Westfalen heute – Von der Pflegereform bis zum Ärztemangel: Als Bundesgesundheitsminister entscheidet Daniel Bahr über Themen, die jeden betreffen. Im Interview spricht der 35-jährige FDP-Politiker über die medizinische Versorgung auf dem Land, das Potenzial der westfälischen Gesundheitswirtschaft und die Liebe zu seiner Heimatstadt Münster.
Der Ärztemangel ist in einigen Teilen Westfalens schon deutlich zu spüren. Welche Lösung haben Sie für dieses Problem?
Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist die erste, die den Ärztemangel zum Thema gemacht hat und Maßnahmen dagegen ergreift. Dazu gehört beispielsweise, dass Ärzte künftig nicht mehr in dem Ort wohnen müssen, in dem sie praktizieren. Ärztinnen und Ärzte, die in ländlichen Regionen mehr kranke Menschen betreuen müssen, sollen keine finanziellen Nachteile haben. Die wohnortnahe medizinische Versorgung ist eines der wichtigsten Leistungsmerkmale des deutschen Gesundheitssystems und muss unbedingt erhalten bleiben.
Einige Kommunen oder auch Krankenhäuser auf dem Land bieten mittlerweile Stipendien für Medizinstudenten, wenn sich diese verpflichten, nach dem Studium in der Region zu bleiben. Was halten Sie von solchen Ideen?
Es ist gut, wenn Krankenhäuser oder Kommunen für sich werben und sich dem Wettbewerb stellen. Angehende Mediziner entscheiden nicht nur nach der Berufsperspektive, sondern richten sich auch danach, wie die Kinderbetreuung vor Ort ist, was das kulturelle Umfeld bietet oder ob die Arbeitszeiten familienfreundlich sind. In dieser Hinsicht können und sollen die Städte und Krankenhäuser ruhig zeigen, welche Vorteile sie Ärztinnen und Ärzten zu bieten haben.
Eine Maßnahme gegen die ärztliche Unterversorgung ist die Telemedizin, also die Ferndiagnose per Kamera. Wird der persönliche Kontakt mit dem Arzt zukünftig zum Ausnahmefall?
Ich sehe die Telemedizin positiv, weil es einfach nicht möglich ist, immer einen Spezialisten vor Ort zu haben. Wenn es die neuen Kommunikationstechnologien ermöglichen, beispielsweise einen Facharzt aus der Uniklinik Münster in ein kleines Krankenhaus in Stadtlohn dazuzuschalten, hat das Vorteile für alle: Es werden weite Wege und Kosten gespart und vor allem profitieren die Patienten von einer optimalen Diagnose.
Ein vieldiskutiertes Thema – auch hinsichtlich der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum – ist eine medizinische Hochschule in Bielefeld.
In der Tat ist es so, dass es in Ostwestfalen weder eine Universitätsklinik gibt, noch die Möglichkeit, Medizin zu studieren. Viele Medizinstudenten bleiben nach ihrem Examen am Hochschulort. Unter anderem deshalb hat sich der damalige Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart auch dafür stark gemacht, in Bielefeld Medizinstudienplätze zu schaffen. Leider hat die aktuelle Landesregierung nichts mehr in diese Richtung getan. Es fehlt weiterhin an einem Konzept der Landesregierung.
Die Gesundheitswirtschaft ist eine wichtige Zukunftsbranche. Wie ist Westfalen aus Ihrer Sicht in diesem Bereich aufgestellt?
In Berlin wird beispielsweise der neu gegründete Gesundheitscampus in Bochum genau beobachtet. Das ist ein spannendes Projekt, bei dem ganz neue Ansätze in der medizinischen Berufsausbildung ausprobiert werden. Die Gesundheitswirtschaft ist bundesweit der größte Arbeitgeber mit 4,8 Millionen Beschäftigten. Angesichts der demografischen Entwicklung wird diese Bedeutung sogar noch wachsen. Gerade für eine ländliche Region wie Westfalen sind damit große Chancen verbunden. Es entstehen viele neue Arbeitsplätze, die nicht – wie etwa in der Industrie – ins Ausland verlagert werden können, weil die medizinische Versorgung vor Ort gebraucht wird.
Auf Ihrer Homepage finden sich zahlreiche Impressionen aus Münster. Sind Sie ein Lokalpatriot?
Ja – ich mag diese Stadt einfach unheimlich gerne. Es gibt viele junge Menschen hier durch die Universität, und Münster ist eine attraktive Stadt, die viel zu bieten hat, obwohl sie nicht so groß ist. Ich freue mich immer wieder, nach Hause zu kommen und genieße es, auf dem Markt einzukaufen oder um den Aasee zu joggen.
Welche Rolle spielt für Sie Westfalen?
Obwohl ich im Rheinland geboren wurde, kann ich mich sehr mit Westfalen identifizieren. Mir wurde schon ganz früh in der Grundschule der rheinische Dialekt ausgetrieben und ich musste lernen, dass es Kieeerche und Dieeerk heißt und dass man nach der Omma geht und nicht zu Oma. Was ich aber wirklich schätze, ist die westfälische Verlässlichkeit. Ich habe hier noch ganz alte Freundschaften, die mir sehr wichtig sind. Für die Politik habe ich wahrscheinlich die ideale Mischung: den rheinischen Optimismus im Blut und die westfälische Standhaftigkeit, wenn es mal wieder etwas stressig wird.
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