Dortmund: Neue Sicht auf alte Meister

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Dortmund – Eine „Ausstellung in der Ausstellung“ zeigt ab 15. September das Museum für Kunst und Kulturgeschichte: Unter dem Titel „GEGENÜBER. KulturQuartier Hörde trifft auf Museum für Kunst und Kulturgeschichte“ haben sich Künstlerinnen und Künstler aus Dortmund-Hörde mit den Objekten der Dauerausstellung befasst und treten in einen Dialog mit ihnen. 16 Mitglieder des „KulturQuartier Hörde“ suchten sich ein Objekt, ein Ensemble oder gleich einen ganzen Raum im Museum, um ästhetisch einzugreifen.

KulturQuartier Hoerde im MKK Dortmund

Da treffen junge Frauen auf alte Heilige, Stillleben geraten in Bewegung, und romantische Landschaftsmalerei bekommt eine abstrakte Interpretation. Rund um die 17. Dortmunder DEW21-Museumsnacht am 23. September laden zeitgenössische Künstler dazu ein, die Dauerausstellung des Museums für Kunst und Kulturgeschichte neu zu entdecken. Die Ausstellung läuft vom 15. September bis 2. Dezember 2017.

Die Künstlerinnen und Künstler sind während der Museumsnacht (23.9.) in der Ausstellung bei ihren Objekten ansprechbar, außerdem während des Kulturfestivals „Live Spot Brückstraße“ am 30. September.

Beteiligt sind folgende Künstlerinnen und Künstler: Beate Bach, Christa Bremer, Marc Bühren, Karla Christoph, Annette Endtricht, Birgit Feike, Barbara Giesbert, Brigitte Giesenkirchen, Eva Helmsorig, Anne Konzack, Brita Kreutzfeldt, Peter Kröker, Susanne Matull, Katja Struck, Jette Trost und Beate Wolf.

Katja Struck – Foto: Gerd Schmedes

Zum Hintergrund
Das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte bewahrt und sammelt seit 1883 Artefakte aus Kunst und Kultur und macht sie zugänglich – Objekte, gesammelt zu verschiedenen Zeiten von Bürgern für Bürger. Aber was sagen die Archive vergangener Lebenswelten dem Besucher heute? Gibt es noch eine gemeinsame Sprache, einen aktuellen Austausch mit den Museen? Sind Künstler besser gerüstet, mit den Kunstwerken vergangener Epochen umzugehen?
Auf der Suche nach Antworten hat das Museum die Künstlergruppe „KulturQuartier Hörde“ gebeten, sich mit einzelnen Stücken auseinanderzusetzen. Ihre sehenswerten Interventionen geben Anlass, über das Museum des 21. Jahrhunderts nachzudenken.

Jete Trost – Foto: Gerd Schmedes

Künstlerische Interventionen sind eine Möglichkeit, neue Akzente zu setzen, Blickwinkel zu verschieben oder neu zu definieren. Eine berühmte und wirkungsvolle Intervention an einem Kulturobjekt war die Verhüllung des Berliner Reichstages durch das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude – eine Aktion im öffentlichen Raum, die ein Zeichen für Liberalität und Demokratie nach dem Mauerfall setzte. Als Übersetzer fungieren im Museum für Kunst und Kulturgeschichte 16 Künstlerinnen und Künstler, die ästhetisch eingreifen.

Besonders in der Abteilung der Volkskunde finden energische Eingriffe statt: Ein Himmelbett wird mit einem Pfühl aus geflochtenen Plastikstreifen hoch aufgebettet, die daneben stehende Kredenz bekommt eine reiche Ausstattung aus zahlreichen weiß angestrichenen Plastikflaschen. Das Gespensterhafte der Ergänzung verweist umso deutlicher auf das verschwundene Leben in dieser Installation. Gleichzeitig kritisiert Birgit Feike die durch Plastik von organischen Materialien entwöhnte Gesellschaft und schafft einen inhaltlichen Spagat zwischen Kulturkritik und Geschichtssehnsucht.

Marc Bühren antwortet auf die in langen Reihen aufgestellten Bauernstühle mit einer „Sänfte“ aus einem feinen Gespinst, geflochten aus den Linien eines 3-D-Stifts, die den Gegenstand gleichsam in die Luft zeichnen. Diese fragile, durchlässige, in ihren Schichten verschiebbare Konstruktion reagiert auf den in der Abteilung gezeigten Lebenslauf, auf die Endlichkeit und Unbeständigkeit des Lebens. Eine Sänfte wie ein Spinnennetz, haltbar und vergänglich, stabil, geordnet und zufallsbedingt chaotisch gleichzeitig.

Die kontemplativ in ihr Buch versunkene, weise Heilige Anna hat es Katja Struck angetan. Die Heilige sitzt inmitten ihrer großen Familie, die sie nicht beachtet. Sie wirkt stolz und selbstbewusst. Ihr ins Heute transponiertes Gegenstück „Heilige Rosie“ ist lauter, frecher, fordert mit ihrer hoch erhobenen Pistole alle Aufmerksamkeit. Ihre „Haut“ besteht aus Klischeebildern der Hausfrau der 1930-er Jahre aus amerikanischen Magazinen. Ihre kokette, instabile Haltung verweist auf die Veränderung von Rollenbildern. Eine mit ihr verkabelte Fernbedienung ist ein Zeichen von Ichbezogenheit und Fremdbestimmung. Hausfrau, Frau, Heilige, Revolutionärin? Ein Statement zur Genderthematik.

Peter Krökers nackter, aus dem Bade gestiegener Mann vor dem Spiegel im Bürgersalon, das Graffiti eines jungen Bettlers im Empire-Zimmer von Karla Christoph, die zwischen die Meunier-Skulpturen gestellten Werke von Christa Bremer, die wunderschönen „Nonnen“ in der Kircheninszenierung von Jette Trost, die Schneiderpuppe mit zahllosen geerbten Postkarten zum Thema „Sammeln“ in der Kunstkammer: Sie alle sind Überraschungen, mit denen man in einem kulturhistorischen Museum nicht rechnen würde. Ergänzte Gemälde von Anne Konzack, Brita Kreutzfeldt oder Susanne Matull, Beate Wolf, Brigitte Giesenkirchen und Annette Endtricht treten in den Dialog mit den ausgesuchten Objekten.

Eva Helmsorig arbeitete im Kunstunterricht mit Kindern über das Thema „Schande“ als Antwort auf die mittelalterliche Schandmaske. Beate Bach vollendet einen etwas karg geratenen „Damensalon“ des berühmten Architekten Olbrich mit Farbe. Sie legt einen riesigen, bunt und perspektivisch bemalten Teppich im Raum aus und befestigt gemalte Friese an den Wänden als ihre Antwort auf den Jugendstil.

Museum für Kunst und Kulturgeschichte / Hansastr. 3 / 44137 Dortmund
www.mkk.dortmund.de

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