Thomas Schütte: Klassische Frauenakte

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Westfalen – Das Museum Folkwang in Essen präsentiert vom 21. September 2013 bis zum 12. Januar 2014 den Bildhauer Thomas Schütte. Die spektakuläre Ausstellung trägt den Titel “Frauen”.

Thomas Schütte - Foto: Folkwang Museum Essen

Thomas Schütte – Foto: Folkwang Museum Essen

Die Ausstellung präsentiert die Werkgruppe Frauen, eine Serie von 18 großen, in Bronze, Stahl und Aluminium ausgeführten Plastiken, die Thomas Schütte zwischen 1999 und 2009 geschaffen hat. Einzelne der liegenden, hockenden und aufgerichteten Figuren erinnern an klassische Frauenakte, andere hingegen sind derart verformt, dass weibliche Formen kaum mehr wiedererkannt werden können: Die auf Stahltischen aufgestellten und abgelegten Formen sind Darstellungen des menschlichen Körpers in wechselnden Seins- und Gefühlszuständen. Im Museum Folkwang wird die Serie Frauen zum ersten Mal in Deutschland vollständig zu sehen sein. Gezeigt werden außerdem zwei Gruppen Keramikstudien, die zwischen 1997 und 1999 entstandenen und von denen einige den Ausgangspunkt für die daran anschließende Arbeit an den Frauen bildeten.

Skulptur von Thomas Schütte - Foto: Folkwang Museum Essen

Skulptur von Thomas Schütte – Foto: Folkwang Museum Essen

Thomas Schütte gehört heute weltweit zu den wichtigsten Bildhauern unserer Zeit. Sein seit den frühen 1980er Jahren entstandenes außerordentlich vielseitiges Werk zeichnet sich durch konzeptuelle Klarheit und experimentelle Formfindungen aus. Die Verschiedenheit der von ihm geschaffenen Skulpturen ist ebenso erstaunlich wie das Spektrum der Materialien und
Techniken, derer er sich bedient. Schüttes bildhauerische Werk umfasst Architekturmodelle, Bühnenbilder und Installationen sowie Denkmäler, figurative Plastiken und gebaute
Architekturen, ausgeführt in Holz und Kunststoff, Metall, Ton, Stein und Beton.

Skulptur von Thomas Schütte - Foto: Folkwang Museum Essen

Skulptur von Thomas Schütte – Foto: Folkwang Museum Essen

Daneben entstehen fortlaufend zahlreiche Zeichnungen und Druckgrafiken. Er hat für die Bildhauerei ein Formenrepertoire gefunden, das die ästhetischen und politischen Erfahrungen des 20. und 21. Jahrhunderts aufbewahrt und zugleich den Erwartungen und Zuschreibungen begegnet, die ihr gerade im öffentlichen Raum immer wieder entgegentreten. Die in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler realisierte Ausstellung präsentiert eine zentrale Werkgruppe Schüttes, die Serie Frauen, 18 große, zwischen 1998 und 2006 entstandene Plastiken in Bronze, Stahl undAluminium, zwei Ensembles von Keramiken, Ceramic Sketches (1997–1999) und Es tut mir leid – Es tut mir sehr leid (1999), sowie eine Auswahl von Aquarellen aus den zwischen 2006 und 2008 entstandenen Deprinotes.

Beinahe von Beginn an ist die menschliche Figur in Schüttes Werk anwesend. Sie liefert Anhaltspunkte für den Maßstab der Architekturmodelle, Bühnenbilder und Szenarien und dient
gleichzeitig dazu, diese inhaltlich aufzuladen. Daneben hat Schütte frühzeitig figurative Plastiken geschaffen, die für sich stehen. Den Anfang markiert der Mann im Matsch, von dem ab 1982
verschiedene kleinformatige Versionen entstehen. In unterschiedlichen Konstellationen zeigen sie die etwas unbeholfen modellierte Figur eines Mannes, der mit den Unterschenkeln direkt auf
dem Untergrund steht – als wären seine Füße darin eingesunken.

En miniature nähert sich Schütte in diesen Werken der europäischen Tradition der Skulptur und ihrer prominentesten Aufgabe – dem öffentlichen Monument, dem Denkmal – und thematisiert mit dem Bild des Feststeckens zugleich die eigenen künstlerischen Zweifel, ob diese Annäherung gelingen wird.

In den 18 Frauen, bündeln sich viele der künstlerischen Strategien und Techniken, die Schütte seit den 1980er Jahren ausprobiert und für sich nutzbar gemacht hat. Ausgehend von dem
kunst- und kulturgeschichtlich geläufigen Motiv der Liegenden mit seinen zahlreichen Lesarten (Grabmonument, Schlafende Venus, Odaliske usw.) spielt Schütte verschiedene, teilweise
disparate Möglichkeiten der plastischen Gestaltung einer (über)lebensgroßen menschlichen Figur durch. Die gleichbleibenden Tische rufen dafür den „Modus des Modells“ auf und erzeugen
„einen Schwebezustand zwischen Wirklichkeit und Fiktion, zwischen dem Darstellungsanspruch der Kunst und ihrem anderen Anspruch, unvermittelt an der Realität teilzuhaben“ (Ulrich Loock).

Zudem erfüllen sie die Funktion von Sockeln, ohne wie diese die Figuren dem Betrachter zu entziehen. In der Formgebung der Frauen thematisiert Schütte verschiedene Stufen des Herstellungsprozesses (vom Zuschneiden des Modellrohlings aus Styropors bis zur Lackierung der gegossene Figur) und seine andauernde Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Idiomen der modernen Skulptur, von Rodin über Maillol und Matisse bis Picasso und Henry Moore, von Kolbe bis Marcks.

Die zwischen 1997 und 1999 entstandenen Keramikstudien dokumentieren die „Formsuche“ (Thomas Schütte), die der Arbeit an den Frauen vorausging. Für den Künstler war dabei allerdings nicht absehbar, dass einige dieser kleinformatigen Plastiken später den Ausgangspunkt für die überlebensgroßen Figuren bilden würden. Das Modellieren in Ton nutzte er als Versuchsanordnung, um verschieden Möglichkeiten für die plastische Darstellung einer menschlichen Figur zu erproben. Für diesen Selbstversuch hat sich Schütte verschiedene Beschränkungen oder Regeln auferlegt. Der maximale zeitliche Aufwand pro Werkstück war knapp kalkuliert und vorher festgelegt; der Ton wurde in einer vorproduzierten Stückelung bzw.
Konfektionierung verwendet (standardisierte Tonplatten und -würste) und ohne Modellierhölzer und andere Spezialwerkzeuge bearbeitet. Diese Beschränkungen sollten eine zu „künstlerische“ Ausarbeitung verhindern und so beim Betrachter eventuell noch vorhandene ästhetische Wertvorstellungen wie Meisterschaft und Vollendung untergraben.

Schütte stellt in dieser Werkgruppe ganz bewusst die seiner Ansicht nach gelungenen neben die misslungenen, von ihm mit einem Brett oder Holzhammer zusammengeschlagenen Keramiken: Er lädt den Betrachter dazu ein, selbst darüber zu entscheiden, welche der Versuche geglückt sind und welche nicht. „Der Formverlust ist ja auch eine Form.“ (Thomas Schütte)

Öffnungszeiten Di bis So 10 bis 18 Uhr, Fr 10 bis 22.30 Uhr, Mo geschlossen

Museum Folkwang, Essen / Museumsplatz 1 / 45128 Essen
Telefon 0201 – 8845 000
www.museum-folkwang.essen.de

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