Neue Regeln für Wirtschaft und Gesellschaft?

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Westfalen – Das Thema ist brisant und der Referent ein prominenter Philosoph. Eine gelungene Kombination. Die VR-Bank Westmünsterland eG hatte zu ihrer jährlichen Veranstaltung “BankLIVE” den medienbekannten Philosophie-Professor, Querdenker und Bestsellerautor Dr. Richard David Precht eingeladen. Wieder waren über 600 Mitglieder und Kunden in das Konzert-Theater Coesfeld gekommen, um sich aufrütteln und inspirieren zu lassen.

“Brauchen wir neue Regeln für Wirtschaft und Gesellschaft?” lautete der Titel des Vortrages. “Diesem gesellschaftspolitisch wichtigen Thema”, so der Vorstandsvorsitzende Dr. Wolfgang Baecker in seiner Begrüßung, „wollen wir uns als werteorientierte Genossenschaftsbank bewusst stellen.“ Druckreif, klug und höchst unterhaltsam – der Bestsellerautor wußte seine Zuhörer in seinen Bann zu ziehen und zum Mitdenken anzuregen. Zuerst im freien Vortrag und anschließend im Interview mit der ZDF-Journalistin Juliane Hielscher schlug er elegant und verständlich den Bogen von der Neurologie zur Zoologie, von Sokrates zu Kant, von der Psychologie des Menschen bis hin zum Zustand unserer Gesellschaft.

“Wir leben in einer der freiesten und privilegiertesten Gesellschaften, die es je gegeben hat“, hält Precht fest. “Doch die Wohlstandsentwicklung wird nicht zwingend so weitergehen wie bisher.” Es sei nicht auszuschließen, dass Zeiten ohne Wirtschaftswachstum auf uns zukommen. Darauf müsse man sich vorbereiten, indem man sein  Glück nicht ausschließlich mit dem traditionellen Wachstumsbegriff verbinde. “Wir müssen lernen, auch ohne weiteres Wirtschaftswachstum glücklich zu werden.“ Doch darauf seien die Bürger ebenso wenig vorbereitet wie ihre Politiker. Denn die Regierenden orientierten sich mehr als früher an aktuellen Meinungsumfragen und lösen damit nicht die drängenden Probleme, wie zum Beispiel den drohenden Zusammenbruch der sozialen Systeme.

Precht warnte vor den damit verbundenen politischen Gefahren: “Das wird die Stunde der Populisten.” Zwar werde Deutschland ein wohlhabendes Land bleiben, aber wichtig sei, dass der Bürger eigenmotiviert den Zusammenhalt der Gesellschaft fördert. Deshalb schlug er vor, die bestehende, über den Spitzensteuersatz hinausgehende “Reichensteuer” durch eine höhere, aber zweckgebundene Abgabe der Spitzenverdiener zu ersetzen. Allerdings nur unter der Maßgabe, dass der Reiche selbst wählen dürfe, ob er sein Geld zum Beispiel für den Ausbau von Kindergartenplätzen oder anderen vorgeschlagenen Verwendungen einsetzen wolle. Diese Abgabe, so zeigte sich Precht überzeugt, werde der Wohlhabende sicherlich gerne zahlen, denn so erhalte er das Gefühl, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft zu tun.

Überhaupt sei ihm bürgerschaftliches Engagement ein großes Anliegen. Precht sprach sich dafür aus, junge Frauen und Männer ab 18 Jahren und Senioren im ersten Jahr ihres Ruhestandes zu sozialen Diensten zu verpflichten: Den Banker im Ruhestand zum Beispiel zur Gründungsberatung junger Unternehmer oder den pensionierten Lehrer zum Nachhilfeunterricht. Auf diese Weise könnte die Gesellschaft es in relativ kurzer Zeit erreichen, beispielsweise jedem Kind – gerade aus benachteiligten Familien – zu einem Schulabschluss zu verhelfen und ihm so eine gute Zukunft zu ermöglichen.

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