Der Kiepenkerl bloggt: BER – das Babel der Neuzeit

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Die Probleme beim Bau des Berliner Flughafens gleichen denen beim Turmbau zu Babel. Der Name Babel steht für Verwirrung (bavel). Die Bibel erzählt, dass „der HERR die Sprache der Bauleute verwirrte, weil das Volk übermütig werden könnte und vor nichts zurückschrecken würde, was ihm in den Sinn kommt.“ Bei der Konzeption des Flughafens in der Nähe der Babelsberger Filmstudios schreckten die Landesherren von Berlin und Brandenburg vor nichts zurück und wischten in ihrem Übermut alle Zweifel am Standort und an den Planungen beiseite. Doch die Planer und die Bauleute waren so filmreif verwirrt, dass es nach der gescheiterten Bauabnahme vermutlich preiswerter gewesen wäre, den verkorksten Flughafen abzureißen, neu zu planen und zu bauen. Es stand nämlich bereits fest, dass der nachgebesserte Flughafen den Ansprüchen an die Abwicklung des erwarteten Fluggastaufkommens nicht gerecht werden würde.

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Foto: Olaf Tausch (Own work) [GFDL or CC BY 3.0], via Wikimedia Commons

Bei der Endabnahme wurden schwerwiegende Fehler in der Planung und beim Bau aufgedeckt. Ursprünglich sollte der Flugbetrieb im Oktober 2011 starten. Doch dieser Termin musste pannenbedingt mehrfach verschoben werden. Im Juni 2016 avisierte man die Eröffnung für das vierte Quartal 2017. Dieses Datum bezeichnete Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke allerdings lediglich als „Chance“. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Flughafen den Planungen zufolge beim Fluggastaufkommen bereits im sechsten Jahr eine schwarze Null schreiben.

Der 400 Seiten lange Geheimbericht des Brandenburger Landesrechnungshofs zeigt, wie sehr beim BER geschlampt und versagt wurde. Aufsichtsratschef Klaus Wowereit und sein Vize Matthias Platzeck kamen ihrer Kontrollpflicht laut Bericht nur „unzureichend“ nach. Sie fragten nicht nach beim Flughafenchef, bei Planern, bei Baufirmen oder der Projektsteuerung. Die Parlamente und die Öffentlichkeit wurden bewusst belogen, denn sie erzählten immer wieder, der Flughafen sei so gut wie fertig. Die BER-Gesellschafterversammlung (Flughafen-Eigentümer sind der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg) sollte eigentlich den Aufsichtsrat kontrollieren. Doch das tat sie nicht. Klar, sagt der Rechnungshof, denn im höchsten Gremium saßen nur Staatssekretäre. Regierungschefs – wie Platzeck und Wowereit – dagegen im Aufsichtsrat. Und wer will schon seine Vorgesetzten kritisieren?

Die ursprünglich mit einer Milliarde Euro veranschlagten Kosten nähern sich nach einer Prognose aus 2015 der Sechs-Milliarden-Euro-Marke. Diese Summe ist so himmelschreiend, dass die zu erwartende Abweichung nicht mehr durch die Angabe in Milliarden Euro verharmlost werden darf. Die Kostenüberschreitung beim Airport von 5.000 Millionen Euro zu Lasten des Steuerzahlers würde das wahre Ausmaß der Fehlleistungen anschaulicher machen und taugt besser als Mahnmal für die Unfähigkeit von Politikern im Umgang mit Großprojekten.

In der Öffentlichkeitswirkung spielte die retardierende Wirkung der PR-Arbeit (frz. retarder „verzögern“) eine wichtige Rolle. In einer Tragödie bezeichnet das retardierende Moment ein Ereignis, welches dazu führt, dass die trügerische Hoffnung auf die (noch denkbare) Rettung des Helden erhalten bleibt. Beim Berliner Flughafen bezieht sich die retardierende Wirkung auf die Diskrepanz zwischen dem der Öffentlichkeit durch die PR-Arbeit zugemuteten Wissen über die zu erwartenden Mehrkosten und dem tatsächlichen Wissensstand der Akteure. Dieses Delta (Δ) ist der Kummerausgleichsposten, der im Zeitverlauf öffentlichkeitsverträglich abgebaut wurde – so wie es den Verantwortlichen ins Konzept passte.

Bereits Cicero wusste: „Jeder Mensch kann sich irren, aber nur der Tor wird auf seinem Irrtum bestehen.“ In Berlin haben sich die Regierungschefs als Tore erwiesen, denn sie sind sich nach eigenem Bekunden keiner Schuld bewusst. Statt Fehlervermeidungskultur waren sie auf Machterhalt bedacht. Die hierarchiefreie Kommunikation, wie sie bei der Feuerwehr praktiziert wird, hielten sie aus Borniertheit für unter ihrer Würde. Dabei war es gerade die Entrauchungsanlage, die die schwerwiegendsten Probleme verursachte.

Die verlorenen Zuschüsse von der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg sind bei den Kostenschätzungen noch nicht berücksichtigt. Es dürfte sich um eine erhebliche Summe handeln, denn in den Jahren der Nachbesserung wurden 5.000 Millionen Euro in temporäre Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen investiert. Dass die deutlich über den Planansatz hinausgehenden Investitionen überwiegend vermeidbar gewesen wären, spielt bei der Zuschussbewilligung keine Rolle. Ein Großteil der regulären Förder- und Fortbildungsmaßnahmen der Bundesagentur sind schließlich auch für die Katz.

Die Aufführung des Trauerspiels von „Pleiten, Pech und Pannen“ wurde von den Regierungschefs in Berlin und Brandenburg aufgeführt. Ein Bundesverdienstkreuz für den Bau des Luftfahrtdrehkreuzes würden sie nicht annehmen, weil sie durch die Kostenüberschreitung selbst zum Kreuz für die beiden Länder und die Bundesrepublik Deutschland geworden sind. Doch den „Orden wider den tierischen Ernst“ können sie nicht ablehnen. Schließlich ist er der einzige Orden, der nicht für, sondern wider etwas vergeben wird. Das träfe beim Berliner Flughafen ins Schwarze, denn dort wurde wider jeden gesunden Menschenverstand gebaut.

Hinzu kommt, dass Joachim Hunold (Gründer der Air Berlin GmbH & Co. Luftverkehrs-KG) den Orden 2007 für das Zitat erhielt: „Wenn man etwas falsch gemacht hat, es aber nicht mehr ändern kann, dann kann man darüber nur noch herzhaft lachen. Allerdings: Dasselbe darf nicht noch einmal passieren.“ Eine Wiederholungstat, wie beim Flughafen, ist in Berlin definitiv ausgeschlossen. Deshalb kann der Preis an die derzeitigen Landeschefs Michael Müller und Dietmar Woidke verliehen werden – stellvertretend für den Bockmist, den ihre Vorgänger und deren Mitstreiter verzapft haben.

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