Münster: Gruthaus braut würziges Bier

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Münster – Grut hieß die Kräutermischung, mit der Bier gewürzt wurde, bevor ab dem 13. Jahrhundert der Hopfen die Grut nach und nach verdrängte. In Münster gab es – wie in vielen anderen norddeutschen Städten auch – beim Rathaus ein eigenes Haus für die Herstellung und den Verkauf von Grut, das Gruthaus. Denn jeder, der in der Stadt Bier brauen wollte, musste Grut verwenden und das Monopol darauf hatte der Rat dem Landesherrn, dem Fürstbischof von Münster, abgekauft. Die Rezeptur kannte nur der Grutherr, sie war ein gut gehütetes Staatsgeheimnis. Aus gutem Grund, denn mit der Grut bestritt die Stadt Münster zeitweise bis zu 2/3 ihres Haushalts und der Grutherr war als Finanzminister der zweitwichtigste Mann der Stadt nach dem Bürgermeister.

Ein Blick in die Münsteraner Gruthaus Brauerei

Ein Blick in die Münsteraner Gruthaus Brauerei

Hinter dem Rathaus, wo bis ins 19. Jahrhundert das Gruthaus stand, ist heute eine große Lücke. Wir wollen diese Lücke füllen mit Erinnerungen, mit Nachforschungen, mit Gerüchen und Geschmäckern aus vergangenen Zeiten. Nicht, weil es früher besser gewesen wäre, sondern weil für unseren Geschmack heute etwas fehlt: Bier mit Wurzeln. Als Verneigung vor der großen Braugeschichte der Stadt Münster haben wir unsere kleine Brauerei nach dem Gruthaus benannt.

Die Gruthaus-Brauerei hat sich spezialisiert auf die Entwicklung kreativer Bierrezepturen, die einen Bezug zur Stadt- und Braugeschichte von Münster haben. Ein wichtiges Ziel ist die Erforschung der Zusammensetzung der alten münsterschen Grut- und Keutrezepte und der historischen Herstellungsmethoden. Darüber hinaus wagen wir moderne Neuinterpretationen vergessener Bierstile. Dazu zählt die Verwendung von Zutaten wie Brot, unvermälztem Getreide, Kräutern, Früchten, Zucker und anderen, die bis zur Durchsetzung des sogenannten Reinheitsgebots in Münster 1906 den hier gebrauten Bieren einen unverwechselbaren Charakter verliehen.

Neue Bierspezialitäten aus der münsteraner Gruthaus-Brauerei

Neue Bierspezialitäten aus der münsteraner Gruthaus-Brauerei

Pumpernickel-Porter

Als erstes Bier aus der kreativen Rezeptentwicklung stellt die Gruthaus-Brauerei das Pumpernickel-Porter vor, ein kerniges obergäriges Schwarzbier, das mit echtem münsterischem Schwarzbrot der Bäckerei Prünte gebraut wird. Zusätzlich zum Schwarzbrot enthält Pumpernickel-Porter einen anständigen Anteil Roggenmalz, was zur besonderen Vollmundigkeit beiträgt. Die raffinierte Mischung aus gerösteten Spezialmalzen verleiht dem Bier Noten von Schwarzbrot, bitterer Schokolade und Kaffee.

Überwasser-Alt

Helles Alt ist die traditionelle, lokale Bierspezialität aus Münster. Unser Überwasser-Alt ist obergärig, hell, und mit einer leicht säuerlichen Note durch natürliche Milchsäuregärung, wie es für das Münsteraner Alt typisch ist. Wir haben diesen Bierstil behutsam modernisiert: mit sehr viel feinen Zitrus-Hopfen der Sorten “Citra” und “Amarillo”, die den fruchtig-frischen Charakter des Bieres verstärken.

Überwasser-Alt ist nicht gefiltert, in Fässern und Flaschen ist ein natürliches Hefedepot. Ein kleiner Anteil Weizenmalz macht es so spritzig.

Grut

Ein wichtiges Ziel der Grauthaus-Brauerei ist es, die historischen münsterschen Bierstile „Grut“ und „Keut“ wiederzubeleben. Mit der Unterstützung von Historikern, Archäologen und Philologen begeben wir uns auf Spurensuche in der Biergeschichte. Als erstes Projekt der historischen Serie kam im Dezember 2015 das erste Grutbier „Myrica Gale 1480“ offiziell auf den Markt. In der aktuellen Interpretation haben wir uns als Basis für ein urtümliches Witbier belgischen Typs entschieden und es mit einer Kräutermischung aus Gagel, Wacholder und Kümmel gewürzt. Ein wenig Hopfen ist auch dabei, so wie es schon 1480 für das münstersche Grutbier belegt ist.

Was ist ein helles Alt?

Zugegeben: Helles Alt ist selbst in Münster ein eher unbekannter Bierstil. Wegen der vielen interessierten Nachfragen holt Grutherr Philipp Overberg, der sich mit seinem neuen Überwasser-Alt vor dem traditionellen Münsteraner Bierstil verneigt, weit aus:

“Wenn man nur die Gegenwart des Stils „Helles Alt“ betrachtet, sieht es so aus: Es gibt nur noch einen traditionellen einheimischen Bierstil in Münster und der heißt Alt. Dieses Alt ist hell. Davon gab es bis letzte Woche nur einen kommerziell erhältlichen Vertreter, das “Pinkus Original”. Ich habe dem einen weiteren Versuch an die Seite gestellt, der sich bewusst deutlich davon unterscheidet, aber in den wesentlichen Charakteristika übereinstimmt: obergärig, hell, säuerlich, fruchtig, Einsatz von Weizenmalz. Speziell in den Kategorien säuerlich und fruchtig habe ich ordentlich auf die Sahne gehauen, weil das die beiden Aspekte sind, die mir an diesem Bierstil so gut gefallen. Dabei bin ich einerseits deutlich traditioneller als die Kollegen vom Rosenplatz, weil ich das Sauergut, also einen Anteil separat milchsauer vergorener Würze, sehr großzügig einsetze. Das historische Alt müssen wir uns vermutlich noch viel saurer vorstellen (s. u.). Gleichzeitig habe ich brachial modernisiert durch moderne amerikanische Aromahopfen der Sorten Amarillo und Citra, die zusammen mit der Säure den fruchtigen Eindruck in neue Dimensionen katapultieren.

Das „Überwasser-Alt“ ist somit ein retrogardistisches Experiment, das hinsichtlich Hefe, Malz, Bitterhopfung und Säure sehr altmodisch ist, sich hinsichtlich der Aromahopfung aber klar an moderne Pale Ales amerikanischer Herkunft anlehnt.

Versucht man, die geschichtliche Entwicklung des hellen Alts aufzurollen, muss man in die Zeit der mittelalterlichen Grutbiere zurückgehen, die in ganz Nordeuropa verbreitet waren. Sie waren vermutlich hell, da mit nicht gedarrtem „Luftmalz“ und gehörigen Portionen unvermälztem Getreide (Rohfrucht von Weizen, Gerste, Roggen, Hafer etc.) gebraut. Bei der Hefe können wir von Spontangärung ausgehen, die Biere werden also so sauer wie belgische Lambics mit obergärigen Wildhefen, Lactobazillen, Brettanomyces, Acetobacter und anderen wilden Sachen gewesen sein. Statt Hopfen wurde mit einer „Grut“ genannten geheimen Kräutermischung gewürzt. Ab ca. 1500 verdrängte der Hopfen nach und nach die Grut, die anfangs extrem stark gehopften Biere waren länger haltbar und besser für den Export geeignet, vermutlich konnte sich auch die Säure dank der antibakteriellen Wirkung des Hopfens nicht ganz so schnell und nicht so stark entwickeln wie im Grutbier.

Helle Sauerbiere waren also der Normalfall in unserer Region. Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Modewelle der untergärigen hellen Lagerbiere böhmisch-bayerischen Stils nach Norddeutschland schwappte, konnten die meisten obergärigen alteingesessenen Biere nur noch in Nischen überleben – und auch das nicht besonders gut. Von ehemals 150 Altbierküchen in Münster hat nur eine bis heute durchgehalten. Am Niederrhein und in Düsseldorf entwickelte sich der Sonderweg des mehr oder weniger dunklen Altbiers, in Köln wurde das alte Bier nach dem Vorbild der neumodischen milden untergärigen Lagerbiere bis zur Unkenntlichkeit modernisiert und löste als blankgefilterte Neuerfindung „Kölsch“ seit den 1920er Jahren, dann verstärkt nach dem 2. Weltkrieg das traditionell verwurzelte trübe „Wieß“ ab.

Unser Münsteraner helles Alt geht zusammen mit dem rheinischen Alt und dem Kölsch auf einen gemeinsamen Vorgänger zurück, den man als Weizen-Sauerbier nordeuropäischen Typs bezeichnen könnte. Verwandte Überlebende mit ähnlichen oder gleichen Wurzeln sind die Berliner Weiße, Grätzer, Gose, belgische Gueuze und Wit. Das Verbreitungsgebiet erstreckte sich also von Posen bis Flandern. Helles Alt war somit einmal die normalste Sache von der Welt. Nur die Bierwelt hat sich gewaltig verändert.

Das Pumpernickel-Porter kann man jetzt auch im Westfalium-Shop bestellen: www.westfalium-shop.de/epages/62108033.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/62108033/Products/2833

Gruthaus-Brauerei / Krummer Timpen 61 / 48143 Münster

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