Der Teufel los – im Kloster Dalheim?

Print Friendly, PDF & Email

Im beschaulichen Lichtenau ist der Teufel los: Am Samstag (30.5.) eröffnet die Stiftung Kloster Dalheim die Sonderausstellung “Die 7 Todsünden” im LWL-Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau (Kreis Paderborn). Hochmut, Habgier, Neid, Trägheit, Völlerei, Wollust und Zorn stehen im Fokus einer kulturgeschichtlichen Sonderausstellung. Gezeigt werden bis zum 11. November 300 Exponate aus 15 Jahrhunderten bis in die Gegenwart.

Der Teufel los

Im Kloster ist der Teufel los: Ausstellung “Die 7 Todsünden” im Klostermuseum Dalheim – Foto Andreas Lechtape

“Durch mehr als 1.700 Jahre Kulturgeschichte folgen die Besucher dem schmalen Grat zwischen Tugend und Laster in die Welt der Versuchungen”, erläuterte LWL-Direktor Matthias Löb am Dienstag (26.5.). “Die Reise geht von den Erfindern oder Entdeckern der Todsünde, den Mönchen in der Wüste vor mehr als 1.700 Jahren, bis zu heutigen Werbeversprechen mit ihren “Geiz ist geil”-Parolen.

Die Ausstellung stellt Fragen zu menschlichen Eigenschaften: “Ist Geiz wirklich geil? Kann Zorn heilig sein? Wie viel ist genug? Und wann braucht der Spaß eine Bremse?”

Auf drei Etagen und rund 600 Quadratmetern sind die Besucher dabei, wenn im 4. Jahrhundert Mönche erstmals einen Katalog der großen menschlichen Schwächen verfassen. Sie begegnen dem Konzept der Todsünden im Mittelalter als moralischer Grundlage von kirchlicher Lehre und weltlichem Gesetz. Und während einige im verschwenderischen Barock und den wilden 1920er Jahren die Tabuzone verlassen, zeigen sich die Todsünden in der Zeit des Nationalsozialismus in ihrer ganzen Grausamkeit. Je weltlicher die Gesellschaft, desto mehr verlieren die sieben Todsünden ihren Schrecken. Völlerei ist im Nachkriegsdeutschland schick. Die sexuelle Befreiung der 68er-Bewegung macht Wollust salonfähig, Werte werden neu definiert.

Zur Ausstellung tragen mehr als 80 nationale und internationale Leihgeber unter anderem aus Italien, Frankreich, Großbritannien, Schweden und der Schweiz bei. Die rund 300 Exponate umspannen einen Zeitraum von 1.500 Jahren – das älteste (eine frühmittelalterlich beschriftete Kalkscherbe, frühes Zeugnis der klösterlichen Lasterlehre) stammt aus dem 6./7. Jahrhundert, das jüngste (zwei Anti-Stressbälle gegen Zorn und Aggressionen) noch aus diesem Jahr. Ihr Spektrum reicht von hochrangigen Gemälden und wertvollen Handschriften über außergewöhnliche zeitgeschichtliche Dokumente bis hin zu Alltagsgegenständen. “Alle diese Exponate – egal ob Altartafel oder Comic-Figur – sind nicht nur wichtige Zeitzeugen, sondern stehen für den unterschiedlichen Umgang mit den Todsünden bis in die Gegenwart”, sagte Löb.

Heute ist die eigentliche Bedeutung der sieben Todsünden meist unbekannt. Dabei sind sie treue Begleiter im Alltag. Gerade die Werbung macht sich ihre Faszination zunutze. Slogans wie “Geiz ist geil” (Saturn 2002) oder “Mein Haus, mein Auto, mein Boot” (Sparkasse 1999) spielen mit ihnen. Luxus gehört heute zum Lifestyle, Schnäppchenjagd ist ein Erlebnis und All-you-can-eat gerade genug. Die sieben Todsünden werden zum Kern eines universalen Werbeversprechens: der Erfüllung aller Wünsche. In der modernen Werbewelt ist also durchaus der Teufel los …

Dem Verlangen nach mehr stehen aber immer öfter auch Gegenbewegungen gegenüber. Nachhaltigkeit liegt zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit. Zahlreiche gesellschaftliche Strömungen sind auf der Suche nach dem rechten Maß im Konsum und einem achtsamen Umgang mit den Mitmenschen und der Umwelt.

“Die Sonderausstellung lässt die Gegenwart nicht aus dem Blick”, so LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale. “Zwischen Asketen und Abzockern, Wutbürgern und Wirtschaftsbossen begegnen die Besucher sicher auch das eine oder andere Mal sich selbst.” So werde das Museum der Aufgabe gerecht, Kultur zu bewahren und öffentlich zugänglich zu machen, aber auch Impulsgeber für die Gegenwart zu sein.

“Mit der Sonderausstellung kehren ‘Die 7 Todsünden‘ gewissermaßen zu ihrem Ursprung zurück”, berichtete Museumsdirektor Dr. Ingo Grabowsky. Die christliche Lasterlehre wurde vor mehr als 1.700 Jahren von den ersten Mönchen erfunden. Auf der Suche nach Gott zogen sie sich zu einem Leben in der Wüste zurück. Die Ödnis sollte ihnen einen Lebensraum frei von Versuchungen bieten. Doch die Enthaltsamkeit weckte das Begehren bei den Mönchen, das sie in Form von Dämonen heimsuchte. Sie hatten Hunger und Durst, sehnten sich nach Komfort, suchten nach Ablenkungen und hatten erotische Fantasien. Der Mönch Evagrius Ponticus definierte im 4. Jahrhundert acht große menschliche Schwächen – Völlerei, Wollust, Habgier, Zorn, Traurigkeit, Trägheit, Ruhmsucht und Hochmut -, aus denen in der Nachfolge der Schriften von Papst Gregor dem Großen (6. Jahrhundert) die sieben Todsünden wurden.

Ob die Versuchung des Heiligen Antonius, der gläserne Phallus der Äbtissin, die Galerie des Casanova, Hitlers Globus, Knigges Benimmregeln oder Rudi Dutschkes Lederjacke: Die Besucher der Ausstellung erwarten überraschende Geschichten und Exponate. “Dabei setzt das Museum auf ein Ausstellungskonzept, das die gesamte Anlage des ehemaligen Klosters mit einbezieht”, erläuterte Grabowsky. Besucher finden die Spuren der sieben Todsünden auch in der Dauerausstellung in der historischen Klausur und den Obergeschossen sowie in den Klostergärten. In den alten Kemenaten ist und war wahrscheinlich wirklich der Teufel los!

Die wissenschaftliche Projektleiterin der Ausstellung, Dr. Helga Fabritius, wies auf die Relevanz der Idee der Todsünden hin: “Sie sind sowohl Wurzeln großen Übels, als auch Triebfedern des Fortschritts. Keine Zeit, keine Generation kann sich ihnen entziehen.” Die Ausstellung betrachtet die sieben Todsünden als grundlegende menschliche Eigenschaften, die sowohl positiv als auch negativ ausgelegt werden können: Ist es Trägheit oder eine Auszeit? Ist es Völlerei oder Genuss? Ist es Geiz oder geil? “Wir wollen die Besucher anregen, ihre eigene Position zu beziehen”, sagte Fabritius.

PS: Informationen zum Klostermarkt 2022 in Dalheim gibt es hier.

Speak Your Mind

*