Schnee von gestern

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Auch heute gibt es noch viel Schnee

Mehr als 100 Millionen Euro haben die Liftbetreiber bisher in moderne Transporttechnik und Schneesicherheit investiert – Foto: Wintersport-Arena Sauerland

Sauerland – Laut den Sauerländer Winterlegenden gab es regelmäßig meterhohe Schneewehen, sogar Lawinen an den sanft geneigten Hängen des Rothaargebirges sollen krachend ins Tal hinabgestürzt sein. Und die damaligen Schulkinder mussten sich ächzend und kraxelnd ihren Weg suchen. Im Vergleich mit der Erinnerung seien, so erzählen ältere Semester am Stammtisch, die heutigen Winter mild und schneearm. Und auch von den Liftbetreibern hört man ab und an: „Der Winter war kein Winter.“ Der Grund sei, so heißt es zumindest hinter vorgehaltener Hand, die zu beobachtende Klimaerwärmung.

Doch schaut man etwas genauer in die Archive und gleicht diese mit amtlichen Wetterdaten ab, so sind die Unterschiede in der natürlichen Schneedecke zwischen der Zeit am Anfang des 20. und am Anfang des 21. Jahrhunderts nur sehr gering – sagt Diplom-Geograf Meinolf Pape vom „Wetterportal Sauerland“. Es fällt demnach vielmehr eine große Wechselhaftigkeit von Jahr zu Jahr auf, welche typisch für unsere gemäßigten Breiten und die Höhenlagen des Rothaargebirges ist. „Mal setzt sich eben kalte Luft aus Nord- und Osteuropa durch, mal ist die milde Luft vom Atlantik wetterbestimmend“, so Pape.

Dass es nicht immer Schnee in Massen gibt, hat auch Bärbel Michels, Mitbegründerin des Westdeutschen Wintersportmuseums in Winterberg-Neuastenberg, bei ihren Recherchen herausgefunden. In ihrem Standardwerk „Wintersport im Sauerland in früherer Zeit“ schreibt sie: „„Anlass eines Aufsatzes im (Sauerländischen) Gebirgsboten war die Schneearmut der letzten Jahre und die wirtschaftlichen Folgen. Schon 1915 behaupteten Einheimische, dass mit der Aufnahme des Wintersportes das sauerländische Klima milder geworden sei und dass die Winter sich seitdem recht wenig kernhaft zeigten, dagegen eher mäßig warm und unbeständig.“

So stand der damals noch junge Wintersport aufgrund häufigen Schneemangels oft auf der Kippe und zahlreiche Veranstaltungen wie Skifeste oder Sprungwettbewerbe mussten verschoben oder gar gänzlich abgesagt werden. „Schaut man in die offizielle Schneestatistik“, erläutert Meinolf Pape, „so ist der Winter 1898/99 bis heute weiterhin der schneeärmste seiner Art, denn in dieser Saison wurde nur eine maximale Schneehöhe von 12 Zentimeter erreicht.“

Auch in den Folgejahren lagen in fast 800 Metern Höhe über vier Winter hinweg nie mehr als 35 Zentimeter Schnee. Kälter und schneereicher wurde die kalte Jahreszeit dann erst ab Ende der 1930er Jahre, doch der Zweite Weltkrieg ließ kaum noch Skitourismus zu. Nach den Kriegswirren kam die Freunde am Wintersport zurück, doch der Schnee, so „Wettermann“ Meinolf Pape, ließ aber bis Anfang der 1950er Jahre meist auf sich warten. Damals fiel der bezeichnende Satz: „Die optimistische Prognose für 1949: Schlechter als 1948 kann der Winter nicht werden!“

Die 1950er und 1960er Jahre waren die kälteste und schneereichste Periode des 20. Jahrhunderts – damals waren die erwähnten „Schneeberge“ tatsächlich Realität: Zwischen 1963 und 1970 erreichte die Schneehöhe auf dem Kahlen Asten in acht Jahren sechsmal mehr als 100 Zentimeter. Am Ende dieser wahrhaftigen „Schnee-Zeit“ gab es den absoluten Höhepunkt. Meinolf Pape hält fest: „Diese Periode gipfelte mit dem Winter 1969/70 als dem bisher schneereichsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen am Kahlen Asten. In den Hochlagen war Wintersport an rund 160 Tagen, von Ende November bis Anfang Mai, möglich. Zudem blieb die Anfang März gemessene Schneehöhe von 239 Zentimeter in allen anderen Wintern davor und danach bei weitem unerreicht.“

Danach wurden die Sauerländer Winter wieder unbeständiger: Besonders mild war der Winter 1974/75, und der „Kyrill-Winter“ 2006/07 ist der mildeste Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen geblieben. Die Betriebstage der Skigebiete reduzierten sich auf unter 50. Erst mit dem neuen Jahrtausend sind die Winter insgesamt (mit Ausnahme des „Kyrill-Winters“) wieder schneereicher und kälter geworden. Unter dem Eindruck der schneearmen 1990er Jahre haben die Liftbetreiber der Region gemeinsam mit Politikern den Masterplan Wintersport-Arena aufgestellt. Nach einem Pilotprojekt im Winter 2001/02 in Neuastenberg zogen viele Skigebiete nach und investierten in den Ausbau der maschinellen Beschneiung und in moderne Liftanlagen. Seither wurden mehr als 100 Millionen Euro ausgegeben mit der positiven Folge für die Skifahrer, dass die Skifans in den Hochlagen in der Regel an etwa 100 Tagen auf die Piste gehen können.

Und wie geht‘s weiter? Werden die Winter trotz Klimawandels in den nächsten Jahren weiterhin schneereich und kalt oder wird doch der Trend der 1970er Jahre winterbestimmend? Meinolf Pape will sich nicht festlegen, denn auch ein ausgewiesener Wetter-Experte kann nicht in die Zukunft schauen. Da hält er‘s lieber mit einem altbekannten westfälischen Sprichwort: „Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist …“

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